In einem sind sich Zürichs Parteien einig: Der Zürcher Fussball braucht einen Kulturwandel.
In Zürich findet das Duell zwischen den beiden Stadtklubs FCZ und GC längst nicht nur auf dem Rasen des Letzigrunds statt. Die Rivalität ist im Stadtbild allgegenwärtig: Fans hinterlassen Aufkleber an Verkehrstafeln, Baustellenabschrankungen, Abfalleimern. Und sie versprayen Fassaden oder Mauern.
Vor dem Derby der beiden Stadtklubs Ende März nahm das Reviermarkieren der Fans neue Dimensionen an: Hellblau und übergross sprayten Fans die Lettern «FCZ» an die denkmalgeschützte Mauer des Lindenhofs.
12 000 Franken kostete es, die historische Mauer zu reinigen und mit einer Graffiti-Schutzschicht zu versehen. Eine Rechnung, auf der die Stadt – und damit die Steuerzahlenden – sitzenbleiben dürfte.
Bürgerliche fordern: Vereine sollen für Schäden haften
Geht es nach der Zürcher FDP, sollen die Kosten, die durch umtriebige Fussballfans entstehen, «konsequent verursachergerecht eingefordert und Fussballklubs stärker in die Verantwortung genommen werden», heisst es in einem entsprechenden Vorstoss.
Die Politiker schlagen unter anderem vor, die städtischen Beiträge an die Stadionmiete zu überdenken, bis die Klubs ihrerseits griffige Präventionsmassnahmen ergriffen hätten.
Der FCZ-Präsident Ancillo Canepa nannte das Ansinnen der FDP postwendend «weltfremd» – der Klub sei weder rechtlich noch moralisch verpflichtet, solche Rechnungen zu bezahlen, sagte er im April zur NZZ.
Am Mittwoch hat nun das Stadtparlament den Vorstoss der FDP diskutiert. In einem bestand Einigkeit: Die jetzige Situation ist unbefriedigend, niemand mag die Markierungen der Fussballfans.
Flurin Capaul (FDP) gehört zu den Urhebern des Postulats. Er hielt fest, auch eingefleischte Fussballfans seien nicht mehr bereit, die Begleiterscheinungen des Fussballs, Fangewalt, Tags, Kleber oder eben jüngst das Graffito am Lindenhof zu tolerieren.
Ihm sei klar, dass das Postulat rein juristisch nicht die Ultima Ratio sei, sagte Capaul. Er sei aber zuversichtlich, dass es Hebel gebe. So schlug er beispielsweise vor, bei der Stadionmiete anzusetzen. Wenn jetzt nichts geschehe, komme es in Zürich zur ultimativen Kollektivstrafe, nämlich, dass die Bevölkerung dem Fussball die Unterstützung entziehe.
Die Linken beklagten derweil, für die Forderung der FDP gebe es keine rechtliche Grundlage. In Anlehnung an Capauls Vorstoss für einen neuen Tukan in der Stadtgärtnerei sagte Sophie Blaser (AL): Wenn jemand «Tukan jetzt!» an eine Wand sprayen würde, «würde ich auch nicht Herrn Capaul dafür bestrafen».
Ausser Frage stand, dass es bei den Fussballklubs einen internen Kulturwandel brauche. «Fans müssen verstehen, dass sie dem Ansehen des Klubs schaden», sagte Severin Meier (SP).
Die Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) lehnte das Postulat ab, weil darin zwei Rechtsbereiche vermischt würden. Sie versprach aber, das Thema am nächsten runden Tisch mit den Fussballklubs anzusprechen und dabei «deutliche Worte» zu finden.
An die bürgerliche Ratsseite gewandt, erinnerte Rykart daran, dass die Stadt die Hebel, die sie habe, durchaus brauche. «Ich habe die Südkurve schon zweimal gesperrt.» Auch die Polizei tue ihre Arbeit. Das zeigten die jüngsten Verhaftungen von gewalttätigen Fans. So hat die Polizei beispielsweise zwei Dutzend Personen identifiziert, die letzten Oktober einen Fanzug am Bahnhof Hardbrücke gestürmt hatten.
Für Erheiterung sorgte ein Vorschlag von Johann Widmer (SVP). Er bot an, zusammen mit dem FCZ-Präsidenten, dem Gemeinderat und FCZ-Sicherheitsverantwortlichen Luca Maggi (Grüne) und FCZ-Fans durch die Stadt zu gehen und sämtliche Kleber zu entfernen. «Das wäre ein Signal, dass sich etwas ändert.»
Spontan schlossen sich Andreas Egli und Michael Schmid (beide FDP) diesem – wohl hypothetisch bleibenden – Putzkommando an. Das Postulat blieb dennoch chancenlos, die linken Parteien und die GLP stimmten dagegen.
Grundsätzlich ist klar: Graffiti werden entfernt
In der Stadt Zürich ist die Linie in Sachen illegale Graffiti klar: An öffentlichen Gebäuden werden sie entfernt. Auf der Plattform «Züri wie neu» kann man Schäden an der städtischen Infrastruktur melden.
Daniel Bekcic von der zuständigen Abteilung Immobilien Stadt Zürich sagt, die Zahlen der «Züri wie neu»-Plattform liessen keine verlässlichen Rückschlüsse darauf zu, wie viele Graffiti insgesamt gemeldet worden seien. Denn manche Meldungen gingen direkt bei der Stadtpolizei oder anderen Dienstabteilungen ein.
Klar herauszulesen ist aber die steigende Tendenz: 2023 nahm die Zahl der Meldungen gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent zu, vor allem wegen Fussballfans. 2024 betrug der Anstieg gar 80 Prozent. Gemäss dem städtischen Geschäftsbericht ist die jüngste Zunahme vor allem auf Sprayereien im Kontext mit dem Nahostkonflikt zurückzuführen.
Das zeigt beispielsweise ein Schriftzug, der seit Anfang Mai an einer Wand bei der Einfahrt des Urania-Parkhauses – gegenüber einer grossen Regionalwache der Stadtpolizei – prangt. «Vo Palästina bis Züri» steht da, darunter «vereint im Antisemitismus». Die beiden Satzteile sind in unterschiedlicher Schrift geschrieben, gemäss Informationen der Stadt Zürich wurden sie nicht gleichzeitig angebracht.
Dass das Graffito bis Mitte Monat noch nicht entfernt wurde, sorgt für Unmut. Über 200 mehrheitlich jüdische Personen haben deshalb einen Protestbrief an den Stadtrat geschickt. Kornel Ringli, Sprecher der Liegenschaften Stadt Zürich, sagt, die zuständige Parkhaus Zürich AG habe die Entfernung des Graffito bereits in Auftrag gegeben, nachdem der erste Teil angebracht worden sei. Sie werde bis Ende Woche erfolgen.
Stadt kann die Kosten nur «sehr grob» schätzen
Wie viel Geld die Stadt pro Jahr für Graffiti-Putzaktionen auf öffentlichem Grund aufwenden muss, wird nicht gesamtstädtisch erhoben. Denn je nachdem, wo Graffiti oder Fankleber angebracht werden, ist eine andere Abteilung zuständig. Beim Lindenhof war es Grün Stadt Zürich, Verwaltungsgebäude, Sportanlagen oder Werkhöfe fallen in die Zuständigkeit von Immobilien Stadt Zürich.
In einer Antwort auf eine Anfrage im Gemeinderat hat der Stadtrat 2023 «eine sehr grobe Schätzung» vorgenommen. Gemäss dieser dieser seien innerhalb von fünf Jahren Kosten von 9 Millionen Franken angefallen.