Die Schweizer Transitgas-Pipeline soll künftig Wasserstoff statt Erdgas transportieren. Laut den Besitzern brauche es dafür Hilfe der EU und des Bundes.
Die EU plant derzeit ein grosses Leitungsnetz, um Europa mit Wasserstoff zu versorgen. Dieses Gas lässt sich umweltfreundlich mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energiequellen herstellen und soll eine zentrale Rolle beim Klimaschutz spielen. Es würde in der Industrie und der Stromversorgung fossiles Gas ersetzen.
In der Schweiz geht jedoch zunehmend eine Befürchtung um: Unser Land könnte von der Entwicklung in Europa abgehängt werden. Diese Sorge äussern in den letzten Monaten etwa der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und die Konferenz der kantonalen Energiedirektoren.
Dabei wäre die Schweiz ideal positioniert, um im entstehenden Netz eine zentrale Rolle zu spielen. Eine wichtige Verbindung des europäischen Gasnetzes führt mitten durch unser Land. Diese Leitung mit dem Namen Transitgas könnte längerfristig von einer Erdgas- in eine Wasserstoff-Pipeline umgewandelt werden.
Gesuch bei der EU eingereicht
Die Eigentümer der Pipeline haben die Planung bereits an die Hand genommen. Studien zeigen etwa, wie in der Anfangsphase parallel Erdgas und Wasserstoff transportiert werden könnten. Oder wie das Netz an einzelnen Stellen ausgebaut werden könnte.
Doch wirft man einen Blick auf die aktuellen Pläne der EU, zeigen diese ein Wasserstoffnetz, auf dem diese Route nicht existiert. Die Leitung führt vielmehr durch Österreich. Die Schweiz wird links liegengelassen.
Diese Entwicklung bereitet auch der Betreiberin der Schweizer Pipeline Sorgen. Flux Swiss, wie das Unternehmen heisst, handelt nun. Es hat vor kurzem ein offizielles Gesuch bei seinen europäischen Kollegen eingereicht, wie der Sprecher Rudy Van Beurden bestätigt. Das Ziel: Die europäischen Übertragungsnetzbetreiber sollen die Schweizer Pläne als ein sogenanntes «Project of Mutual Interest» anerkennen – also als ein Projekt, das im Interesse sowohl der Schweiz als auch der EU-Mitgliedstaaten ist. Einen Entscheid erwartet Flux Swiss im nächsten Jahr.
Laut Van Beurden ist Eile geboten. Bereits 2035 sehe die Planung mehrere Nord-Süd-Verbindungen nach Mitteleuropa vor. Es sei wichtig, dass sich die Schweiz frühzeitig und klar positioniere. «Denn für einen Nicht-EU-Staat wie die Schweiz sind die rechtlichen Bedingungen aufwendiger und komplizierter.» Zudem sei die Konkurrenz einen Schritt voraus. Das Projekt der Route über Österreich hat Ende 2023 bereits Zusagen auf europäischer Ebene erhalten. Dies werde unter anderem ein schnelleres Genehmigungsverfahren ermöglichen, wie Van Beurden erklärt.
Ein substanzieller Anteil der Transitgas-Pipeline gehört einem Schweizer Pensionskassen vorbehaltenen Investmentgefäss. Dieses wird von der Zürcher Firma Energy Infrastructure Partners (EIP) verwaltet. «Für uns steht es ausser Frage, dass die Transitgas-Leitung auf Wasserstoff umgerüstet werden muss», sagt Caterina Mattle, Head of Public and Regulatory Affairs.
Das Bedürfnis nach grünem Wasserstoff wird in der Schweizer Industrie zwar nicht so hoch sein wie in den Schwerindustriegebieten in Deutschland und Italien. Doch hat die Transitgas-Leitung laut Mattle auch einen Wert zur Vorsorge gegen Strommangellagen. In einer solchen würden sogenannte Reserve-Gaskraftwerke zum Einsatz kommen. Und diese könnten eines Tages nicht mehr mit fossilem Gas betrieben werden. Sondern mit grünem Wasserstoff, der durch die Transitgas-Pipeline fliesst.
Allerdings: Wie hoch der Bedarf nach Wasserstoff in Europa und der Schweiz tatsächlich sein wird, ist heute völlig unklar. Europaweit kursieren Schätzungen, die weit auseinanderliegen. Das musste auch das Bundesamt für Energie erfahren. Es machte eine Umfrage unter Dutzenden Unternehmen, um deren Bedarf nach Wasserstoff zu klären. «Die Umfrage hat gezeigt, dass sich viele Unternehmen noch wenig mit dem Thema befasst haben», sagt die Sprecherin Marianne Zünd. Schlüssige Aussagen zum künftigen Wasserstoffverbrauch seien daher noch nicht möglich.
Unklare Finanzierung
Damit stellt sich die Frage, wie ein Projekt finanziert werden soll, dessen wirtschaftliche Aussichten noch völlig unklar sind. Die Firma Flux Swiss macht mit ihrem kürzlich eingereichten Gesuch hier einen ersten Schritt: Wird es bewilligt, beschleunigt das nicht nur das Planungsverfahren, sondern öffnet auch die Türen zu den Finanztöpfen der EU.
Doch auch die Schweizer Investoren müssen sich überlegen, woher das nötige Geld für den Umbau kommen soll. «Wie bei vielen Energie-Infrastruktur-Investitionen geht es bei der Transitgas darum, eine Nachfrage zu antizipieren, die erst in Jahren oder gar Jahrzehnten da sein wird», sagt Caterina Mattle von EIP. «Viele der grossen Schweizer Stauseen wurden gebaut, obwohl die Nachfrage zum Zeitpunkt des Investitionsentscheides noch nicht vorhanden war.»
Ihr Unternehmen könne Pensionskassengelder aber «nicht ins Blaue hinaus investieren», betont Mattle. «Der Bund muss sich darum überlegen, wie er Rahmenbedingungen schaffen kann, die einen soliden Business Case ermöglichen», sagt Mattle. Welche Varianten zum Zug kommen könnten – zum Beispiel eine Staatsgarantie –, sei offen: «Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten.»
Rudy Van Beurden von Flux Swiss sagt, die nordwesteuropäischen Länder sähen den Ausbau des Wasserstoffnetzes als Teil ihrer Industriepolitik. Zwar bestünden noch viele Unsicherheiten bezüglich Angebot und Nachfrage. «Die Industrie könnte aber schon relativ bald einen hohen Wasserstoffbedarf aufweisen», warnt er. Er nennt dabei die Bereiche Chemie, Pharmazie, Mineralölverarbeitung und Zement. Auch in der Schweiz könnte es darum laut Van Beurden nötig werden, einen Mechanismus zu schaffen, um die Umrüstung der Pipeline «in einer Übergangszeit» finanziell zu unterstützen.
Der Bund hält sich bedeckt. Das Bundesamt für Energie wird laut der Sprecherin Marianne Zünd noch dieses Jahr eine nationale Wasserstoffstrategie vorlegen. Diese werde auch eine Analyse zum weiteren Handlungsbedarf bezüglich der Rahmenbedingungen enthalten.