Der Bauernpräsident Markus Ritter will Bundesrat werden. Und wer noch? Die Zeit wird knapp. Die Frist für das interne Nominationsverfahren läuft noch bis Montagmittag. Das Bundesratskarussell der Mitte-Partei im Überblick.
Die Erwartungen waren gross: Wer lädt schon zu einer Medienkonferenz, wenn er nicht kandidieren will? Doch Christophe Darbellay hat genau das getan. In Charrat verkündete er am Sonntagabend, dass er nicht Bundesrat werden wolle. Er sei nicht der richtige Moment, das Wallis zu verlassen, sagt Darbellay. Er wolle sich auf seine Regierungsratstätigkeit und den laufenden Wahlkampf konzentrieren.
Am Freitag hatte sich bereits die ehemalige Fraktionspräsidentin und Luzerner Ständerätin Andrea Gmür aus dem Rennen genommen. «Ich will mich weiterhin mit voller Kraft als Ständerätin des Kantons Luzern einsetzen», schrieb sie in einer Erklärung auf ihrer persönlichen Website. Gmür galt als Hoffnungsträgerin für diejenigen, die sich eine Frau auf dem Ticket der Mitte wünschen.
Damit ist der Nationalrat und Bauernverbandspräsident Markus Ritter bis jetzt der einzige Anwärter auf das Bundesratsamt. Offen ist, wer sich noch meldet. Das interne Nominationsverfahren dauert noch bis Montagmittag. Die Findungskommission präsidieren der scheidende Parteichef Gerhard Pfister und der Fraktionschef Philipp Matthias Bregy.
Am 21. Februar entscheidet die Mitte-Fraktion, wer auf das Ticket kommt. Die Ersatzwahl wird in der Frühlingssession der Bundesversammlung stattfinden.
Die aussichtsreichsten Namen und die prominentesten Absagen im Überblick:
Wer antritt
Markus Ritter, 57, Kanton St. Gallen
Lange sah es bei Markus Ritter aus, als wolle er lieber als Bauernverbandspräsident eine Art achter Bundesrat bleiben, als einer von sieben Bundesräten zu werden. Doch am Dienstag hat er an einer Medienkonferenz der Kantonalpartei in St. Gallen die Nomination offiziell verkündet.
Ritter ist einer der mächtigsten Parlamentarier, gefürchtet für Dossierkenntnisse und erbarmungslose Interessenvertretung im Namen der Bauern. Besonders aufseiten der Bürgerlichen dürfte er mit breiter Unterstützung rechnen. Der Kanton St. Gallen ist allerdings bereits durch Karin Keller-Sutter im Bundesrat vertreten. Ritter wird genau kalkulieren, wie er diesen Nachteil kompensieren könnte.
Wer noch überlegt
Nicole, Barandun, 56, Kanton Zürich
Die Präsidentin des Stadtzürcher Gewerbeverbands ist zwar erst seit 2023 im Nationalrat und hat keine Exekutiverfahrung, aber sie traut sich das Amt zu. Wer wie die Rechtsanwältin mit der Stadt Zürich um jeden Parkplatz kämpfen muss, erwirbt sich Sitzleder. Ob sie sich aufstellen lässt, gibt sie am Montag bekannt.
Elisabeth Schneider-Schneiter, 60, Baselland
Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter ist eine erfahrene Politikerin. Sie ist eine überzeugte Unterstützerin der geplanten Verträge mit der EU und politisiert im gesellschaftsliberalen Flügel ihrer Partei. Dem Vernehmen nach reisst sie sich nicht gerade um eine Kandidatur. Seit dem Rückzug von Andrea Gmür ist der Druck auf sie aber gewachsen. Die Mitte-Frauen wollen eine Frauenkandidatur – aber dafür brauchen sie eine Frau, die will.
Wer verzichtet
Christophe Darbellay, 53, Kanton Wallis
Die alte CVP war die Partei des Föderalismus, ihre grossen Figuren waren nicht selten Lokalfürsten, fast allmächtig in den katholischen Stammlanden. Im «Tagesgespräch» bei SRF sagte Gerhard Pfister kürzlich, für ihn kämen auf dem Kandidatenkarussell die vielen Regierungsrätinnen und Regierungsräte seiner Partei zu kurz.
Für eine Kandidatur infrage gekommen wäre daher der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay. Der ehemalige CVP-Präsident kennt die Maschinerie in Bundesbern. Von 2003 bis 2015 politisierte er im Nationalrat. Eine Rückkehr ins Bundeshaus konnte er sich immerhin vorstellen. «Ich denke ernsthaft darüber nach», hatte er der Walliser Tageszeitung «Le Nouvelliste» gesagt.
Am Sonntagabend (2. 2.) hat Christophe Darbellay in Charrat im Wallis eine Medienkonferenz organisiert und gesagt, er wolle sich auf den Walliser Regierungsrat und den laufenden Wahlkampf konzentrieren.
