Apple, Alphabet und Tesla haben an Gunst eingebüsst. Die grossen Gewinner des KI-Booms heissen Nvidia und Microsoft. Der Manager eines bekannten Technologiefonds ordnet ein
Als «iPhone-Moment» bezeichnet Matthew Cioppa die generative künstliche Intelligenz. Er ist Manager des 10 Milliarden Dollar schweren Franklin Technology Fund, den es schon seit bald 24 Jahren gibt. «KI ist eine neue IT-Plattform, wie sie im Schnitt nur etwa alle zehn Jahre entsteht, vergleichbar mit dem Aufkommen des PC, des Smartphones oder von Cloud-Computing.» Kein Wunder, kommt es derzeit zu grösseren Verschiebungen bei den «glorreichen sieben» – den grössten Tech-Firmen mit einem Börsenwert von über 13 Billionen Dollar.
«Beim Aufkommen einer solchen neuen Plattform ist es normal, dass in den ersten drei bis fünf Jahren vor allem Firmen profitieren, welche die Infrastruktur bauen», sagt Cioppa. Das ist sehr augenfällig beim kometenhaften Aufstieg von Nvidia, der Firma mit den leistungsfähigsten KI-Halbleitern.
Nvidia: Wachstum dürfte anhalten
Angesichts des enormen Investitionsbedarfs werde Nvidia noch mehrere Jahre stark wachsen können. «Die Firma erzielte vor zwei Jahren im Datencenter-Bereich noch 15 Milliarden Dollar Umsatz, in diesem Jahr werden es voraussichtlich fast 100 Milliarden Dollar sein.» Der Markt für KI-Halbleiter dürfte auf mehrere hundert Milliarden Dollar anwachsen, erwartet der Fondsmanager, der in San Mateo im Silicon Valley arbeitet.
Trotz dem massiven Anstieg der Aktie findet er die Bewertung mit knapp 30-mal des erwarteten Gewinns des kommenden Jahres nicht besonders hoch – angesichts dieser goldenen Aussichten. «Nvidia ist unsere grösste Position im Fonds. Die Bewertung ist zu jenen anderer Halbleiterfirmen sogar relativ tief», so Cioppa.
Der Fonds hat auch andere klare Gewinner im KI-Infrastrukturbereich identifiziert, wie Marvell Technology, AMD, Monolithic Power Systems, Taiwan Semiconductor oder Cloud-Anbieter wie Snowflake oder Mongo DB. «Diese Breite an Titeln ermöglicht ein diversifiziertes Investment ins Thema KI», sagt Cioppa.
Microsoft schwingt obenauf
Bei den KI-Anwendungen sei es schwieriger, klare Gewinner ausfindig zu machen. Zu diesen gehöre aber mit Sicherheit Microsoft, deren KI-Software Co-Pilot ihr 30 Dollar pro Nutzer und Monat einbringt: «Das allein stellt ein potenzielles 100-Milliarden-Dollar-Geschäft dar.»
Microsoft ist zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufgestiegen auf Kosten des Apple-Konzerns, der eine Reihe von Problemen hat, etwa in China, wo die Firma unter Druck steht. Der iPhone-Bauer leidet auch unter regulatorischem Gegenwind, etwa was die umstrittene 10-Milliarden-Dollar-Zahlung von Google betrifft – als Gegenleistung dafür, dass Google-Dienste auf Apple-Geräten eine Vorzugsstellung erhalten.
«Vor allem aber haben alle anderen Magnificent-Firmen eine glaubwürdigere KI-Strategie als Apple. Möglicherweise wird Apple nun ein KI-Modell des iPhone ankünden, eine Art Weiterentwicklung von Siri, um aus dem Formtief herausfinden», sagt Cioppa. Diese Woche ist bekanntgeworden, dass Apple die Entwicklung von eigenen Autos einstellt – und seine Ressourcen jetzt auf KI und seine Virtual-Reality-Headsets fokussiert.
Bei Tesla ein Comeback erwartet
Auch Tesla ist nicht länger das Lieblingskind der Investoren: Punkto Börsenwert ist die Firma nun so weit zurückgefallen, dass man sie eigentlich nicht länger zu den glorreichen sieben zählen kann. Cioppa erwartet aber ein Comeback. Tesla habe in den USA einen eindrücklichen Marktanteil von 50 Prozent erreicht. Nun sei aber eine Wachstumsdelle zu erwarten und starke chinesische Konkurrenz, was sich im Aktienkurs widerspiegle.
«Mittelfristig aber hat Tesla sehr gute Aussichten. Die Firma wird neue Einsteigermodelle lancieren, die sehr kostengünstig sind, aber Tesla dank revolutionären Produktionsmethoden trotzdem höhere Margen einbringen dürften», so der Fondsmanager. Die Firma habe auch beim autonomen Fahren die Nase vorne und könne wohl als Erste einen Robotaxi-Service lancieren. Und auch Teslas humanoider Roboter Optimus habe grosses Potenzial.
Tesla, beziehungsweise dessen Chef Elon Musk, ist sehr KI-affin. Das trifft zwar auch auf Meta zu, die über eigene Sprachmodelle verfügt. Die Firma findet beim Franklin Technology Fund aus anderen Gründen keine Gnade.
«Wir haben uns im Jahr 2021 komplett von unserer damaligen Meta-Position getrennt», sagt Cioppa. Meta betreibe schier unüberblickbare Social-Media-Plattformen, auf denen x Sprachen verwendet würden, und habe so ein riesiges Problem mit der Content-Moderation. Das werde der Firma immer wieder Ärger mit Regulatoren bescheren und gehe mit finanziellen Risiken einher.
«Möglicherweise kann generative künstliche Intelligenz Meta künftig helfen, in Echtzeit zu verstehen, welche Inhalte ihre Nutzer generieren, und sofort zu intervenieren. Würde die Firma das Content-Moderations-Problem in den Griff bekommen, könnten die Aktien für uns wieder interessant werden.»
Positiv gestimmt ist Cioppa für Alphabet, ein Titel, den der Fonds übergewichtet hat. «Die Firma wird als Verliererin im KI-Rennen gesehen, aber sie macht eindrückliche Fortschritte. Alphabet holt den Rückstand zu Open AI rasch auf», attestiert der Fondsmanager.
«Es zeichnet sich für uns ab, dass es Google gelingen könnte, die Internetsuche mit KI attraktiv zu machen – nicht nur für die Nutzer, sondern auch für die Werbeindustrie.» Viele Investoren blieben aber skeptisch und das eröffne Kurspotenzial, wenn sich Googles Fortschritte klarer zeigen, findet Cioppa.
Bewertungen unproblematisch
Wie steht es um die Bewertungen? Gibt es angesichts der stolzen Aktienpreise überhaupt noch Luft nach oben? «Wir stehen am Anfang eines neuen Zyklus bei Firmeninvestitionen in IT-Ausrüstung wie Cloud-Computing und Software. Sie hat nicht nur konjunkturelle Gründe, sondern steht auch im Zusammenhang mit den strukturellen Änderungen aufgrund von KI.»
«Das erwartete Bestellwachstum ist mit ein Grund, wieso uns die Bewertungen im Moment keine Sorgen bereiten.» Aber es sei klar, dass die Konzentration an der Börse von einigen wenigen grossen Konzernen historisch gesehen extrem hoch sei und dass es irgendwann zu einer Gegenbewegung kommen werde. «Kleinere und mittelgrosse Firmen generieren über die Zeit mehr Wert als die Grossen», sagt Cioppa.