Zwei Untersuchungen zu den Landeskirchen kommen zu unterschiedlichen Resultaten.
Der Kanton Zürich unterstützt die Landeskirchen mit 50 Millionen Franken pro Jahr. Die Rede ist nicht von der Kirchensteuer, die Personen und Unternehmen jährlich bezahlen. Vielmehr handelt es sich hier um eine Abgeltung, welche die Kirchen für ihre gesamtgesellschaftlich erbrachten Leistungen erhalten. Angebote also, die allen Einwohnern offenstehen.
Eine Studie der Universität Zürich stellte vergangenen Herbst allerdings infrage, dass der Betrag noch angebracht ist. So war in dem von der kantonalen Justizdirektion sowie den Landeskirchen in Auftrag gegebenen Bericht von einem regelrechten Bedeutungsverlust der Kirchen die Rede.
Die Wissenschafter verorteten «eine Erosion der öffentlichen Rolle». Auffällig sei, dass die jüngeren Menschen bis 45 Jahre zu diesem Rückgang beigetragen hätten. Dies deute auf eine grössere Distanz zwischen Kirchen und der Bevölkerung hin. Sogar die Gemeindeschreiber wüssten oftmals nicht mehr, was die Kirchen überhaupt anböten.
Besonders hart für die Landeskirchen war das Verdikt über ihr Handeln während der Pandemie. Die Kirchen seien selbst betroffen gewesen und hätten zu wenig agiert. Bei den Gemeinden wachse darum die Skepsis gegenüber der kirchlichen Fähigkeit des Krisenmanagements.
Nicht minder deutlich waren die Empfehlungen der Wissenschafter: Die kantonalen Behörden müssten von den Landeskirchen mehr Transparenz zu den kirchlichen Angeboten einfordern. Ausserdem gelte es für kommende Finanzierungsperioden den bisherigen finanziellen Rahmen zu diskutieren.
Fragte man den Kanton, was das für die Beiträge für 2026 bis 2030 bedeuten werde, reagierte dieser zurückhaltend. Die Justizdirektion verwies auf eine weitere Studie, welche die nichtmonetären Aspekte der Landeskirche erforscht, namentlich die Bereiche sozialer Zusammenhalt, Wertevermittlung und Spiritualität.
Neue Studie mit versöhnlichen Tönen
Besagte Studie wurde nun am Donnerstag vorgestellt. Für die Kirchen dürfte sie Balsam auf die Seele sein. So messen die Wissenschafter, auch diesmal sind sie von der Universität Zürich, religiösen Ritualen noch immer eine grosse Bedeutung für die Bevölkerung bei, vor allem wenn es um wichtige Lebensereignisse wie Geburt, Hochzeit oder Bestattung gehe.
Auch die Präsenz von religiösen Bauten sei den Menschen im Kanton Zürich noch immer wichtig. «Das Gleiche gilt für die kirchliche Altenpflege, die Seniorenarbeit und die Seelsorge», sagte die Studienautorin Katja Rost, wobei auch nichtreligiöse Leute befragt worden seien. Ein Verbesserungspotenzial verortet Rost im Bereich der Mitbestimmung, wo religiöse Vereine schlechter abschneiden würden als säkulare Vereine oder Unternehmen.
Die Studienautorin Dorothea Lüddeckens verwies wiederum auf den kostenlosen und oftmals voraussetzungslosen Zugang, den religiöse Angebote auch Nichtmitgliedern böten: «Man braucht nicht religiös zu sein, sie sind frei von Leistungsdruck und ohne wirtschaftliche Interessen.» Dank diesen entstünden Verbindungen über gesellschaftliche Grenzen hinweg.
Auch Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP), selber kein Mitglied der Kirche, attestiert den Landeskirchen am Donnerstag, «einen Beitrag zum Gemeinwohl» zu leisten. Religionsgemeinschaften seien für den Staat aber Chance und Risiko zugleich. Eine Tendenz zu Parallelwelten sei immer wieder zu spüren. Sie warnte vor abgeschotteten und geschlossenen Strukturen, in denen Abhängigkeiten zu Machtmissbrauch führen könnten.
Mit der jüngsten Studie dürfen sich die Kirchen nun durchaus damit rühmen, gewissermassen für den gesellschaftlichen Kitt verantwortlich zu sein. Was das für die kantonalen Beiträge bedeutet, über die der Kantonsrat entscheiden wird, blieb am Donnerstag allerdings offen. Fehr sagte dazu, sie finde es «nicht logisch», den Kirchen die Gelder zu kürzen, wenn deren Angebot trotz Mitgliederschwund gleich bleiben solle.
Sollten auch Muslime Gelder bekommen?
In der Politik kommt die jüngste Studie unterschiedlich an. Vor allem im bürgerlichen Lager findet man «das derzeitige System nicht mehr zeitgemäss», wie FDP-Kantonsrätin Corinne Hoss-Blatter (Zollikon) sagt. Man müsse bei der Verteilung der Töpfe nun schon sehr genau hinschauen.
Auch SVP-Kantonsrat René Isler (Winterthur) findet, dass mit den Landeskirchen zwangsläufig eine neue Auslegeordnung gemacht werden müsse. Er wehre sich dagegen, die gleiche Summe auszuzahlen, bei einem Mitgliederbestand, der sich teilweise fast halbiert habe. «Da geht es doch vielmehr darum, sich alte Pfründe zu erhalten. Aber wir haben eine grosse soziale Wohlfahrt durch den Staat.» Man müsse darauf achten, dass da nicht alles parallel laufe.
Anderer Meinung ist Jean-Philippe Pinto (Die Mitte, Volketswil), Präsident der GPK, welche die Oberaufsicht über die Religionsgemeinschaften innehat. Er sagt: «Solange die Landeskirchen wichtige gesamtgesellschaftliche Leistungen erbringen, sehe ich keinen Grund für Kürzungen.» Auch wenn die Anzahl Kirchenaustritte dramatisch sei, sollten die Beiträge nicht nur von der Mitgliederzahl abhängig gemacht werden.
Und SP-Kantonsrat Davide Loss (Thalwil) betont, die Sozialdemokraten hätten sich immer klar für die Unterstützung der Beiträge ausgesprochen: «Wenn der Staat beispielsweise Freiwilligenarbeit übernehmen müsste, wäre das viel teurer und darum kaum finanzierbar.» Es gelte, die Autonomie der Religionsgemeinschaften zu respektieren, Hauruckübungen wären laut Loss fehl am Platz.
Geht es um staatliche Töpfe, schwingt immer auch die Frage mit, wer sich bedienen darf. Ein Punkt, der unter dem Prädikat «interreligiös» am Donnerstag nur am Rande gestreift wurde, ist jener der nicht anerkannten Religionsgemeinschaften. Darunter fallen etwa die orthodoxen Kirchen oder die muslimischen Gemeinschaften.
In der Vergangenheit äusserte sich Regierungsrätin Fehr auch schon dahingehend, dass Muslime staatliche Unterstützung erhalten sollten für Leistungen in der Bildung oder im Sozialen. Kantonsrat Davide Loss sagt dazu, die SP sei durchaus der Meinung, wer die demokratischen Voraussetzungen erfülle, solle eine Chance auf Anerkennung erhalten.
Jean-Philippe Pinto findet, man könne politisch die Frage diskutieren, ob die Muslime beteiligt werden sollten, schliesslich nehme ihre Zahl zu. Allerdings bestehe keine Einheitlichkeit. «Und ich bin mir nicht sicher, ob sie dies überhaupt wollen.» Der Staat übernehme dann auch eine Kontrollfunktion, und es müssten demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze beachtet werden.