Bei einer Mahnwache trauern in Southport zahlreiche Menschen friedlich um die erstochenen und die verletzten Kinder. Doch Rechtsextreme kapern das Gedenken.
(dpa) Nach dem tödlichen Messerangriff auf mehrere Kinder und antimuslimischen Ausschreitungen von Rechtsextremen steht die britische Küstenstadt Southport unter Schock. Gemeinsam räumten Anwohner das Trümmerfeld auf.
Die Polizei schätzt, dass es etwa 200 bis 300 Randalierer waren, die erst eine Moschee und dann Polizisten mit Ziegelsteinen, Mülleimern und Strassenschildern bewarfen. Bisher wurden drei Personen festgenommen, wie Chief Constable Serena Kennedy von der Merseyside Police sagte. «Allerdings werden noch einige folgen.»
Nahe der attackierten Moschee war ein ausgebrannter Polizeiwagen zu sehen. Mindestens 39 Beamte wurden bei den Krawallen verletzt, 27 von ihnen mussten in Kliniken behandelt werden. Die Vorsitzende der örtlichen Polizeigewerkschaft sprach sogar von mehr als 50 verletzten Kolleginnen und Kollegen. Die Einsatzkräfte erlitten unter anderem Knochenbrüche, Schnittwunden, vermutlich einen Nasenbruch und eine Gehirnerschütterung. Auch drei Polizeihunde wurden verletzt.
Southport räumt auf
Der lokale Geschäftsmann Norman Wallis sagte der Nachrichtenagentur PA, die Randalierer stammten nicht aus der Gegend, sondern seien mit Bussen und Autos angereist, um Krawalle zu machen. «Die Leute aus Southport räumen heute dieses Chaos auf», sagte Wallis.
Die Ausschreitungen brachen nach einer friedlichen Mahnwache Tausender Menschen für die Opfer aus. Geschürt wurden die Unruhen laut Polizeiangaben von Gerüchten und Falschmeldungen über die Identität des mutmasslichen Täters. Der 17-Jährige soll am Montag drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren erstochen und acht weitere Kinder sowie zwei Erwachsene teils schwer verletzt haben. Das Motiv ist noch unklar. Die Ermittler erhielten mehr Zeit, um den Verdächtigen zu befragen.
Im Internet kursierten Berichte, bei dem Tatverdächtigen handele es sich um einen muslimischen Asylbewerber mit arabisch klingendem Namen, der bereits vom britischen Geheimdienst beobachtet worden sei. Kritiker warfen dem rechtspopulistischen Abgeordneten Nigel Farage, der einst den Brexit massgeblich vorangetrieben hatte, vor, die Stimmung anzuheizen. Der Chef der Partei Reform UK hatte in einem bei X hochgeladenen Video spekuliert, dass die Behörden die «Wahrheit vor uns zurückhalten».
Polizei weist Online-Spekulationen zurück
Die Polizei wies die Angaben, die auch von einem russischen Staatsmedium verbreitet wurden, deutlich zurück. Der 17-Jährige sei in Grossbritannien geboren worden, betonte sie. Die BBC berichtete, der Teenager sei Sohn ruandischer Eltern und lebe seit mehr als zehn Jahren in der Region Southport. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus. Es handele sich nicht um terroristisch motivierte Tat.
Laut Polizei haben die Krawallanten nach einer Mahnwache für die Opfer der Messerattacke sowohl Beamte als auch die örtliche Moschee mit Ziegelsteinen beworfen und ein Geschäft geplündert. Ausserdem hätten sie Autos und Mülltonnen in Brand gesetzt. Laut Angaben der Behörden waren die meisten Randalierer Mitglieder einer rechtsextremen Gruppe.
Der örtliche Parlamentsabgeordnete Patrick Hurley sagte dem Sender BBC Radio 4, die Randalierer hätten die Bluttat für ihre eigenen politischen Zwecke missbraucht und «dieselben Ersthelfer und dieselben Polizisten» angegriffen, die am Montag den Täter gestoppt hätten. Der Vorsitzende der Moschee, Ibrahim Hussein, sagte Reportern, er habe mit acht Gemeindemitgliedern in dem Gebäude festgesessen und sei nur dank einer Polizeieskorte entkommen.
Starmer von Schaulustigen belästigt
Die britische Regierung verurteilte die Ausschreitungen scharf. Randalierer würden die volle Härte des Gesetzes spüren, kündigten der neue Premierminister Keir Starmer und Innenministerin Yvette Cooper an.
«Diejenigen, die die Mahnwache für die Opfer mit Gewalt und Brutalität gekapert haben, haben die trauernde Gemeinschaft beleidigt», betonte der Regierungschef bei X. Starmer legte nahe dem Tatort Blumen nieder. Dabei wurde der Premierminister, der erst seit wenigen Wochen im Amt ist, von Schaulustigen belästigt, die ein schärferes Vorgehen gegen Migranten forderten.