Martin Pfister, 61, Zug
Auch der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister will nicht Bundesrat werden. Der 61-jährige Lehrer ist seit 2016 Mitglied der Zuger Kantonsregierung. Pfister hat Germanistik und Geschichte studiert und wohnt in der Gemeinde Baar. Vor seiner Zeit als Regierungsrat war Pfister für verschiedene Verbände und als Berater tätig.
Andrea Gmür, 60, Kanton Luzern
Als interessiert galt zunächst ebenso die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür. Doch diesen Freitag sagte auch sie ab. «Ich will mich weiterhin mit voller Kraft als Ständerätin des Kantons Luzern einsetzen», schreibt sie in einer Erklärung auf ihrer persönlichen Website.
Gmür galt als Hoffnungsträgerin für diejenigen, die sich eine Frau auf dem Ticket der Mitte wünschen. Als Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission kennt sie zudem alle Dossiers im frei werdenden Verteidigungsdepartement. Das VBS wäre, sagt etwa die Frauenparteichefin Christina Bachmann-Roth, «genau ihr Gebiet». Gmür sagt, sie sei von vielen Seiten zur Kandidatur ermuntert worden. Der grosse Zuspruch freue sie. Gleichwohl reiht sich auch die Luzernerin in die Liste derjenigen ein, die verzichten.
Gerhard Pfister, 62, Kanton Zug
Lange sah alles so aus, als wolle er Bundesrat werden. Nur wenige Tage vor Viola Amherds Rücktritt hatte er sich mit seinem eigenen Rücktritt als Mitte-Präsident in Stellung gebracht. Sein Interesse am höchsten Amt in der Schweizer Politik stritt er nie ab – oder kokettierte er immer nur damit? Im «Tagesgespräch» von Radio SRF erklärte er Mitte Januar, man solle ihm noch einige Tage des Nachdenkens geben, um dann aber zu betonen, dass er sich «zu 95 Prozent» entschieden habe. Es klang wie der letzte Beweis für seine Ambitionen.
Nur wenige Tage später sagte er im «Tages-Anzeiger»: «Ich wäre kein glücklicher Bundesrat.» Zwar hätte er sich das Amt «bei aller Bescheidenheit» zugetraut, aber er debattiere und streite sehr gerne, dazu brauche er eine gewisse persönliche Freiheit. Dass er seine ganze Karriere auf das Bundesratsamt ausgerichtet habe, sei «ein grosses Missverständnis» gewesen.
Philipp Matthias Bregy, 46, Kanton Wallis
Am prominentesten sind bis anhin die Namen jener, die nicht Bundesrat werden wollen. Neben Gerhard Pfister ist das auch der Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy. Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» sagt er: «Ich habe aber entschieden, dass eine Bundesratskandidatur für mich derzeit nicht infrage kommt.» Seine Kinder seien mit acht und drei Jahren noch etwas klein, er wolle ihre ersten Lebensjahre miterleben. Bregy macht sich aber weiterhin «ernsthafte Gedanken» darüber, ob er Parteipräsident der Mitte werden will. Er ist ein klassischer Mitte-Mann: politisch sehr flexibel, machtpolitisch sehr gefestigt.
Martin Candinas, 44, Kanton Graubünden
Er galt als einer der Favoriten – und sagte wie viele von ihnen ab: der Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas. Die wichtigste Voraussetzung für das Amt sei Leidenschaft, sagte Candinas. Er spüre aber momentan «kein inneres Feuer» für den Bundesrat. Die Arbeit als Nationalrat erfülle ihn, diese wolle er weiterführen. Zudem habe auch die Familie eine Rolle gespielt. Am Ende habe sein Herz nicht Ja gesagt.
Candinas, 44, ist innerhalb der neuen Mitte ein klassischer CVPler. Ein Mann aus einer abgelegenen Talschaft, der im Bundeshaus vor allem ein Prinzip kennt: die Bedürfnisse des eigenen Milieus verteidigen. Candinas sitzt zwar im Nationalrat, wirkt geistig aber eher wie ein Ständerat. Er kämpft für die Alimentierung des Service public, für das Rätoromanische, für die Berggebiete. In Graubünden ist er überall anzutreffen. Als Nationalratspräsident wirkte er 2023 noch mehr als sonst nicht wie einer, der die Politik parteiisch zu beeinflussen versucht, sondern wie einer, der die Politik moderiert. In den Bundesrat will er aber vorerst dennoch nicht.
