Die Konservativen gewinnen und die Rechtsaussen-Partei Chega erreicht ihr bisher bestes Ergebnis. Die Sozialisten brechen ein. Ausschlaggebend war wohl der Frust vieler junger Wähler und ihre Hinwendung zu radikalen Alternativen.
Zum dritten Mal in drei Jahren haben die Portugiesen ein neues Parlament gewählt. Die meisten Stimmen erhielt die Partei des bisherigen Regierungschefs Luís Montenegro. Sein konservatives Bündnis, die Demokratische Allianz (AD), lag laut Hochrechnungen um Mitternacht bei etwa 32 Prozent und gewann im Vergleich zu den letzten Wahlen 3,5 Prozent hinzu.
Die eigentliche Wahlgewinnerin ist allerdings die Rechtsaussen-Partei Chega («Es reicht»). Mit 22,7 Prozent Stimmenanteil konnte die Partei im Vergleich zu Vorjahr nochmals zulegen und lieferte sich sogar ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialisten um den zweiten Platz. «Chega hat heute das Zweiparteiensystem in Portugal zerstört», feierte das der Parteichef André Ventura in der Wahlnacht.
Die Jugend hat genug
Chega wusste im Wahlkampf nicht nur mit rechtspopulistischen Parolen gegen Migranten, Roma und dem Ruf einer Rückbesinnung auf «traditionelle Werte» zu punkten. Sie mobilisierte auch das Misstrauen gegenüber den etablierten Parteien und den Frust über hohe Lebenshaltungskosten, Wohnungsnot und ein überlastetes Gesundheitssystem. Auch den massiven Stromausfall vor drei Wochen nutzte Parteichef Ventura, um der Regierung Versagen im Krisenmanagement vorzuwerfen.
Wie schon bei der letzten Wahl erreichte die Rechtsaussen-Partei mit einer breiten Präsenz in den sozialen Netzwerken vor allem junge Wähler. Viele junge Portugiesen spüren die Wohnungsnot und die steigenden Lebenshaltungskosten besonders. Zumal viele nach der Ausbildung in Jobs mit Mindestlohn von knapp 900 Euro landen, was kaum zum Leben reicht. Nicht nur in Städten wie Lissabon und Porto fehlen Perspektiven. Als Ausweg bleibt vielen nur die Emigration.
Der Frust darüber, dass trotz rund zwei Prozent Wachstum seit dem Ende der Corona-Krise bei vielen Portugiesen wenig vom Aufschwung ankommt, reicht allerdings über die Jugend hinaus bis tief in die Mittelschicht.
Sozialisten verlieren in drei Jahren die Hälfte ihrer Wähler
Der Abwanderung dieser Wähler zu Chega stürzt vor allem die Sozialisten in eine Krise. Von über 41 Prozent Stimmenanteil im Jahr 2022 und einer absoluten Mehrheit im Parlament blieben diesmal nur 23,4 Prozent übrig. Der linken Volkspartei trauen viele Portugiesen derzeit keine Lösungen für die drängendsten Probleme zu.
Den Sozialisten gelang es auch nicht, politisches Kapital daraus zu schlagen, dass die konservative Allianz von Regierungschef Montenegro nach nur einem Jahr im Amt über ein Misstrauensvotum gestürzt war. Auslöser war ein Skandal um die Beratungsfirma seiner Familie. Das Unternehmen soll Montenegros Amt und Stellung dazu genutzt haben, Aufträge von Privatfirmen zu erhalten. Der Ministerpräsident bestritt die Vorwürfe stets, verweigerte jedoch Auskünfte über die Kunden der Firma. Geschadet hat ihm das bei der Wahl nun nicht.
Montenegro selbst war erst ins Amt gekommen, nachdem sein sozialistischer Vorgänger António Costa ebenfalls wegen eines vermeintlichen Korruptionsskandals zurückgetreten war. Inzwischen ist Costa EU-Ratspräsident.
Rechte Mehrheit nur mit Chega
Nach dem Absturz der Linken verfügen rechte Parteien im Parlament von Lissabon nun über eine Mehrheit. Wie viele Sitze die einzelnen Parteien genau gewannen, blieb in der Wahlnacht zunächst unklar. In Portugal dauert die Veröffentlichung der Sitzverteilung traditionell länger.
Ob das Wahlergebnis tatsächlich in eine stabile Rechtskoalition mündet, ist ungewiss. Zwar kündigte Wahlsieger Luís Montenegro Gespräche mit der wirtschaftsliberalen Iniciativa Liberal an, ein Bündnis mit Chega lehnt er jedoch weiterhin ab. Dabei hatte sich seine konservative Demokratische Allianz im Wahlkampf deutlich an Chegas migrationskritische Rhetorik angenähert, etwa mit der Ankündigung, 18 000 illegal eingereiste Migranten auszuweisen.
Ohne die Partei am rechten Rand ist keine stabile rechte Mehrheit möglich und auch die linken Parteien erreichen keine eigene Mehrheit. Montenegro steht nun vor der Wahl: Hält er an der Brandmauer gegen Rechts fest oder wagt er eine Minderheitsregierung? Dann wäre er auf die Duldung durch die Sozialisten angewiesen, die ihm zumindest bei zentralen Gesetzesvorhaben keine Steine in den Weg legen dürften. Am Wahlabend wollte sich Montenegro dazu nicht äussern. Von seiner Parteispitze hiess es lediglich, das Wahlergebnis habe das Vertrauen in die Regierung gestärkt.