Nationalistische Parteien haben mit liberaler Unterstützung einen Antrag auf Amtsenthebung gegen das unbeliebte Staatsoberhaupt eingebracht. Dieser Schmach kommt der deutschstämmige Politiker mit seinem Rücktritt zuvor.
Die Kontroverse um die rumänischen Präsidentschaftswahlen von Ende November und ihre Annullierung kurz danach senden weiterhin Schockwellen durch das Land. Am Montagnachmittag hat der amtierende Präsident Klaus Iohannis angekündigt, am 12. Februar sein Amt niederzulegen.
Damit kommt der in letzter Zeit äusserst unpopuläre Politiker aus der nur noch winzig kleinen deutschen Minderheit einem Amtsenthebungsverfahren zuvor, über das am Dienstag im Parlament hätte beraten werden sollen. Iohannis begründet den Schritt mit staatspolitischer Verantwortung. Kein Partnerland würde verstehen, warum Rumänien ein solches Verfahren einleite, sagte er am Montag. Das Land würde sich zum Gespött der Welt machen.
Verlängerung der Amtszeit
Im dritten Anlauf war es vergangene Woche den drei nationalistischen Kräften im Parlament (AUR, SOS Romania und POT) gelungen, einen entsprechenden Antrag einzureichen. Zwei frühere Vorstösse waren an Formfehlern gescheitert. Die Rechtsaussenparteien behaupten unter anderem, Iohannis halte widerrechtlich an seinem Posten fest. Dessen zweite und somit letzte Amtszeit war bereits am 21. Dezember zu Ende gegangen.
Da wegen der Annullierung der Präsidentschaftswahlen noch kein Nachfolger feststeht, verlängerte das Verfassungsgericht Iohannis’ Präsidentschaft jedoch bis zur Wahlwiederholung im Mai. Rechtlich ist das zulässig. Auch ist fraglich, ob die Amtsenthebung überhaupt bis zum Wahltermin hätte abgeschlossen werden können. Hierfür müsste nach der Annahme des Antrags durch das Parlament ein Referendum durchgeführt werden.
Retourkutsche für Annullierung der Wahl
Beim Antrag stehen freilich weniger juristische als politische Erwägungen im Vordergrund. Die Rechtsaussenparteien unterstützen Calin Georgescu, der völlig überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte. Das Verfassungsgericht annullierte die Wahl wegen Hinweisen auf russische Einmischung in den Wahlkampf, vor allem auf der Videoplattform Tiktok.
In der Tat wies Georgescus Kampagne in den sozialen Netzwerken viele Auffälligkeiten auf. Dass sich Moskau vom Wahlsieg eines Nato-Gegners wie Georgescu geopolitische Vorteile erhofft, liegt zudem auf der Hand.
Die nationalistischen Parteien bezeichneten die Annullierung der Wahl jedoch von Anfang an als Manöver der etablierten politischen Kräfte in Rumänien, um den Aufstieg eines Aussenseiters wie Georgescu zur Macht zu verhindern. Schliesslich ist nicht nur Iohannis weiterhin im Amt, sondern auch der Regierungschef Marcel Ciolacu. Beide Politiker vertreten proeuropäische Positionen und sind im westlichen Ausland gut vernetzt. In Rumänien geniessen sie aber nur wenig Sympathien.
Liberale und Nationalisten stimmen zusammen
In der Debatte um antiwestliche Kandidaten und russische Manipulationsversuche ging zumindest im Ausland etwas unter, dass Kritik an der Wahlannullierung durch das Verfassungsgericht auch aus dem proeuropäischem Lager kommt, vor allem von der liberalen Reformpartei USR, die sich auf Wähler aus einem gut ausgebildeten, urbanen Milieu stützt. Auch die USR kritisiert das Machtkartell der sogenannten Systemparteien heftig.
Die Kandidatin der Partei, Elena Lasconi, hatte sich als Zweitplatzierte ebenfalls für die Stichwahl um das Präsidentenamt qualifiziert. Obwohl die USR praktisch keine Schnittmenge mit den ultranationalistischen Kräften im Parlament hat, unterstützten ihre Abgeordneten den Antrag auf Amtsenthebung.
Tatsächlich bleiben viele Fragen zur Wahlannullierung offen. Vor allem wurden bisher keine weiteren Beweise vorgelegt, welche die Notwendigkeit des präzedenzlosen Schrittes belegen. Insbesondere Präsident Iohannis wäre hier in der Pflicht. Doch statt das Land durch die schwere politische Krise zu führen, entzieht sich das Staatsoberhaupt, wie bereits in seiner regulären Amtszeit, weitgehend dem Kontakt mit der Öffentlichkeit.
Unbeliebter Präsident
Mit seiner abgehobenen, oftmals als arrogant wahrgenommenen Art, seinem offensichtlichen Unwillen, sich seinen Wählern zu erklären, und seinen machtpolitischen Manövern hat Präsident Iohannis einen Beitrag zur Entfremdung vieler Rumänen von der etablierten Politik geleistet. Dadurch trägt der einst als proeuropäischer Hoffnungsträger aufgetretene Politiker durchaus eine Mitverantwortung am Erstarken der extremen Rechten im Land. Bereits seit längerer Zeit bewegen sich die Zustimmungswerte für Iohannis im einstelligen Prozentbereich.
Obwohl die Stimmen der Rechtsaussenkräfte und der Reformpartei USR nicht ausreichen, um das Amtsenthebungsverfahren zu beschliessen, war es angesichts der Unbeliebtheit des Präsidenten nicht ausgeschlossen, dass der Antrag dank Überläufern aus dem Regierungslager angenommen wird. Dieser Schmach ist Iohannis mit seinem Rücktritt zuvorgekommen.