Der Weltverband hat die Rennen am Matterhorn aus dem Programm genommen. Doch nun ergibt sich eine neue Option – auf einer Piste, die Bernhard Russi für Touristen entworfen hat.
Wenn Franz Julen in diesen Tagen den Wetterbericht anschaut, muss sein Herz bluten. Strahlender Sonnenschein über dem Matterhorn, nur laue Lüftchen wehen – perfekte Bedingungen für ein Skirennen. Doch in Zermatt wedeln nur Touristen den Hang hinunter. Julen wäre eigentlich OK-Präsident von Weltcup-Abfahrten am Matterhorn. Aber der Ski-Weltverband FIS hat das einst als einzigartig gelobte Projekt auf Eis gelegt.
Die Idee, Bilder von Rennen am Matterhorn in die Welt hinaus zu senden, hatte viel Euphorie ausgelöst. Der Tourismus würde gewinnen, die Skiindustrie und auch die Sportlerinnen und Sportler. Es wurde eine Rennpiste namens Gran Becca gebaut, mit Start auf 3700 Metern über Meer in der Schweiz und dem Ziel in Italien. Mindestens Teile davon sollten allen Teams im Herbst fürs Training zur Verfügung stehen, für die Rennen versprach man sich ein grosses Skifest.
Acht Rennen waren angesetzt, kein einziges fand statt
Doch es kam anders. 2022 fehlte der Schnee, um die Piste bis ganz ins Ziel hinunter zu präparieren; 2023 gab es zu viel Wind und zu viel Schnee. Insgesamt acht Rennen für Frauen und Männer waren in den beiden Jahren angesetzt, keines konnte durchgeführt werden.
Als 2023 die Teams anreisen und wenigstens einmal trainieren konnten, gab es Kritik von Aktiven und Betreuern. Der Tenor: In dieser Höhenlage sei das Wetter im November nicht stabil genug, damit Abfahrtsrennen verlässlich durchgeführt werden könnten. Am Saisonende zog die FIS deshalb die Notbremse. Die Rennen wurden aus dem Kalender für die Saison 2024/25 gestrichen.
Jetzt sitzt der verhinderte OK-Präsident Julen da, sieht das Wetter und hadert mit dem FIS-Entscheid. Hätte Zermatt noch einmal eine Chance bekommen, wäre das Skifest wohl Tatsache geworden. «Wir haben die Wettersituation langfristig analysieren lassen», sagt er, «es gibt zu dieser Jahreszeit immer wieder längere Phasen mit gutem und solche mit schlechtem Wetter. Mit dem Wetterrisiko muss der Weltcup leben, das haben insgesamt 21 Absagen im letzten Winter gezeigt.»
In Zermatt war der FIS das Risiko zu gross. Und nun? «Wir haben mit der FIS einen Vertrag über fünf Jahre», sagt Julen, «es ist am Ski-Weltverband, uns Vorschläge zu unterbreiten.» Wobei es dafür nun zusätzliche Optionen gibt. Denn es liegen bereits alle Bewilligungen für den Bau einer Piste vom Gornergrat nach Schweigmatten oberhalb Zermatts vor. Bernhard Russi hat sie entworfen, geplant war sie ursprünglich nur für Touristen.
Das untere Drittel besteht bereits, die oberen zwei Drittel werden in teilweise sehr steilem Gelände neu angelegt. «Die Piste wird sowieso gebaut», sagt Julen, der auch Verwaltungsratspräsident der Zermatt Bergbahnen AG ist. Im Herbst fand eine Besichtigung mit Fachleuten der FIS statt. Das Potenzial wäre gross, vor allem im oberen Teil mit technisch anspruchsvollen Passagen und einem spektakulären Sprung über den Tunnel der Gornergratbahn.
Eine Gornergrat-Abfahrt hätte zudem einen nostalgischen Touch: Bis 1967 wurden hier Rennen ausgetragen, die Strecke war sechs Kilometer lang und eine echte Härteprobe für die Weltelite. Zermatt verpasste aber den Sprung in den Weltcup; seit dieser eingeführt wurde, gab es dort nie mehr grosse Skirennen. Die nun zur Diskussion stehende Abfahrt wäre rund drei Kilometer lang, es wird mit einer Fahrzeit von gut zwei Minuten gerechnet.
Plötzlich sind auch Rennen im März oder April eine Option
Es gibt einige Argumente, die für diese neue Variante sprechen: Logistisch wäre alles viel einfacher als auf der Gran Becca, zum Beispiel wäre das Ziel für Zuschauer zu Fuss erreichbar. Die Piste liegt an einem Nordhang mit Start auf 2800 Metern über Meer, sie wäre im Winter bis in den April hinein schneesicher.
Diego Züger, Co-CEO von Swiss Ski, war bei der Besichtigung im Herbst dabei. Der nationale Skiverband spielte schon beim Projekt Gran Becca eine prägende Rolle. Dieses sei nicht definitiv beerdigt, aber irgendwann habe es keinen Zweck mehr gehabt, gegen die Widerstände von Teams und FIS anzukämpfen, sagt Züger. Er ist überzeugt: «Es wäre für den Ski-Weltcup grossartig, wenn wir Zermatt im Kalender hätten.»
Auf der Gran Becca oder unter dem Gornergrat? Es liegt nicht an Züger allein, das zu entscheiden. Er sagt jedoch, es sei gut, dass man nun zwei Varianten diskutieren könne. «Das Gornergrat-Projekt birgt grosses Potenzial und ist die Antwort auf die Kritikpunkte der Gran-Becca-Abfahrt.» Im Winter wird es auf der Gornergrat-Piste noch einmal eine Besichtigung geben, dann dürfte sich die FIS für eine der beiden Varianten entscheiden. Laut dem Zermatter Julen wird es zwei oder drei Sommer brauchen, um die Russi-Piste zu bauen. Sie könnte also im Winter 2027/28 bereit sein.
Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass es vorher keine Weltcup-Rennen am Matterhorn geben wird. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass im Wallis der Fokus vorderhand auf den Ski-WM 2027 in Crans-Montana liegt. Auch den Zermattern dürfte es recht sein, wenn sie vorerst ohne Druck arbeiten können. Denn im Zusammenhang mit der Gornergrat-Abfahrt muss auch diskutiert werden, ob ein Renntermin im März oder April infrage käme. Bisher hiess es, das sei keine Option, weil dann die Hotels voll seien.
Franz Julen kämpfte mit Herzblut für die Rennen auf der Gran Becca. Als er 2023 kapitulieren musste, konnte er die Tränen nicht zurückhalten. Jetzt sagt er: «Ich bin entspannt. Wir haben zwei Strecken und einen gültigen Vertrag mit der FIS.» Schneesicherheit, Höhenlage und das Image von Zermatt seien starke Argumente. «Wenn der Skisport Zermatt will, sind wir bereit.»
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