Die Fehde zwischen Lali Espósito und Milei dauert schon über ein Jahr an. Vordergründig wirkt sie persönlich. Aber es geht um die Kulturpolitik des argentinischen Präsidenten.
Ihre wilde, fransige Perücke erinnert an «El Peluca». Das ist der Spitzname von Javier Milei, der für seine zerzauste Frisur bekannt ist. Im Musikvideo ihres neuen Songs «Fanático» zieht Lali Espósito aber nicht nur optisch über den argentinischen Präsidenten her. «Du liebst es, so zu tun, als wüsstest du nicht, wer ich bin», singt sie. «Und ich weiss, du hast ein Poster von mir in deinem Zimmer.» Dann der Refrain: «Er ist mein Fanatiker, er macht mich verrückt / Nachts träumt er von mir und berührt sich selbst.»
Mit «er» ist Milei gemeint, auch wenn Espósito seinen Namen nicht nennt. Der Song ist die neuste Episode in dem öffentlich ausgetragenen Streit zwischen dem argentinischen Pop-Star Espósito und Milei, dem selbsternannten «anarchokapitalistischen» Präsidenten. Im Verlauf des vergangenen Jahres ist der Zwist immer wieder eskaliert. Und vor zwei Wochen hat Espósito mit «Fanático» nun richtig ausgeteilt. Ihr Streit mit Milei steht für den Kampf zwischen den Kunstschaffenden und der Regierung in Argentinien, die das Budget für die Kultur drastisch kürzt.
Die Taylor Swift Südamerikas
Espósito, 32 Jahre alt, ist Sängerin, Schauspielerin und Model. Sie wuchs in Buenos Aires in bescheidenen Verhältnissen auf und trat bereits mit zehn Jahren im Fernsehen auf. Nach Rollen in Seifenopern für Teenager wechselte sie in die Pop-Musik. Heute folgen ihr auf X 7 Millionen, auf Instagram 12 Millionen Menschen. 2022 durfte sie beim Finale der Fussball-WM in Katar die argentinische Nationalhymne singen, ausserdem spielte sie in der Netflix-Serie «Sky Rojo» eine Hauptrolle. Sie ist eine entschiedene Feministin, sie kämpft für das Recht auf Abtreibung, für die Rechte sexueller Minderheiten. Sie ist ein Superstar, eine Taylor Swift Südamerikas.
Der Streit mit Milei hat mit einem Post auf X angefangen. Als Milei im vergangenen Jahr im August die Vorwahlen gewinnt, schreibt Espósito: «Wie gefährlich. Wie traurig.» Darauf angesprochen, sagte Milei, er kenne diese Sängerin nicht: «Ich höre nur Rolling Stones und Opern.» Angesichts der grossen Bekanntheit Espósitos war das ziemlich unglaubwürdig. Deswegen singt Espósito in «Fanático», Milei tue so, als würde er sie nicht kennen.
Im Februar dieses Jahres nannte Milei Espósito «Depósito», also Einzahlung, und wetterte, sie lebe nur von Staatsgeldern. Weil sie an staatlich subventionierten Veranstaltungen auftrete, stehle sie indirekt armen Kindern Geld und Essen. Darauf posteten Mileis Anhänger KI-generierte Bilder von Espósito, die mit Säcken voller Geld aus Armenvierteln flieht. Milei teilte einen solchen Post dann auch auf seinem Account, was er jedoch bald rückgängig machte.
Espósito wandte sich daraufhin mit einem offenen Brief auf X an Milei. Darin erzählt sie ihren Werdegang, sie habe ihren Status mit viel Arbeit erreicht. «Kultur bildet und erzählt auch die Identität eines Volkes», schreibt sie. Und fügt in Anspielung auf die Kulturpolitik Mileis hinzu: «Ich denke, dass die Dämonisierung einer Branche und der Menschen, die sie ausmachen, nicht der richtige Weg ist.» Sie lädt Milei «ohne Ironie» an eines ihrer Konzerte ein.
Kampf der Kulturschaffenden
In ihrem neusten Musikvideo erkennt die argentinische Tageszeitung «La Nación» viele Anspielungen auf den Streit mit Milei. Espósito hat das Video etwa in einem «depósito» gedreht, was nicht nur Einzahlung, sondern auch Lagerhalle bedeutet. Im Filmchen sitzt Espósito an einem Tisch und führt eine Art Fan-Casting durch. Einer der «fanáticos» trägt eine Lederjacke, er schreit und gestikuliert heftig – offensichtlich wie Milei. Aber Espósito lässt sich nicht beeindrucken und liest stattdessen Zeitung. In der Überschrift steht «Skandal», auf dem Bild ist Espósito.
«Fanático» ist ein Pop-Song mit eingängigem Refrain, unterlegt von röhrenden Gitarren. Auch das eine Anspielung auf Milei, der sich bei seinen Auftritten wie ein Rockstar gibt und früher tatsächlich Sänger einer Rockband war. In der Bridge von «Fanático» singt Espósito: «Ich verstehe, was mit dir los ist, du bist nur ein Kind / Selbst wenn du den Bösewicht spielst, fehlt es dir an Zuneigung / Ich habe keine Feinde, und ich brauche sie nicht.»
Milei, der mit der Kettensäge in der Hand symbolisch zur Zersägung des Staates aufgerufen hat, um das riesige Staatsdefizit zu senken, hat inzwischen Fakten geschaffen. Er hat Subventionen massiv gekürzt, das Kulturministerium hat er direkt aufgelöst, da es ohnehin nur der «kommunistischen Indoktrination» gedient habe.
Der Zwist zwischen Milei und Espósito geht weiter. Am Sonntag war Espósito in der Talkshow von Susana Giménez eingeladen. Es ist eine der grössten TV-Shows Lateinamerikas, in der schon Woody Allen, Robbie Williams oder Justin Bieber zu Gast waren. Vor Espósito war sogar Milei bei Giménez, weswegen in den Medien ein Wettkampf um die Quote inszeniert wurde. Diesmal ging Espósito als Siegerin hervor, bei ihr schalteten etwas mehr Zuschauer ein.