Der Handelskrieg führt dazu, dass China stärker die Nähe zur EU sucht. Doch die beiden Wirtschaftsmächte haben viele Differenzen. Dazu geht in Europa die Furcht vor einer chinesischen «Importschwemme» um.
Am Freitag war es einmal mehr Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, der das hohe Lied auf gute Beziehungen mit Europa sang. «China hat die EU stets als tragenden Pfeiler in einer multipolaren Welt betrachtet», sagte Xi bei einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez in Peking. Sein Land mache sich für die Einheit, Entwicklung und einen grösseren Einfluss der EU stark.
Dieser Versuch einer Charmeoffensive ist eine durchsichtige Aktion. Da die Beziehungen zu den USA zerrüttet sind, macht sich Chinas Regierung fieberhaft auf die Suche nach neuen Partnern. Eine zweite Front kann sich das Land auch mit Blick auf seine angeschlagene Wirtschaft nicht leisten.
China hat im Handelskrieg keine Verbündeten. Die Avancen des Landes stossen in Europa auf zurückhaltende Reaktionen. Die EU will ihr Verhältnis zur asiatischen Grossmacht zwar verbessern, doch es gibt viele Meinungsdifferenzen. «Wir müssen die Wirtschaftsbeziehungen in ein Gleichgewicht bringen», sagte Maros Sefcovic, der für den Handel zuständige EU-Kommissar, diese Woche. So ist die EU überzeugt, dass in China nach wie vor hohe Barrieren für europäische Produkte existierten.
Ein Positionspapier der Europäischen Handelskammer in China (EUCCC) von 2024 führt die Hindernisse Punkt für Punkt auf: Viele Unternehmen würden etwa trotz jahrelangen Klagen von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen. Strengere Regeln als je zuvor erschwerten zudem Firmen den Transfer von Daten in die Zentralen in der Heimat.
Schliesslich könnten europäische Firmen nicht ohne weiteres chinesische Unternehmen übernehmen. Der Autoproduzent Geely hat 2010 Volvo Cars akquiriert – umgekehrt ist eine solche Transaktion nach wie vor undenkbar. Dass China sich hier bewegt, ist so gut wie ausgeschlossen. Xi hat die Autarkie und die Unabhängigkeit vom Ausland zum Kern seiner Wirtschaftspolitik gemacht.
Auch die EU geht gegen Chinas Dumping vor
Ein ständiger Konfliktherd sind auch Chinas Exportsubventionen. Chinesische Ausfuhren haben zwar der europäischen Industrie nicht so stark zugesetzt wie der amerikanischen. Aber auch Sefcovic beklagt sich über die in China herrschenden Überkapazitäten, die aufgrund von «nicht marktwirtschaftlichen Praktiken» entstanden seien. Der Kommissar drückt sich diplomatisch aus, aber er meint, dass der chinesische Staat den Firmen mannigfache Vorteile verschaffe. Und das gehe auch zulasten der europäischen Industrie.
Besonders hohe Subventionen erhalten dabei laut der EU-Kommission ausgerechnet jene Sektoren, die auch sie als strategisch einstuft: Halbleiter, Wind- und Solarkraft, E-Autos sowie die Umwelttechnik.
Die EU geht gegen die Praktiken Chinas immer wieder vor. So erhebt sie seit Oktober auf chinesischen E-Autos Strafzölle von bis zu 35 Prozent. Oder sie hat im März Anti-Dumping-Zölle auf Glasfasergarn aus China verhängt. Dieses Produkt sei wichtig für die ökologische Wende, meinte die Kommission. Europa müsse es daher teilweise selbst fertigen.
Europäische Industrielle fürchten, dass es nun infolge der hohen Zölle in den USA zu viel mehr Dumping kommen werde. 2024 hat China Güter für 440 Milliarden Dollar in die USA exportiert, ein Teil davon wird nun anderswo hingehen.
Das Kiel Institut für Weltwirtschaft schätzt, dass die chinesischen Exporte in die USA kurzfristig um 50 Prozent sinken könnten. Viele chinesische Firmen müssen sich daher neue Märkte suchen. Gleichzeitig eröffnen sich für europäische Unternehmen in den USA möglicherweise neue Geschäftschancen, da chinesische Konkurrenten dort nicht mehr konkurrenzfähig sind.
Chinas Kleinunternehmer zittern
In den Fabriken im Süden Chinas, die für die chinesischen Online-Discounter Shein und Temu produzieren, herrscht angesichts der US-Zölle Krisenstimmung. Die Firmen dürften nun stärker als bisher ihren Blick nach Europa richten.
