In einem Barolo findet der Nebbiolo wohl seinen vornehmsten Ausdruck. Doch in Piemont sind noch andere, wenig bekannte Appellationen zu finden, in denen die noble Rebsorte wächst. Wir haben im Norden der Region einige Geheimtipps aufgespürt.
Es gibt Weinanbaugebiete, die in aller Munde sind. Das Burgund, das Bordelais, die Toskana, die Rioja – und Piemont. Letztgenanntes ist vor allem dank den Langhe berühmt, wo die Barolo- und Barbaresco-Weine wachsen. Doch wer redet von jenen nördlichen Appellationen, die nahe den Süd- und Westalpen liegen? Fast niemand, leider.
Dabei gehören die Nebbiolo-Terroirs in Regionen wie Gattinara, Bramaterra, Carema oder Boca zu den spannendsten, was Europas Weinwelt zu bieten hat. Dies hat jedenfalls der kürzlich erstmals in Zürich durchgeführte Alpen-Nebbiolo-Gipfel der Weinhandlung Rebwein eindrücklich bewiesen.
Nebbiolo-Weine aus den Alpen
Es ist schwierig, einzelne Rotweine besonders hervorzuheben. Trotzdem spielt für meinen Geschmack der Carema «Sorpasso» 2021 der gleichnamigen Cantina Sorpasso in einer eigenen Liga: authentisch, charakterstark, finessenreich, strukturiert, balsamisch, lang anhaltend. Der Prototyp dieses grossen Alpenweins stammt aus steilen, felsigen Lagen. Die Anbauflächen sind klein. Lediglich Handarbeit ist möglich. Der Winzer Vittorio Garda will einen möglichst ehrlichen Ausdruck des Terroirs mit Granit- und Glimmerschiefer-Böden erreichen. Das gelingt auf souveräne Art und Weise. Sein Wein wird in gebrauchten Holzfässern ausgebaut.
- Der Carema «Sorpasso» 2021 der Cantina Sorpasso wird in gebrauchten Holzfässern ausgebaut; 59 Franken, rebwein.ch.
Eine weitere Empfehlung aus einer unbekannten Piemont-Appellation ist der Ghemme «Oltre Il Bosco» 2019 von Francesco Brigatti. Er überzeugt durch sein vielschichtiges Bouquet, ist im Gaumen noch jugendlich, zeigt sich mit präsenten, reifen Gerbstoffen, guter Säure, einem mittelschweren Körper und feiner Eleganz. Brigattis Weine bewegen sich eher auf der schlanken Seite. Der «Oltre Il Bosco» besitzt ein sehr gutes Reifepotenzial.
- «Oltre Il Bosco» 2019, Francesco Brigatti; 31 Franken, rebwein.ch.
Eine originelle Alternative zu Barolo und Barbaresco ist sodann der Bramaterra Riserva «Balmi Bioti» 2018 des Guts La Palazzina. Nebbiolo macht 70 Prozent aus. Der Rest entfällt auf Croatina, Vespolina sowie Uva Rara. Der vulkanische und mineralreiche Boden ist optimal für diese einheimischen Rebsorten. Die Reifung erfolgt in grossen Fässern aus slawonischer Eiche. Das Resultat sind ausdrucksstarke, klassische, mineralische, kraftvolle Weine, wie diese Riserva zeigt.
- Bramaterra Riserva «Balmi Bioti» 2018, La Palazzina; 39 Franken, rebwein.ch.
Sehr gut gelungen ist auch der Boca 2020 der Tenute Guardasole. 80 Prozent Nebbiolo und 20 Prozent Vespolina bilden die Basis dieses Weins, der während 30 Monaten im Holzfass reift. Seine Eigenschaften: intensiver Duft von fruchtig-floral-würzigen Noten, im Gaumen noch jugendlich, kräftig, elegant, gut integriertes Tannin, präsente Säure, langer Abgang. Der Winzer Marco Bui interveniert im Keller so wenig wie nötig. Im Rebberg arbeitet er nach biodynamischen Prinzipien.
- Boca 2020, Tenute Guardasole; 51 Franken, rebwein.ch.