Der US-Präsident hat während des Börsen-Crashs seine Anhänger dazu aufgerufen, zu investieren. Nun wird ihm Marktmanipulation vorgeworfen. Hat sich sein Umfeld bereichert?
Donald Trumps Kehrtwende bei den Zöllen mit der Ankündigung einer 90-tägigen Pause hat an den Börsen für einen historischen Handelstag gesorgt. Der amerikanische Leitindex erlebte mit einem Plus von 9,5 Prozent den höchsten Anstieg seit 2008, der Nasdaq stieg gar um 12,2 Prozent. Die Aktienmärkte hatten während der Börsenturbulenzen nach Trumps Zollankündigungen am 2. April massiv an Wert verloren.
Trump sorgte am Mittwoch mit Aussagen im sozialen Netzwerk Truth Social persönlich für das Kursfeuerwerk – nun wird ihm von politischen Gegnern und in den sozialen Netzwerken Marktmanipulation vorgeworfen. Der demokratische Senator Adam Schiff forderte eine Untersuchung des Kongresses dazu, ob Insiderhandel stattgefunden hat – ob sich Vorinformierte an der Kursbewegung bereichert haben könnten.
Ungewöhnliches Timing
Hatten sie zum richtigen Zeitpunkt in Aktien wie United Airlines – die an jenem Tag 26 Prozent gewannen –, Tesla (22 Prozent) oder Nvidia (19) investiert oder diese Wetten mit Call-Optionen gehebelt, konnten findige Investoren ein Vielfaches des Einsatzes einsacken. Ob gewisse mehr wussten als andere und diese Information auch nutzten, muss eine Untersuchung ermitteln.
Dass der Verdacht des Insiderhandels aufkommt, erstaunt indes nicht. Denn das Timing von Trumps Kommunikation ist ungewöhnlich. Der US-Präsident oder seine Assistenten setzten um 9 Uhr 33 (Lokalzeit) eine unproblematische Nachricht ab, die lautete: «Be cool!», «Alles wird gut». Zu jenem Zeitpunkt hatten die amerikanischen Börsen vier wüste Handelstage hinter sich, an denen die Indizes stark abgerutscht waren. Die Stimmung war am Boden.
THIS IS A GREAT TIME TO BUY!!! DJT
Donald Trump Truth Social 04/09/25 09:37 AM
— Donald J. Trump Posts From His Truth Social (@TrumpDailyPosts) April 9, 2025
Vier Minuten später, um 9 Uhr 37, setzte Trump eine offenbar persönlich verfasste Nachricht in typischen Grossbuchstaben ab: «THIS IS A GREAT TIME TO BUY!!! DJT» – das sei eine grossartige Zeit, um zu kaufen. Aber weder der S&P 500 noch der Nasdaq schlugen in den darauffolgenden Stunden merklich aus. Die Indizes schwankten zwar, bewegten sich aber seitwärts, bis am frühen Nachmittag.
Um 13 Uhr 18 wurde dann die Nachricht abgesetzt, in der Trump die Anhebung der Zölle gegen China auf 125 Prozent und die 90-tägige Zollpause ankündigte. Die Kurse reagierten unmittelbar. Der Anstieg verlief zuerst sehr steil und flachte dann bis Handelsschluss um 16 Uhr ab.
Möglicherweise Vorinformierte mussten sich also vor der Ankündigung der Zollpause in Stellung gebracht haben, um kassieren zu können. Oder Spekulanten sind blind der Weisung des US-Präsidenten auf Truth Social gefolgt und deckten sich nach dem «Great time to buy»-Post am Morgen mit Aktien oder sonstigen Finanzprodukten ein.
Weisses Haus dementiert
Das Weisse Haus wies Anschuldigen, wonach sich Personen dank Insiderwissen bereichert haben könnten, zurück. Die Posts von Donald Trump hätten die Amerikaner beruhigen sollen: «Es liegt in der Verantwortung des US-Präsidenten, die Märkte und die Amerikaner bezüglich ihrer wirtschaftlichen Sicherheit zu beruhigen, auch wenn die Medien ununterbrochen Angst verbreiten», sagte der Sprecher Kush Desai.
Die Zollpause kam für die Märkte überraschend, am Vortag noch hiess es aus dem Weissen Haus, Trump werde bei den Zöllen niemals einen Rückzieher machen. Am Folgetag hiess es dann, das Vorgehen sei schon die ganze Zeit Trumps Strategie gewesen, man sehe eben die «Kunst des Deals» am Werk, einen Bestseller über Verhandlungstaktik des US-Präsidenten aus dem Jahr 1987.
Finanzminister Scott Bessent bestritt sogar, dass die gestiegenen Anleihenrenditen die Regierung zum Umdenken gebracht hätten, obwohl Trump später bestätigte, dass er den «sehr heiklen» Bondmarkt beobachtet und gemerkt habe, dass die Nervosität hoch sei.
Pump and Dump?
In den sozialen Netzwerken aber schien der Fall klar: Trump habe ein umgekehrtes «Pump and Dump»-Spiel betrieben. Zuerst hat er mit der Zollankündigung die Aktienpreise nach unten gedrückt und sie am Mittwoch wieder gezielt befeuert. Trump habe seine Anhänger motiviert, Aktien zu kaufen, um vom Kursanstieg zu profitieren.
Am Montag, 7. April, fand ein ähnliches Ereignis statt. Gerüchte machten die Runde, Trump werde die Zölle pausieren, was ein kurzzeitiges Rally auslöste. Dann dementierte aber das Weisse Haus, und die Kurse brachen wieder ein.
Der demokratische Kongressabgeordnete Mike Levin sagte auf X: «Das ist schlimme Marktmanipulation.» Er fragt, ob ein solches Vorgehen legal sei, und weist auf Rentner und Anleger aus der Mittelklasse hin, die während des Crashs Aktien verkauft hätten, weil sie nicht so risikotolerant seien. Der demokratische Politiker Steven Horsford fragte Trumps Handelsbeauftragten Jamieson Greer in einem Kongress-Hearing: «Wer hat profitiert? Welcher Milliardär wurde gerade reicher?»
Die Story, dass Insider aus Trumps Umfeld die Zollankündigung genutzt haben könnten, um mit Finanzwetten Millionen zu verdienen, ist reizvoll. Doch gemäss einer Recherche der «New York Times» waren viele von Trumps hochrangigen Ministern und Beratern bis zur letzten Minute nicht informiert, dass Trump seine Meinung zu den Zöllen geändert hatte.
Noch am Mittwochmorgen deutete Trump an, dass er an seinem ursprünglichen Plan festhalten wolle. Sogar der Handelsbeauftragte Greer soll erst während des Kongress-Hearings von Trumps Meinungsumschwung erfahren haben.