Doch im vergangenen Jahr sind bereits 4,6 Milliarden Kleinsendungen in den Staatenbund gelangt mit einem Warenwert von weniger als 150 Euro. Das stellt laut der EU eine Verdreifachung seit 2022 dar. Rund 90 Prozent der Pakete kamen aus China.
Dieser Trend missfällt der Kommission – nicht nur weil die Paketflut den Zoll überfordert. Der Wettbewerb sei auch zuungunsten der europäischen Händler verzerrt. Teilweise hielten sich die chinesischen Anbieter auch nicht an die Sicherheitsvorschriften der EU, meint die Kommission. Die EU will daher die bei 150 Euro liegende Zollfreigrenze abschaffen.
Die EU hat zudem betont, dass man die Industriebetriebe vor den indirekten Folgen einer Handelsumlenkung schützen wolle. Naheliegend wären in diesem Fall Kontingente.
Welche Branchen unter Druck geraten, ist allerdings schwierig zu prognostizieren. Besonders verletzlich sind wohl Hersteller von Möbeln, Kleidern, Haushaltgegenständen oder Spielzeugen, also Produkten, mit denen sich ein Hersteller nur schwer von Konkurrenten abheben kann.
Die Autoindustrie muss sich dagegen vorerst nicht fürchten. Schon Donald Trumps Vorgänger Joe Biden hat chinesische E-Autos mit einem Zoll von 100 Prozent belegt. Deshalb haben sie in den USA nur einen verschwindend kleinen Marktanteil. Eine durch die US-Zölle ausgelöste Importschwemme werde es bei Autos nicht geben, sagt ein Vertreter der deutschen Autoindustrie.
Die EU hat mit den USA immer noch viel gemeinsam
Noch immer hofft die EU fast inständig, dass sich das Verhältnis mit den USA wieder normalisiert. Anders als China nimmt sie die Weltmacht nicht als geopolitischen Rivalen wahr, sondern sieht in ihr weiterhin den engsten Verbündeten.
Diese historisch gewachsene Zusammengehörigkeit wird die EU für die Annäherung an China nie aufs Spiel setzen. Man sei zwar mit den USA in einer schwierigen Phase, beide Seiten würden jedoch von einem frischen Blick auf das gegenseitige Verhältnis profitieren, meinte Sefcovic in dieser Woche zu den Beziehungen mit den USA.
Wie eng das Verhältnis ist, zeigen die Investitionen. Unternehmen aus den USA haben 4 Billionen Dollar in der EU, den EFTA-Staaten und Grossbritannien investiert. China kommt in der EU nur auf einen Betrag von 184 Milliarden Dollar. Die USA und die EU müssten nur schon deshalb ein Interesse an funktionierenden Beziehungen haben.
China und die EU – enge Partner, die sich vertrauen, werden die beiden Wirtschaftsmächte kaum je werden. Zumal es zwischen ihnen nicht nur wirtschaftliche Differenzen gibt, sondern auch politische. So weigert sich China, Russland als Aggressor des Ukraine-Kriegs zu benennen. Das empört Europas Politiker. Sie finden, dass China auf Russland mehr Druck ausüben sollte, damit es endlich zu ernsthaften Friedensgesprächen kommt.
Anders als Hardliner in der amerikanischen Regierung denkt die EU aber nicht daran, die wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu kappen. Man möchte die Abhängigkeit reduzieren, wolle sich aber nicht abkoppeln («de-risking nicht de-coupling»), hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jüngst wieder betont.
Sich von China zu lösen, ist wirtschaftlich auch gar nicht möglich. Wie die ganze Welt hängt die EU zum Beispiel bei vielen kritischen Metallen vom Land ab. Daran wird sich nicht viel ändern, auch wenn die EU Anstrengungen unternimmt, den Bergbau in Europa wiederzubeleben.
China und die EU wollen sich im Juli zum Gipfel treffen
In Brüssel fiebert man bereits einem China-EU-Gipfel entgegen, der im Sommer stattfinden soll. Vieles ist noch unklar. Die Kommission teilte am Freitag aber mit, der Gipfel solle in der zweiten Julihälfte in Peking stattfinden.
Die Amerikaner werden das Geschehen mit Argusaugen beobachten. Der amerikanische Finanzminister Scott Bessent hat die Länder diese Woche davor gewarnt, sich China anzunähern. Wer das tue, schneide sich die eigene Kehle durch.