New Glenn, die neue Rakete von Blue Origin, soll am 10. Januar zum ersten Mal starten. Ob sie zu einem Erfolgsmodell wird, liegt nicht allein in den Händen der Produktionsfirma.
Das Raumfahrtjahr 2025 beginnt, wie das alte geendet hat: mit dem Start einer Rakete von SpaceX. In der Nacht auf den 4. Januar brachte eine Falcon 9 einen Fernmeldesatelliten der Vereinigten Arabischen Emirate in den Weltraum. Für das laufende Jahr hat SpaceX mehr als 150 Raketenstarts angekündigt. Damit unterstreicht das Raumfahrtunternehmen von Elon Musk, dass es auch 2025 die Nummer 1 im Weltraum bleiben will.
2025 ist allerdings auch das Jahr, in dem SpaceX erstmals mit ernsthafter Konkurrenz rechnen muss. Voraussichtlich am 10. Januar startet die New Glenn zu ihrem Jungfernflug. Die Schwerlastrakete des amerikanischen Raumfahrtunternehmens Blue Origin ist wie die Raketen von SpaceX teilweise wiederverwendbar. Ihre untere Stufe soll nach dem Start aufrecht landen. Sie ist für mindestens 25 Flüge ausgelegt. Wie man inzwischen weiss, ist die Wiederverwendbarkeit der Schlüssel für erschwingliche Raketenstarts.
Die New Glenn kann Nutzlasten von bis zu 45 Tonnen in den erdnahen Weltraum transportieren. Damit ist sie zwischen der Falcon 9 (23 Tonnen Nutzlast) und der leistungsfähigeren Falcon Heavy (64 Tonnen Nutzlast) angesiedelt. Die Rakete ist nach dem Astronauten John Glenn benannt, der 1962 als erster Amerikaner die Erde in einem Raumschiff umrundete.
Zwei Unternehmer, die sich nichts schenken
Hinter Blue Origin steht der amerikanische Unternehmer Jeff Bezos, der durch die Gründung der Firma Amazon reich geworden ist. Mit einem geschätzten Vermögen von 237,5 Milliarden Dollar ist Bezos der zweitreichste Mensch auf der Erde nach Elon Musk. Die beiden Unternehmer teilen die Begeisterung für den Weltraum. Sie sind überzeugt, dass die Menschheit nur überleben kann, wenn sie den Weltraum kolonialisiert.
Damit hören die Gemeinsamkeiten zwischen Musk und Bezos allerdings auch schon auf. Die beiden lassen keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig schlechtzumachen und zu beschimpfen. Und auch bei der Raketenentwicklung beschreiten die Unternehmen von Bezos und Musk unterschiedliche Wege.
Bei SpaceX gehören Rückschläge zur Geschäftsstrategie. Das Unternehmen testet seine Raketen lieber einmal zu oft als einmal zu wenig. Die dabei gewonnenen Daten werden dann verwendet, um die Rakete Schritt für Schritt zu verbessern. Blue Origin setzt hingegen auf eine langsame Entwicklung, die keine Abstriche bei der Sicherheit macht. Das Motto von Bezos lautet: «Langsam ist sanft, und sanft ist schnell.»
Bisher ist SpaceX mit seiner Strategie besser gefahren. Zwar war es eine Rakete von Blue Origin, die im November 2015 erstmals die imaginäre Grenze zum Weltraum überschritt und danach wieder aufrecht landete. Aber anders als die Raketen von SpaceX hat sie nicht genug Kraft, um in eine Erdumlaufbahn einzuschwenken und dort Satelliten und andere Nutzlasten auszusetzen. Das Fehlen einer echten Konkurrenz ist der Grund dafür, dass SpaceX in den letzten Jahren eine marktbeherrschende Stellung erringen konnte.
Blue Origin bläst zur Aufholjagd
Mit der New Glenn bläst Blue Origin nun zur Aufholjagd. Eigentlich hätte die zweistufige Schwerlastrakete bereits 2020 fliegen sollen. Aber der Erstflug musste immer wieder verschoben werden. Einer der Gründe dafür war, dass die Entwicklung der Triebwerke nicht vorankam. Vor einem Jahr wurde es Bezos zu bunt. Er ersetzte den bisherigen CEO von Blue Origin durch einen Amazon-Manager. Dieser erhielt den Auftrag, mehr Schwung in die Raketenentwicklung zu bringen.
