Im Bürgerkrieg kämpft die Militärjunta ums Überleben. Während Peking geschickte Interessenpolitik betreibt, ignorieren viele Länder den Konflikt.
Noch klammert sich die Junta mit aller Gewalt an die Macht. Aber für ihren Chef, General Min Aung Hlaing, häufen sich die Hiobsbotschaften. Am Donnerstag sind Kampfdrohnen der Aufständischen in den Luftraum der streng bewachten Hauptstadt Naypyidaw eingedrungen. Mitte März erreichten Rebellentruppen Sittwe, die wichtigste Stadt im Gliedstaat Rakhine. Zuvor hatten Milizen dort eine Insel angegriffen, auf der China einen strategisch wichtigen Tiefseehafen baut. Der Regierungsarmee entgleitet die Kontrolle über weite Teile des Landes. Sogar Min Aung Hlaing räumt Schwierigkeiten ein.
Was die Generäle besonders beunruhigen muss: Ihre sehr heterogenen Kriegsgegner ziehen in seltener Einmütigkeit an einem Strang. Dazu zählen zwei Dutzend ethnische Rebellenarmeen, die international vernetzte Exilregierung sowie diverse Bürgerwehren, die sich nach dem Staatsstreich vor drei Jahren gebildet haben.
Schwäche mit Brutalität kompensiert
Myanmars gedemütigte Putschisten kompensieren ihre Schwäche auf dem Schlachtfeld mit hemmungsloser Brutalität: Sie massakrieren, brandschatzen, vergewaltigen. Um die Reihen ihrer Truppen zu füllen, ging das Regime dazu über, Frauen und Männer auch gegen ihren Willen zum Armeedienst einzuziehen. Wer kann, taucht unter, schliesst sich den Aufständischen an oder setzt sich ins Ausland ab.
Der Bürgerkrieg hat inzwischen Tausende Menschenleben gefordert und Hunderttausende in die Flucht getrieben; insbesondere nach Thailand. International findet der Konflikt aber kaum mehr Beachtung. Im Gegensatz zur russischen Invasion in der Ukraine oder zum Gaza-Krieg droht Myanmar in der Schublade der «hoffnungslosen Endloskonflikte» zu verschwinden.
Ein Massnahmenplan zur Deeskalation, den der südostasiatische Staatenbund Asean für sein vom demokratischen Weg abgekommenes Mitglied entworfen hat, erweist sich als Papiertiger. Die meisten anderen Länder ergehen sich in ritualisierten Ermahnungen an die Junta, das Völkerrecht einzuhalten und zu einer demokratischen Ordnung zurückzukehren.
Eine aktive, wenngleich ambivalente Rolle spielt hingegen China. Auf der internationalen Ebene bietet Peking dem Gewaltregime in Naypyidaw diplomatischen Flankenschutz. Es ist neben Russland der wichtigste Waffenlieferant der Militärregierung. Fallweise paktiert es aber auch mit einzelnen Rebellenverbänden. Dann etwa, wenn es darum geht, in Myanmar untergetauchter chinesischer Mafiabosse habhaft zu werden. Sie waren von der Junta gedeckt worden. Auch dürften chinafreundliche Milizen Kriegsgerät aus Peking erhalten.
Die Volksrepublik lässt sich sowohl von kurzfristigen Sicherheitsinteressen als auch von strategischen Überlegungen leiten. Über den geplanten chinesisch-myanmarischen Wirtschaftskorridor, einen Pfeiler von Xi Jinpings monumentalem Seidenstrassenprojekt, möchte sich Peking einen Zugang zum Indischen Ozean sichern.
Heftige Kämpfe verzögern allerdings den Bau der geplanten Zug- und Strassenverbindungen. Auch die Energielieferungen aus Myanmar sind gefährdet. Daher will China verhindern, dass der Bürgerkrieg aus dem Ruder läuft. Peking versucht sich auch als Vermittler, bis anhin wenig erfolgreich. Ein partieller Waffenstillstand hielt weniger als eine Woche.
Demokratische Länder in der Pflicht
Drei Jahre nach dem Sturz der demokratisch gewählten Führung unter Aung San Suu Kyi ist keineswegs sicher, ob es den Aufständischen gelingt, die Militärführung von der Macht zu vertreiben. Ein solches Szenario ist aber zumindest denkbar geworden.
Die Nachbarländer, aber auch der Westen wären gut beraten, sich mit einer möglichen Nachkriegsordnung zu befassen. Die ethnischen Minderheiten drängen auf eine Konföderation mit einer schwachen Zentralregierung. Andere Exponenten des Widerstands wollen genau das Gegenteil. Demokratische Staaten sollten auf einen Konsens hinwirken und dabei ihre Erfahrungen – und Interessen – einbringen.
Das Schicksal des ressourcenreichen Landes darf nicht dem autokratischen China und seinem «ewigen Freund» Russland überlassen werden. Jetzt nicht und nach einem Ende des Konflikts nicht. Sonst füllt Peking, der bedeutendste Wirtschaftspartner Myanmars, das Vakuum in diesem geostrategisch wichtigen Land ganz aus.