Die drei ostasiatischen Wirtschaftsmächte beleben ihre Spitzendiplomatie neu. Sie stehen aber trotz eines «kommunikativen Spagats» vor grossen Herausforderungen.
Chinas Ministerpräsident Li Qiang war am Montag in einer Charmeoffensive in Südkorea unterwegs. Erstmals seit fünf Jahren fand in Seoul ein trilateraler Gipfel zwischen China, Japan und Südkorea statt. «Die Kooperation unserer drei Länder sollte ein neues Gefühl des Verantwortungsbewusstseins und Engagements zeigen», sagte er nach seinem Treffen mit Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol und Japans Regierungschef Fumio Kishida.
In einer gemeinsamen Erklärung versprachen die drei Regierungen, den persönlichen Austausch durch gegenseitige Besuche zu fördern. Bis 2030 soll die Zahl der Reisen von Touristen, Studenten und Kulturschaffenden auf 40 Millionen erhöht werden. Zudem sollen die Verhandlungen für eine trilaterale Freihandelszone beschleunigt werden.
Die enge Vernetzung zwingt die Nachbarn zu Gesprächen
Dieses Projekt war seit dem ersten trilateralen Gipfel im Jahr 2012 eines der wichtigsten Projekte. Die Freihandelszone würde 20 Prozent der Weltbevölkerung und 25 Prozent der Weltwirtschaft verbinden. Aber 2019 brachen die Gipfeltreffen ab, zum einen wegen der Pandemie, aber auch wegen unlösbarer Streitpunkte.
Südkoreas stellvertretender Sicherheitsberater Kim Tae Hyo nannte den Gipfel einen Wendepunkt und eine Gelegenheit, eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern wiederherzustellen. Beobachter beurteilen die Lage vorsichtiger. Frederic Spohr, Leiter des Büros der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, meint: «Angesichts der Spannungen ist es bemerkenswert, dass der Gipfel überhaupt stattfindet.»
China will die US-Allianzen schwächen
China fühlt sich zunehmend von den USA und ihren Verbündeten eingekreist. Die Regierung versucht daher, die Verbindungen der Nachbarn zu den USA zu schwächen. Die Initiativen werden aber durch das aggressive Verhalten von Chinas Partnern Russland und Nordkorea konterkariert.
Nordkorea liefert inzwischen in grossem Umfang Waffen und Munition für Russlands Krieg gegen die Ukraine. Im Gegenzug hilft Russland beim Weltraumraketenprogramm. Ein Vertreter des südkoreanischen Verteidigungsministeriums berichtete am Sonntag, dass eine grosse Zahl russischer Experten am Raketenbahnhof gesichtet worden sei. Am Montag erklärte die japanische Küstenwache, Pjongjang habe den Start einer Weltraumrakete zwischen dem 27. Mai und dem 4. Juni angekündigt.
Damit würde das Land erneut gegen die Sanktionen der Vereinten Nationen verstossen, die die Entwicklung von Atomwaffen und ballistischen Raketen verbieten, seien es militärische Trägerraketen oder Weltraumraketen. Daher schaffte es Kim mit seinen Vorstoss prompt auf die Gesprächsagenda der drei mächtigen Nachbarn.
In der abschliessenden Pressekonferenz forderten Yoon und Kishida, den Start zu unterlassen und eine entschlossene Reaktion der internationalen Gemeinschaft, wenn Kim sich über die Sanktionen hinwegsetzt. Chinas Regierungschef Li rief alle beteiligten Länder zu einer politischen Lösung auf.
Gleichzeitig treiben die USA ihre Sicherheitsinteressen in der Region voran. Ein Beispiel ist die trilaterale Allianz mit Südkorea und Japan. Ein anderes ist das Militärbündnis Aukus zwischen Australien, Grossbritannien und den USA. Über den Sicherheitsdialog Quad versuchen die USA, Australien und Japan, den chinesischen Kontrahenten Indien enger an sich zu binden. Zudem verstärkt Japan seine militärischen Beziehungen zu den Philippinen und Vietnam.
Die eigenen geostrategischen oder politischen Interessen Japans und Südkoreas schimmerten schon am Sonntag bei Treffen im Vorfeld des eigentlichen Gipfels durch. Japan und Südkorea wollen einerseits ihre militärische Zusammenarbeit verstärken und andererseits ihre grossen wirtschaftlichen Interessen in China verteidigen.
Die geopolitischen Spannungen stellen eine hohe Hürde dar
Südkoreas Präsident Yoon äusserte im Gespräch mit Japans Regierungschef Kishida die Hoffnung, «einen historischen Sprung in unseren bilateralen Beziehungen vorzubereiten». Japans Aussenministerium berichtete vom Treffen zwischen Kishida und Chinas Regierungschef Li, dass die beiden Seiten sowohl kritische Fragen als auch «kooperative Projekte» diskutiert hätten, darunter die «grüne Wirtschaft» und die Gesundheitsvorsorge.
Für den Asien-Experten Spohr stehen die Länder vor der Herausforderung, die Gesprächskanäle zu festigen. «Die Spannungen zwischen den USA und China werden sich wahrscheinlich verstärken», sagt Spohr. «Japan und Südkorea sitzen dazwischen und müssen nun den Spagat wagen.»