Ein mutmasslich israelischer Luftangriff hat am Montag mehrere hohe Offiziere der Revolutionswächter im iranischen Konsulat in Damaskus getötet. Wird Teheran nun zurückschlagen?
Am Montagnachmittag hat eine mächtige Explosion Damaskus erschüttert. Rauchwolken stiegen auf. In der syrischen Hauptstadt war es zu einem schweren Luftangriff gekommen. Die Attacke galt dem iranischen Konsulat. Wenig später zogen Rettungsteams mehrere Leichen aus den Trümmern. Bei der Explosion wurden laut einer Aktivistengruppe vierzehn Menschen getötet – unter ihnen General Mohammed Reza Zahedi, ein hoher Kommandant der iranischen Revolutionswächter, sowie sein Stellvertreter Hadi Haji Rahimi.
Auch Hossein Amirollah, Generalstabschef der zu den Revolutionswächtern gehörenden Kuds-Brigaden in Syrien und Libanon, soll unter den Toten sein. Für den iranischen Botschafter, der den Angriff auf das Konsulat überlebt hatte, war sofort klar, wer hinter der Attacke steckte: Kampfjets der israelischen Luftwaffe. Sie hätten mehrere Raketen auf Teherans Vertretung im befreundeten Syrien abgeschossen.
Schwerster Verlust seit dem Tod von Soleimani
Israel selbst äusserte sich wie schon bei früheren Angriffen in Syrien nicht dazu. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dann wäre den Israeli ein Coup gelungen. Denn Zahedi galt als einer der wichtigsten Vertreter Irans in Syrien. Der 63-Jährige, der einst die Luftwaffe der Revolutionswächter befehligt hat, soll für die Koordination mit Teherans lokalen Verbündeten zuständig gewesen sein – darunter auch der mächtigen Hizbullah-Miliz im benachbarten Libanon.
«Dies ist möglicherweise der schwerste Verlust Irans seit der Tötung von Kassem Soleimani», sagt der Militärexperte Fabian Hinz von der Denkfabrik IISS in Berlin. Der einstige Chef der Revolutionswächter und Architekt der iranischen Regionalpolitik war 2020 bei einem amerikanischen Luftangriff in Bagdad getötet worden. Teheran drohte für die Tötung Zahedis sogleich mit Vergeltung. Israel werde für den Angriff bezahlen, verkündete der iranische Präsident Ebrahim Raisi.
Iran hätte die Mittel dazu. «Die Iraner verfügen über Raketen, die Israel erreichen können», sagt Hinz. «Sie könnten aber auch ihre verbündeten Milizen im Irak oder in Syrien aktivieren, um indirekt zurückzuschlagen.» Ob Teheran so weit gehen wird, ist eine andere Frage. Zwar führt es seit Jahren einen Schattenkrieg gegen Israel und Amerika. Nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober haben die Iraner jedoch die Initiative verloren. «Israel ist bereit, höhere Verluste in Kauf zu nehmen», sagt Hinz. «Iran hingegen scheint an einem grösseren Konflikt kein Interesse zu haben.»
Iran will einen offenen Krieg vermeiden
Tatsächlich halten sich die Iraner, die im vergangenen Jahr erst ihr Verhältnis zu den Golfstaaten repariert haben, seit dem Hamas-Angriff auf Israel zurück. Zwar schiessen ihre Verbündeten Drohnen und Raketen auf amerikanische Ziele in Syrien und im Irak. Eine grössere Eskalation scheint aber nicht in Irans Interesse zu sein. Entsprechend schüchtern war auch Teherans Reaktion, als Israel im Dezember einen anderen hohen Offizier der Revolutionswächter tötete.
Allerdings ist fraglich, wie lange sich Teheran diese Zurückhaltung leisten kann. «Es geht den Iranern ja auch darum, ihre Abschreckung aufrechtzuerhalten», sagt Hinz. Der Angriff auf das Konsulat stelle eine neue Dimension dar. «Bisher galten diplomatische Einrichtungen als tabu», so Hinz. Nach dem Schlag vom Montag dürften es sich iranische Funktionäre in Zukunft zweimal überlegen, wie und wo sie sich bewegen – selbst in befreundeten Ländern wie Syrien.
Der Luftangriff auf Damaskus war nicht der einzige in diesen Tagen. Am Freitag schlugen die Israeli wohl auch in Aleppo im Norden Syriens zu. Dort wurden laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bei einem Angriff auf eine militärische Einrichtung über fünfzig syrische Soldaten und Hizbullah-Kämpfer getötet. Der libanesische Hizbullah ist der mächtigste Verbündete Teherans in der Region. Die Miliz verfügt angeblich über Hunderttausende Raketen und könnte Israel in einem Krieg gefährlich werden.
Droht jetzt auch ein Krieg in Libanon?
Israel hat seine Angriffe auf den Hizbullah in letzter Zeit deutlich intensiviert und bombardiert regelmässig dessen Stellungen in Libanon. Doch auch die Schiitenmiliz will offenbar keine offene Feldschlacht riskieren. Der Hizbullah gilt als Lebensversicherung Teherans. Die Iraner wollen sie kaum für die Palästinenser in Gaza opfern. Gleichzeitig muss die Truppe, die im Oktober zur Unterstützung der Hamas einen Grenzkrieg gegen Israel begonnen hat, immer wieder herbe Verluste hinnehmen.
In Beirut gehen deshalb schon länger Gerüchte um, der Hizbullah suche verzweifelt nach einem Ausweg. So soll kürzlich ein hoher Vertreter der Miliz an den Golf gereist sein, um indirekt mit den Israeli über eine mögliche Beendigung des Konflikts zu verhandeln. Auch Amerika und Frankreich versuchen, zwischen den Parteien zu vermitteln. Der Hizbullah-Chef Nasrallah hat jedoch klargemacht, dass die Gefechte erst enden werden, wenn auch Israels Krieg in Gaza aufhört.
Israel hingegen verlangt vom Hizbullah, sich von der Grenze zurückzuziehen. Sollte das nicht passieren, droht es mit Krieg. Jüngst hat es den Druck weiter erhöht und zusätzliche Truppen in den Norden verlegt. «Israel konzentriert sich momentan auf den Krieg gegen die Hamas. In Gaza haben wir mit vielen Problemen zu kämpfen, die wir erst lösen müssen», sagt der israelische Sicherheitsexperte Eldad Shavit. Sollten sich die Israeli trotzdem zu einem Angriff gegen den Hizbullah in Libanon entschliessen, dürfte es allerdings mit der relativen Zurückhaltung Irans vorbei sein.