Die Verzögerungen haben Auswirkungen auf die Nutzlast, die New Glenn bei ihrem Erstflug transportieren wird. Eigentlich hätte die Rakete im Auftrag der Nasa zwei Raumsonden zur Untersuchung des Mars in den Weltraum bringen sollen. Diese Mission musste aber verschoben werden, weil die New Glenn im Oktober noch nicht startbereit war.
Stattdessen wird sie nun den Prototyp einer Satellitenplattform ins All transportieren, die Blue Origin entwickelt hat. Diese Blue Ring genannte Plattform bietet Platz für mehrere Satelliten. Sie verfügt über einen eigenen Antrieb und kann – einmal im All ausgesetzt – Satelliten in fast jede gewünschte Umlaufbahn bringen. Ausserdem ist die Plattform in der Lage, Satelliten aufzutanken und mit der Erde zu kommunizieren.
Ob das reichen wird, um SpaceX ernsthafte Konkurrenz zu machen, ist letztlich eine Frage des Preises. Blue Origin hat bisher noch nicht kommuniziert, was ein Start der New Glenn kosten soll. Für die Rakete spricht, dass sie fast die doppelte Menge an Nutzlast in erdnahe Umlaufbahnen transportieren kann wie die Falcon 9. Selbst wenn sie teurer wäre als eine Falcon 9, könnten die Kosten pro Kilogramm Fracht also niedriger sein.
Für das Jahr 2025 sind etwa zehn Flüge der New Glenn anvisiert. Danach soll die Häufigkeit der Starts gesteigert werden. Das ist auch nötig, um mit SpaceX mithalten zu können. Die Falcon 9 hat im vergangenen Jahr 132 Flüge absolviert. Bis auf einen waren sie alle erfolgreich.
Blue Origin hat bereits mehrere Verträge mit Kunden abgeschlossen. Besonders viele Raketenstarts hat Amazon gebucht. Das von Bezos gegründete Unternehmen möchte in den nächsten Jahren mehr als 3000 Kommunikationssatelliten in den Weltraum bringen, um einen breitbandigen Internetzugang anbieten zu können. Dafür braucht es viele Raketenstarts. Das Kuiper-Projekt, in das Amazon mehr als zehn Milliarden Dollar investieren will, ist eine direkte Antwort auf das Starlink-Netzwerk von SpaceX, das bereits seit mehreren Jahren in Betrieb ist.
Mit dem Starship legt SpaceX die Messlatte höher
Welche Erfolgschancen die New Glenn hat, liegt allerdings nicht nur in den Händen von Blue Origin. SpaceX ist längst dabei, eine Rakete zu entwickeln, die noch leistungsfähiger als die New Glenn sein soll. Das Starship kann Nutzlasten von bis zu 150 Tonnen in den erdnahen Weltraum transportieren. Ausserdem soll nicht nur die untere, sondern auch die obere Stufe der Rakete wiederverwendet werden. Das dürfte die Kosten weiter senken.
Bisher hat das Starship sechs Testflüge absolviert. Der siebte soll in den nächsten Tagen stattfinden. Wieder hat SpaceX einige Änderungen an der Rakete vorgenommen. So wurde zum Beispiel der Hitzeschild verbessert, der die obere Stufe der Rakete beim Wiedereintritt in die Atmosphäre schützt.
Beim siebten Testflug soll die Oberstufe der Rakete zwar noch nicht aufgefangen werden. Dafür wird das Starship bei seinem Flug aber erstmals Nutzlasten aussetzen. Es handelt sich um Prototypen der dritten Generation von Starlink-Satelliten. In Zukunft soll das Starship bis zu 60 dieser Satelliten pro Flug in den Weltraum bringen. Damit legt SpaceX die Latte, an der sich Blue Origin und andere Konkurrenten messen lassen müssen, noch ein Stückchen höher.