Isabelle Chassot, 59, Kanton Freiburg
Isabelle Chassot wäre wohl die profilierteste Kandidatin der Partei, sie kennt fast alle Motoren und Getriebe im Maschinenraum der schweizerischen Politik: Sie war Grossrätin und Staatsrätin im Kanton Freiburg, sie leitete das Bundesamt für Kultur, zuletzt wurde sie in den Ständerat und zur Präsidentin der Credit-Suisse-PUK gewählt. Auch die Arbeit einer Bundesrätin kennt sie schon – als persönliche Mitarbeiterin von Ruth Metzler und Arnold Koller.
Doch Chassot hat sich mit einem leicht sibyllinischen Satz – «Es fehlt mir die Lust, Lust zu haben» – bereits früh vom Karussell genommen. Bemühungen aus der Partei, sie doch noch zu einer Kandidatur zu bewegen, blieben erfolglos.
Heidi Z’graggen, 58, Kanton Uri
Als mögliche Amherd-Nachfolgerin galt auch Heidi Z’graggen. Doch auch sie will nicht. «Mein Einsatz und meine volle Kraft gelten den Anliegen des Kantons Uri, der Berggebiete und der gesamten Schweiz», schrieb sie in einer Mitteilung. Als weitere Gründe führte Z’graggen wegweisende Entscheide an, die demnächst für die Zukunft des Landes anstünden. Die 58-Jährige ist Mitglied der Staatspolitischen und der Rechtskommission. Das Amt als Ständerätin erfülle sie.
Z’graggen war schon einmal Bundesratskandidatin, im Jahr 2018, als die damalige CVP ihre Bundesrätin Doris Leuthard ersetzen musste. Sie machte 60 Stimmen, verlor aber schon im ersten Wahlgang gegen Viola Amherd. Damals war sie Urner Regierungsrätin, inzwischen sitzt sie seit 2019 im Ständerat. Z’graggen wäre eine mögliche Kandidatin gewesen, um ein reines Männerticket zu verhindern.
Benedikt Würth, 56, Kanton St. Gallen
Und auch er war einer der Favoriten, bevor er absagte: Benedikt Würth bleibt lieber Ständerat, als für den Bundesrat zu kandidieren. Im «Blick» gibt er «rein persönliche Gründe» an. Er verkörpert mit seiner Absage aber auch den Typus des selbstbewussten Mitte-Ständerats, der weiss, dass er als frei schwebender (aber in die vielleicht mächtigste Parlamentsgruppe eingebundener) Solitär fast mehr Macht entfalten kann als innerhalb einer Kollegialregierung.
Philipp Kutter, 49, Kanton Zürich
Seit einem Skiunfall im Februar 2023 ist er Tetraplegiker, aber er hat sich in den politischen Alltag zurückgekämpft. Zuletzt überlegte er sich eine Bundesratskandidatur: «Ich werde abklären, ob ich das Amt als Bundesrat trotz meiner Behinderung ausüben könnte oder ob dem zu viel entgegensteht.» Er wäre der erste Bundesrat im Rollstuhl gewesen. Inzwischen hat er aber seinen Verzicht bekanntgegeben, aus Rücksicht auf die Familie. Kutter ist Stadtpräsident von Wädenswil, und als Nationalrat präsidiert er derzeit die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen.
Markus Dieth, 57, Kanton Aargau
Der Aargauer Mitte-Regierungsrat zählte als Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen von Amtes wegen zu den Kronfavoriten ausserhalb des Bundeshauses für die Nachfolge von Amherd. Nun hat Dieth seiner Partei eine weitere Absage erteilt. Er würde sich grundsätzlich sehr gerne für eine solche Aufgabe im Dienste des Landes zur Verfügung stellen, schreibt Dieth in einer persönlichen Erklärung. Er wolle jedoch weiterhin Verantwortung als Regierungsrat übernehmen und seine Arbeit für den Kanton fortsetzen.
Karin Kayser-Frutschi, 58, Kanton Nidwalden
Auch die Nidwaldner Regierungsrätin Karin Kayser-Frutschi steht für eine Kandidatur nicht zur Verfügung. Sie setze sich mit Herzblut für die Themen und die Bevölkerung des Kantons Nidwalden ein, schreibt sie in einer Mitteilung. Dem wolle sie sich weiterhin widmen. Kayser-Frutschi ist derzeit auch Co-Präsidentin der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren und stand im nationalen Rampenlicht, als sie im vergangenen Jahr die Sicherheit rund um die Bürgenstock-Konferenz verantwortete.
Marcus Caduff, 52, Kanton Graubünden
Der Bündner Regierungsrat Marcus Caduff will auch nicht Bundesrat werden. Das meldete SRF am Freitag (31. 1.). Für ihn sei es aus familiären Gründen der falsche Zeitpunkt für eine Kandidatur. Auch mangele es ihm an Erfahrung auf der nationalen Ebene. Caduff hatte noch vergangene Woche gegenüber SRF gesagt, eine «Kandidatur ernsthaft in Erwägung» zu ziehen.