Die Suche nach dem sechsten Mitglied der Tourengruppe ist eingestellt worden. Gemäss Polizei war die 28-Jährige diejenige, die Alarm geschlagen hatte. Entfernte sie sich wegen des Mobilfunks von der Gruppe?
Die Tragödie der Tête-Blanche bewegt die Schweiz wie schon lange kein Bergunglück mehr: Fünf Alpinisten, die am Samstagmorgen von Zermatt in Richtung Arolla aufgebrochen waren, sind bei widrigsten Witterungsbedingungen auf rund 3500 Metern über Meer ums Leben gekommen. Sie stammten aus der gleichen Walliser Familie.
Von der sechsten Person – einer 28-jährigen Freiburgerin – sind bislang lediglich die Ski und ein Rucksack gefunden worden. Wie die Kantonspolizei Wallis am Donnerstagabend mitteilte, ist die Suche nach Rücksprache mit der Familie mittlerweile eingestellt worden. Eine realistische Chance, sie noch lebend zu finden, besteht nicht mehr. Man werde nun, wie bei jedem Vermisstenfall, im betroffenen Gebiet noch «punktuelle Kontrollgänge» durchführen, schreibt die Polizei.
Rettungskolonne musste umkehren
Der erste Notruf ging am Samstagnachmittag um 16 Uhr 03 ein. Ein Familienmitglied war beunruhigt, weil die Angehörigen noch nicht in Arolla eingetroffen waren. Um 17 Uhr 19 war es dann die Freiburgerin, die Alarm schlagen konnte.
Hatte sie sich zu diesem Zeitpunkt von der Gruppe abgesetzt, allenfalls um im schlecht erschlossenen Gelände Mobilfunkempfang zu erhalten? Dagegen spricht allerdings, dass dieser Anruf – gemäss der Polizeidarstellung vom Montag – Hinweise zum Aufenthaltsort der Gruppe gegeben hat. Die präzise Lokalisierung erfolgte schliesslich anhand der Handy- und GPS-Daten aller sechs Alpinisten.
Es folgte eine Mobilisierung der Einsatzkräfte, wie sie auch in dem unfallerprobten Alpenkanton nicht alle Tage vorkommt. Mehrere Dutzend Helfer hätten theoretisch ausrücken können – doch die Wetterbedingungen liessen eine grossangelegte Suche schlicht nicht zu. Die Rettungskolonne, die sich trotz Eiseskälte, Lawinengefahr, Windböen und Nebel in Richtung der Vermissten aufmachte, musste am Samstagabend wieder umkehren.
Angesichts des menschlichen Leids – die Verstorbenen sind noch nicht einmal beigesetzt – stehen finanzielle und juristische Aspekte derzeit nicht im Vordergrund. Doch eines Tages werden auch diese Punkte geklärt. Es stellt sich die Frage, die unabhängig vom Drama an der Tête-Blanche gilt: Wer bezahlt eigentlich, wenn Alpinisten gerettet oder geborgen werden müssen?
Automatische Unfallversicherung
Die verkürzte Antwort lautet: sie selbst – beziehungsweise ihre Versicherungen. Theoretisch ist es möglich, dass sich eine Person ohne jegliche Versicherungsdeckung ins Schweizer Hochgebirge aufmacht. In der Praxis kommt dies jedoch kaum je vor. Wer mindestens acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt ist, ist automatisch gegen Nichtberufsunfälle versichert.
Selbständigerwerbende sind über die obligatorische Krankenpflegeversicherung unfallversichert, womit Rettungs- und Suchaktionen bis zu einer gewissen Höhe gedeckt sind (nicht jedoch der Erwerbsausfall). Wer nicht erwerbstätig ist – Rentner, Studierende, Hausfrauen und -männer –, muss sich ebenfalls gegen Unfälle versichern.
Vorstellbar wäre, dass sich ein Tourist ohne ausreichende Deckung in die Berge aufmacht. Nimmt die Person jedoch die Dienste einer Bergführerin oder eines Bergführers in Anspruch, dürfte auch sie versichert sein. Ein Formular muss sie nicht ausfüllen, die Bergführer sind aber angehalten, ihre Kunden mündlich über die rechtliche Situation aufzuklären.
Möglicherweise reicht schon eine Gönnerschaft bei einer Rettungsgesellschaft, um eine allfällige Versicherungslücke schliessen zu können – beispielsweise bei der Rega, wie es über 40 Prozent der Bevölkerung handhaben. Diese kann Kosten übernehmen, die nicht von Versicherungen getragen werden. Pro Jahr spricht die Rega für solche Fälle gut 10 Millionen Franken.
Geld ab dem dritten Tag
Bezüglich Rettungs-, Bergungs- und Transportkosten, die bei Grossoperationen mehrere zehntausend Franken kosten können, ist der Fall also zumeist klar. Komplexer wird es, wenn es sich um eine länger andauernde Suchaktion handelt. Diese Kosten werden nur dann vollumfänglich übernommen, wenn man zuvor eine entsprechende Zusatzversicherung abgeschlossen hatte. Gemäss Angaben der Helsana, die derartige Produkte anbietet, haben solche Versicherungen in der Regel ein Kostendach.
Überlebt ein Alpinist ein Bergunglück mit schweren Verletzungen, wird er danach nicht gleich weiterarbeiten können. Dann springt die Unfallversicherung ein. Ab dem dritten Tag bezahlt sie ein Taggeld, das – bei voller Arbeitsunfähigkeit – 80 Prozent des vorherigen Verdienstes deckt.
Doch das gilt nicht in jedem Fall, wie eine Übersicht der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) zeigt. Sie unterscheidet zwischen absoluten und relativen Wagnissen, welche die verunfallte Person bei der Ausübung ihrer Aktivität eingegangen ist.
Das «absolute Wagnis»
Als absolutes Wagnis gilt eine Handlung, die «unsinnig oder verwerflich erscheint» oder deren Gefahr «unabhängig von den konkreten Verhältnissen nicht auf ein vernünftiges Mass herabgesetzt werden kann» – also beispielsweise Base-Jumping, Motorradrennen oder Tauchen in einer Tiefe von mehr als 40 Metern. Nach Unfällen bei solchen Sportarten werden Taggelder und Invalidenrenten von Gesetzes wegen um mindestens 50 Prozent gekürzt. In Extremfällen können die Leistungen gar ganz verweigert werden.
Skifahren ist grundsätzlich voll von der Unfallversicherung gedeckt. Geht die Person jedoch ein übermässiges Risiko – ein relatives Wagnis – ein, können Geldleistungen bis maximal 50 Prozent reduziert werden. Ob eine Skitour, die per Definition ausserhalb der markierten Pisten stattfindet, in diese Kategorie fällt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Leistungskürzung erfolgt dann, wenn «die sportüblichen Regeln und Vorsichtsgebote in schwerwiegender Weise missachtet» worden sind.