Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern hat seit Anfang 2023 fast 15% an Börsenwert eingebüsst; umso wertvoller wird seine Beteiligung an L’Oréal – auch aus Bewertungssicht.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Nestlé hat schwierige Monate hinter sich. Das Wachstum lahmt, die Profitabilität hat unter der Inflation gelitten und die defensive Anlagequalität des Konzerns vermag gerade niemanden zu begeistern – es fehlt der nächste Impuls.
Ein Trost bietet da L’Oréal. Der weltweit grösste Hersteller von Schönheitsprodukten, an dem die Schweizer rund 20% halten, kann dank seiner Marktmacht trotz Wachstumsschwäche in Asien und kriselndem Geschäft mit Luxusgütern überzeugen.
Betrachtet man die vergangenen rund vier Jahre seit Ausbruch der Pandemie, ist das Urteil der Anleger deutlich. Insbesondere 2023 hat L’Oréal an der Börse Nestlé abgehängt.
L’Oréal ist gemessen an der Marktkapitalisierung erstmals beinahe so viel wert wie Nestlé. Die 20,1%-Beteiligung an L’Oréal, umgerechnet stolze 46 Mrd. Fr., entspricht damit auch fast einem Fünftel des Börsenwerts des Schweizer Konzerns.
Anfang 2020 machte der Anteil noch lediglich knapp 12% des Börsengewichts von Nestlé aus, im Frühjahr 2022, kurz nachdem der Konzern seine Beteiligung um 3 Prozentpunkte reduziert hatte, waren es gar nur rund 10%.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung werfe ich einen Blick auf die wiederholt thematisierte, hohe Bewertung des Schweizer Konzerns.
Bewertung relativiert sich
Nestlé-Aktien sind selten günstig. In den vergangenen fünf Jahren betrug der Bewertungsunterschied zu den Kollegen gemäss Bloomberg im Schnitt mehr als 30%. Trotz erheblichem Druck an der Börse in den vergangenen Monaten liegt das Verhältnis von Unternehmenswert zum erwarteten Ebitda für 2024 auch jetzt noch bei 15. Die Konkurrenten Danone und Unilever werden zum 11,7- beziehungsweise zum 10,7-Fachen des Gewinns je Aktie für das laufende Jahr gehandelt.
Im Vergleich zur eigenen Historie aber hat sich Nestlés Bewertung zuletzt relativiert.
Noch etwas vorteilhafter wird das Bild, rechnet man die Beteiligung an L’Oréal mit ein.
Nestlés Unternehmenswert beträgt bei einer Marktkapitalisierung von gegenwärtig 252 Mrd., einer Verschuldung von 54 Mrd. Fr. und liquiden Mitteln von fast 6 Mrd. Fr. rund 300 Mrd. Fr. Der Betriebsgewinn auf Stufe Ebitda für 2024 wird auf rund 20 Mrd. Fr. geschätzt – ergibt das Verhältnis von 15.
Die L’Oréal-Beteiligung wird in der Bilanz der Schweizer als Anlagevermögen mit einem Wert von 7,8 Mrd. Fr. – inklusive Goodwill – per Ende Dezember 2023 ausgewiesen. Würde Nestlé die Aktien heute am Markt verkaufen, flössen ihr theoretisch demnach rund sechsmal mehr zu. Anders als Cash wird der Betrag von rund 46 Mrd. Fr. bei der Berechnung des Unternehmenswerts aber nicht abgezogen.
Würde man die Beteiligung wie liquide Mittel behandeln, bliebe noch ein Unternehmenswert von 254 Mrd. Fr. Das hat Folgen für die Bewertung: Das Verhältnis zum geschätzten Ebitda 2024 sänke auf 13. Damit reduziert sich die Prämie, die für die Aktien des Schweizer Konzerns traditionell gezahlt wird.
In der Kritik stand zuletzt auch die gestiegene Verschuldungsquote des Schweizer Konzerns. Unter CEO Mark Schneider hat sich Nestlé in den vergangenen Jahren deutlich stärker verschuldet. Per Ende 2023 stand die Nettoverschuldung bei 48,5 Mrd. Fr., 2,4-mal Ebitda für 2024. In Anbetracht der 46 Mrd. Fr. schweren Beteiligung relativiert sich auch dieses Bild.
Qualität nicht unterschätzen
Mir ist klar, dass der Konzern seine L’Oréal-Aktien nicht von heute auf morgen zum Marktpreis veräussern könnte; die milliardenschwere Beteiligung ist in der Praxis nicht vergleichbar mit Cash. Nestlé hält ihren Anteil an L’Oréal bisher bewusst als Finanzanlage, das Management hat bisher stets negiert, daran etwas ändern zu wollen.
Die Rechnung zeigt aber, dass Nestlé vielleicht an Schwung verloren hat und operativ dringend einen neuen Impuls braucht. Trotz höherer Verschuldung und niedrigerem Börsengewicht sollte ihre Anlagequalität aber nicht unter- und die Bewertung der Aktien nicht überschätzt werden.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter