Dreizehn Versicherer düpieren die bisherigen zwei Branchenorganisationen und schliessen sich zusammen. Der Schritt ist richtig – aber die Feuerprobe kommt erst noch.
Es ist ein Schock, aber hoffentlich ein heilsamer: Dreizehn grosse Schweizer Krankenkassen gründen auf das neue Jahr hin einen neuen Verband. Neun waren bisher beim grösseren Verband Santésuisse engagiert, vier beim kleineren Curafutura. Zusammen vertreten sie mehr als 90 Prozent der Versicherten.
Die Ankündigung vom Donnerstag ist spektakulär, weil sie auch für Brancheninsider völlig überraschend kommt. Sechs Versicherer trieben das Projekt monatelang im Geheimen voran, selbst die Spitzen der bisherigen Verbände erfuhren erst vor wenigen Tagen davon. Dass alle Akteure dichthielten, ist eine reife Leistung.
Die Neugründung ist aber vor allem inhaltlich spektakulär. Denn sie bringt der Gesundheitspolitik ganz neue Perspektiven. Dass Santésuisse und Curafutura sich in den letzten zehn Jahren befehdet und teilweise diametral entgegengesetzte Positionen vertreten haben, ist ein wesentlicher Grund für Blockaden in mehreren Bereichen – speziell beim Ärztetarif, der dringend eine Auffrischung braucht.
Curafutura wird nun verschwinden, da sämtliche Mitglieder austreten. Auch Santésuisse wird politisch keine Rolle mehr spielen, der Verband vereint bald nur noch eine Reihe kleinerer Kassen – wenn überhaupt.
Ein harter Schnitt
Das Aus für die bisherigen Verbände ist bitter für jene, die sich in ihnen engagiert haben. Und dabei auch einiges erreicht haben – etwa einen leichteren Zugang für Patienten zu Medikamenten, die in der Schweiz offiziell noch nicht verfügbar sind. Aber ein harter Schnitt und ein Neustart sind nötig.
Es ist unsinnig, dass zwei Verbände die Krankenkassen vertreten. Denn diese müssten in den allermeisten Fragen dieselben Interessen haben, insbesondere beim Kampf gegen ein übermässiges Kostenwachstum in der Grundversicherung. Oder die Kampagne gegen die Einheitskasse, wie sie die SP schon wieder fordert. In den letzten Jahren entstand jedoch der Eindruck, dass die Vertreter von Curafutura und Santésuisse auch deshalb lieber die unterschiedlichen Haltungen betonten, weil sie die gut bezahlten Posten nicht verlieren wollten.
Eine Hauruckübung
Auch wenn die organisatorische Spaltung überwunden ist, werden die Differenzen zwischen den Kassen nicht einfach verschwinden. Die dreizehn Mitglieder des neuen Verbandes haben sich noch nicht auf eine gemeinsame politische Linie festgelegt. Dazu hatten sie auch gar keine Zeit, weil sieben Versicherer erst wenige Tage vor der Lancierung zum neuen Verband überliefen.
Das wirft einerseits die Frage auf, wie seriös sie diesen Seitenwechsel vorbereitet haben. Es zeigt andererseits aber auch, wie gross die Unzufriedenheit und der Leidensdruck in der Branche waren.
Harte inhaltliche Auseinandersetzungen wird es im neuen Verband mit grosser Wahrscheinlichkeit geben: nicht nur beim Ärztetarif, sondern auch bei der Bezahlung von Psychotherapeuten oder bei der Frage, wie die Vergütungen für die Pflege künftig geregelt werden. Die Santésuisse-Kassen waren bisher gegenüber der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen viel kritischer eingestellt als jene von Curafutura.
Uneinigkeit herrscht auch darüber, ob die Krankenkassen stärker die medizinische Betreuung ihrer Kunden steuern sollen – oder ob sie wie bisher vor allem jene Instanzen sind, welche die Arztrechnungen bezahlen.
Vorbild Ärzteverband
Aber ein anderer Verband aus der Gesundheitsbranche zeigt, dass solche Meinungsverschiedenheiten nicht zu existenzgefährdenden Zerwürfnissen führen müssen. Die Ärztevereinigung FMH umfasst Haus- und Kindermediziner sowie Spezialisten.
Diese Gruppen haben gerade beim ambulanten Tarif unterschiedliche Bedürfnisse, weil die einen derzeit zu wenig und die anderen zu viel verdienen. Den FMH-Mitgliedern ist es gelungen, sich auf eine gemeinsame Haltung zu einigen. Das steht dem neuen Krankenkassenverband noch bevor.