Nach dem Tod ihres Bruders Gianni vertrat Donatella Versace fast drei Jahrzehnte als Kreativdirektorin von Versace sein modisches Erbe und wurde dabei selbst zur Ikone. Ihr Nachfolger wird der Designer Dario Vitale, vormals bei Miu Miu.
Donatella Versace sagt «Ciao» zu Versace. Zumindest als Chief Creative Officer, wie das Modehaus am Donnerstag, den 13. März, in einer Pressemitteilung verkündete. Die italienische Designerin hatte dessen kreative Leitung übernommen, nachdem ihr Bruder Gianni 1997 in Miami ermordet wurde. Ganz verlässt Donatella Versace, 69, das Modehaus nicht: Sie wird Chief Brand Ambassador und bleibt damit das Gesicht der Marke. «Versace ist in meiner DNA und immer in meinem Herzen», liess sie sich zitieren.
«Es war die grösste Ehre meines Lebens, das Erbe meines Bruders Gianni fortzuführen», sagte Versace weiter, «er war das wahre Genie, aber ich hoffe, ich habe etwas von seinem Geist und seiner Hartnäckigkeit.» Sie bedankte sich beim Team und sagte, sie freue sich darauf, Versace mit anderen Augen zu sehen.
Von Miu Miu zu Versace
Diese anderen Augen gehören Dario Vitale, der ab dem 1. April 2025 Chief Creative Officer von Versace wird. Der Italiener, der 1983 nahe Neapel geboren wurde, verliess im Januar nach 15 Jahren Miu Miu. Dort verantwortete er zuletzt das Design und das Markenimage. Miu Miu, das Zweitlabel von Prada, ist eine seltene Erfolgsgeschichte in der zeitgenössischen Modewelt und verzeichnete 2024 eine Umsatzsteigerung von 93 Prozent. Seine eklektische Ästhetik prägen seit einigen Jahren besonders viele Trends, und die Shows an der Paris Fashion Week gehören stets zu den meistbeachtetsten und Prominenten-dichtesten der Woche.
Versace hingegen ist in einer Phase der Unsicherheit. Das Modehaus wurde 2018 von der amerikanischen Firma Capri Holdings – Besitzerin von Michael Kors und Jimmy Choo – für 1,83 Milliarden Euro gekauft. Laut Medienberichten möchte die Firma Versace aber bereits wieder abtreten; als mögliche Käuferin wird aktuell die Prada Group gehandelt. Damit würde Versace wieder in italienische Hände gelangen, nachdem es 1978 von Gianni Versace in Mailand gegründet wurde.
Seine neue Aufgabe bei Versace sei ein Privileg, so Dario Vitale. «Das Haus Versace hat ein einzigartiges Erbe, das sich über Jahrzehnte erstreckt und die Geschichte der Mode geprägt hat», liess er sich zitieren. «Vitale ist ein seltenes Talent, das die Essenz und die Werte von Versace zutiefst respektiert und das Wachstumspotenzial der Marke klar erkennt», sagte Versace-CEO Emmanuel Gintzburger in der Mitteilung. «Wir sind überzeugt, dass seine Erfahrung und seine Vision der Marke eine neue Perspektive geben werden.»
Eine Ikone der italienischen Modewelt
Donatella Versaces letzte Show als Kreativdirektorin fand im Februar während der Milan Fashion Week statt. Sie war etwas düsterer als sonst, aber beinhaltete alles, wofür man Versace (die Marke) und Versace (die Frau) kennt und schätzt: verschnörkelte Prints auf Seide, Minikleider mit Schlitzen, bestickte Blazer, Gold und Silber und breite Schultern. Zum Schluss trat Donatella Versace selbst auf dem Laufsteg und winkte. Wie immer war sie von weitem erkennbar mit ihren platinblonden Haaren, ihrer kleinen Statur und ihren himmelhohen, schwarzen Plateaustiefeln.
Versace wurde nie als Modedesignerin ausgebildet, arbeitete aber schon von Beginn an bei der Entwicklung der Marke eng mit ihrem Bruder Gianni zusammen. Sie übernahm kurz nach dessen Tod seine Rolle und bewies, genau wie er, ein hervorragendes Gespür für popkulturelle Momente. Eine Sensation war die grüne, tief ausgeschnittene Seidenrobe, die Jennifer Lopez im Jahr 2000 zu den Grammy Awards trug. Das Kleid war so einflussreich, dass es heute seinen eigenen Wikipedia-Beitrag hat.
Über die Jahre wurde Versace selbst zur Ikone und zu einem unverkennbaren Gesicht der italienischen Modebranche. Das wird sie auch in ihrer neuen Rolle noch sein. Nur werden wohl die Kleider, die sie dabei trägt, etwas anders aussehen.