Israelische Politiker sind über den Vorstoss der Europäer empört. Prompt nach dem Entscheid schaffen sie die ersten Voraussetzungen für neue Siedlungen im Westjordanland.
Israel reagiert erbost auf die Ankündigung Norwegens, Irlands und Spaniens, einen palästinensischen Staat anzuerkennen. Aus Protest gegen den Entscheid zog Israels Aussenminister Israel Katz am Mittwochmorgen seine Botschafter aus den drei europäischen Staaten ab. «Die heutige Entscheidung sendet eine Botschaft an die Palästinenser und die Welt: Terrorismus zahlt sich aus», schrieb Katz auf X. Zudem bestellte er die Botschafter Norwegens, Irlands und Spaniens in Israel ein.
Israel will der PA den Geldhahn zudrehen
Gravierende Konsequenzen kündigte Finanzminister Bezalel Smotrich an. Der rechts-religiöse Minister will der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) den Geldhahn zudrehen. Smotrich informierte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, dass er die Steuerzahlungen an die Autonomiebehörde einbehalten werde. Israel solle dies aufgrund des «Strebens nach einer unilateralen Anerkennung» durch die PA ins Auge fassen.
Im Rahmen der Oslo-Abkommen wurde die PA 1994 als vorübergehende Verwaltungsbehörde geschaffen, bis ein palästinensischer Staat entsteht. Ausserdem legten Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) fest, dass Israel im Namen der Behörde Steuern eintreibt und diese monatlich nach Ramallah überweist. Mit den Geldern bezahlt die PA unter anderem ihre Angestellten im öffentlichen Dienst, sowohl im Westjordanland wie auch im Gazastreifen.
Bereits bis Januar hatte die Regierung in Jerusalem Steuerzahlungen eingefroren, die für PA-Angestellte im Gazastreifen bestimmt waren. Israel befürchtet, dass dieses Geld in die Hände der Hamas gelangen könnte. Nach langen Verhandlungen wurde vereinbart, dass die Gelder auf einem norwegischen Treuhandkonto aufbewahrt werden sollen. Diese «norwegische Lösung» ist mit der Anerkennung Palästinas als Staat durch Norwegen bedroht: Smotrich forderte ein Ende der Vereinbarung.
Voraussetzungen für neue Siedlungen
Neben den finanziellen Sanktionen forderte Smotrich auch die Errichtung von weiteren jüdischen Siedlungen im Westjordanland. Israel solle für jedes Land, das einen palästinensischen Staat anerkenne, eine neue Gemeinde im Westjordanland errichten. Die ersten Voraussetzungen für diese Siedlungen schuf am Mittwoch Verteidigungsminister Yoav Gallant, der innerhalb der israelischen Regierung als gemässigt gilt.
Gallant kündigte am Mittwoch an, dass Israeli wieder ein bestimmtes Gebiet im Norden des Westjordanlands betreten dürften, was ihnen seit 2005 untersagt war. Damals hatte Israel die jüdischen Siedlungen im Gazastreifen sowie vier Siedlungen im nördlichen Westjordanland unilateral geräumt. Vier Siedlungen in dem Gebiet wurden damals zerstört, auf Anordnung der Armee durften Israeli dorthin nicht zurückkehren. Diese Anordnung hob Verteidigungsminister Gallant am Mittwoch kurz nach der Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Norwegen, Irland und Spanien auf.
«Die jüdische Kontrolle über Judäa und Samaria garantiert Sicherheit», sagte Gallant und verwendete dabei die biblischen Bezeichnungen für das Westjordanland. So könnten Siedlungen errichtet und Sicherheit für die Bewohner der Region gewährleistet werden, sagte Gallant.
Solche Siedlungen könnten zwar erst nach einem längeren Bewilligungsprozess gebaut werden, der üblicherweise einige Jahre in Anspruch nimmt. Doch mit der Aufhebung der militärischen Sperrzone durch Gallant dürfte es für israelische Siedler nun leichter sein, Aussenposten in dem Gebiet zu errichten. Diese wären allerdings auch nach israelischem Recht illegal. Nach internationalem Recht gelten alle israelischen Siedlungen im Westjordanland als illegal. Das von Israel besetzte Westjordanland wäre der grösste Teil eines möglichen palästinensischen Staates. Heute leben dort über eine halbe Million israelische Siedler.
Mit ihren scharfen Reaktionen auf die Anerkennung eines palästinensischen Staates agieren die israelischen Politiker wohl durchaus im Sinne der Bevölkerung. Laut einer im Februar veröffentlichten Umfrage des Israeli Democracy Institute lehnen 63 Prozent der jüdischen Israeli einen Palästinenserstaat ab – auch wenn dieser demilitarisiert wäre.