Die Diplomatin musste bei Kantonen und Gemeinden stets für zusätzliche Betten weibeln. Nun will sie zurück auf das internationale Parkett.
Staatssekretärin Christine Schraner Burgener gibt die Leitung des Staatssekretariates für Migration (SEM) auf Ende Jahr ab. Das hat der Bundesrat am Mittwoch in einer Medienmitteilung bekanntgegeben. Demnach wechselt Schraner Burgener auf eigenen Wunsch ins Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie hatte das SEM am 1. Januar 2022 übernommen.
Wie die Tamedia-Zeitungen am Mittwoch schrieben, sei Schraner Burgener der Rücktritt nahegelegt worden. Hatte sie sich mit ihrem neuen Chef, SP-Bundesrat Beat Jans, überworfen? Jedenfalls verlässt mit Schraner Burgener bereits die zweite Spitzenbeamtin innert wenigen Wochen das EJPD. Ende April hatte Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle ihren Rücktritt nach zehn Jahren Tätigkeit eingereicht.
«Grösste Fluchtbewegungen seit dem Zweiten Weltkrieg»
Für Schraner Burgener blieb wenig Zeit, sich im SEM einzuarbeiten. Wenige Wochen nachdem sie ihre Arbeit aufgenommen hatte, überfiel Russland die Ukraine und löste damit die grösste Fluchtbewegung in die Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg aus. Das SEM hat bis heute in Zusammenarbeit mit Kantonen, Gemeinden und auch Privaten mehr als 100 000 Personen aus der Ukraine registriert, aufgenommen und untergebracht. Hinzu kam eine hohe Zahl an Asylgesuchen.
Angesichts der klammen Bundesfinanzen wurde der Ton in der Asylpolitik derweil rauer. Die SVP machte die Migration zum Wahlkampfthema und erzielte damit bei den nationalen Wahlen im Herbst 2023 einen Erfolg. Die hohen Zahlen sorgten zudem für Unmut zwischen dem Staatssekretariat für Migration und einer Allianz aus Kantonen und Gemeinden.
Einige Kantone und Gemeinden waren an Kapazitätsgrenzen gelangt und stellten sich gegen die Pläne aus Bundesbern. Hier sorgte vor allem der gescheiterte Container-Deal für Negativschlagzeilen. Im Sommer 2023 hatte eine bürgerliche Mehrheit im Ständerat einen entsprechenden Kredit für den kurzfristigen Zubau neuer Kapazitäten gleich mehrfach abgelehnt.
Das Verhältnis zwischen der damals zuständigen Bundesrätin, SP-Frau Elisabeth Baume-Schneider, und ihrer Genossin Schraner Burgener hatte sich danach zusehends verschlechtert. Baume-Schneider trat bekanntlich selbst die Flucht nach vorne an und wechselte Ende 2023 ins frei gewordene Innendepartement. Schraner Burgener, die einst Botschafterin in Thailand und Deutschland war sowie von 2018 bis 2021 Sondergesandte der Uno in Myanmar, blieb im SEM.
Für die weltgewandte Diplomatin war der Wechsel zurück in die Schweiz ein Kulturschock. Immer wieder machten Teile der Bevölkerung ihrem Unmut Luft und mobilisierten gegen zusätzliche Asylunterkünfte. Schraner Burgener fand sich als Beschwichtigerin und Moderatorin wieder. Die Berner Sitzungszimmer tauschte sie gegen den harten Turnhallenboden in der Schweizer Provinz, wo sie für die neuen Betten für Flüchtlinge weibeln musste.
Anfang 2024 gab das SEM seine Pläne bekannt, auf dem Gelände des Campingplatzes Buosingen in der Schwyzer Gemeinde Arth ein Bundesasylzentrum zu errichten. Dort will das SEM 170 Personen unterbringen, die auf ihre Ausschaffung warten. Die Gemeinde Arth und der Schwyzer Regierungsrat stimmten den Plänen des SEM zu. Als Gegenleistung würde der Kanton weniger Asylbewerber aus Bern zugewiesen erhalten. Die Standortgemeinde wäre laut dem Gemeindepräsidenten faktisch von der Aufnahme von weiteren Asylsuchenden befreit. Doch unter der lokalen Bevölkerung formierte sich Widerstand.
Als das SEM seine Pläne öffentlich machte, lancierte die SVP Schwyz eine Petition gegen das Bundesasylzentrum. Mehr als 5300 Personen unterschrieben. Mitte Februar organisierte sie auf dem Gelände des geplanten Bundesasylzentrums eine Kundgebung.
Cassis heisst sie bereits willkommen
Mitte April reiste Schraner Burgener nach Arth. Bereits am Eingang hielten Einheimische ein Plakat hoch. Darauf stand: «Wir fordern Remigration – Nein zum Bundesasylzentrum!» In der Turnhalle waren die Meinungen grösstenteils gemacht, Schraner Burgeners Diplomatie lief ins Leere. So fand sie sich zwischen Schwyzer Sprossenwänden in der Rolle des Don Quijote wieder.
Schraner Burgener übernimmt nach ihrem Rücktritt als Staatssekretärin ab dem 1. Januar 2025 eine Funktion im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie hat bereits von 1991 bis 2018 im EDA gearbeitet. Der bald zuständige Bundesrat Ignazio Cassis sagte am Mittwoch an einer Medienkonferenz, dass man keine Probleme damit haben werde, die erfahrene Diplomatin im Aussendepartement unterzubringen. Wer auch immer der Nachfolger von Schraner Burgener sein wird, er bleibt im politischen Fokus. «Jetzt kommt jemand ganz Linkes», schrieb der SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi auf X.