Die Industriebetriebe sollen sich wieder stärker auf ihren ursprünglichen Zweck, die Belieferung der eigenen Supermärkte, konzentrieren. Nun hat man sich vom langjährigen Leiter getrennt, unter dessen Führung auch die Kaffeekugeln der Marke Coffee B lanciert worden waren.
Die Ansage von Migros-Chef Mario Irminger war deutlich: «Die Migros-Industrie soll kein internationaler Markenhersteller wie Nestlé oder Unilever sein», sagte er kürzlich im Interview mit der NZZ. Zu oft sei man in der Vergangenheit der Versuchung erlegen, in diese Richtung zu gehen. Und weiter: «Die Industriebetriebe müssen im Dienst unserer Food-Formate stehen».
Dieser Kurs hat auch personelle Folgen. Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte die Migros mit Matthias Wunderlin einen neuen Leiter für die Industriebetriebe ernannt. Wie die Migros nun am Mittwoch eine Meldung von «Inside Paradeplatz» bestätigt, hat Raphael Gugerli, der Leiter der Kaffee- und Schokoladefirma Delica, die Migros-Tochter verlassen – und zwar bereits per Ende März, wie es auf Anfrage heisst. Thomas Gubler, der aktuelle Leiter des Bereichs Supply Chain & Operations, hat bis auf weiteres die Leitung übernommen.
Laut dem Detailhändler erfolgte die Trennung «im gegenseitigen Einvernehmen» aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die Strategie und sei «sinnvoll» aufgrund der geplanten Neuausrichtung. Tatsächlich steht Gugerli für die Politik, mit innovativen und tendenziell etwas höher positionierten Produkten im Ausland zu expandieren.
Kaffee mit Robbie Williams
Sei es mit den Café-Royal-Kaffeekapseln, für die man den Sänger Robbie Williams als Werbebotschafter engagierte. Sei es für die aufwendige Lancierung der kompostierbaren Kaffeekugeln unter der Marke Coffee B. Für dieses Produkt, das ziemlich selbstbewusst als grösste Innovation der Migros-Geschichte angekündigt worden war, mussten die Erfinder einiges an Häme einstecken – zumal auch die Verkäufe zu wünschen übrig liessen.
Erst im März ist Delica jedoch mit dem US-Kaffee-Riesen Keurig eine Partnerschaft für diese Technologie eingegangen. Zudem gibt es die Kugeln seit kurzem auch von der italienischen Marke Illy.
Doch im Rahmen eines gruppenweiten Umbaus hatte die Migros Anfang Jahr angekündigt, sich stärker auf das Supermarktgeschäft zu konzentrieren und die Industrie wieder vorrangig auf die Belieferung der eigenen Läden auszurichten. In diesem Zusammenhang will sie auch den Kosmetik- und Waschmittelhersteller Mibelle verkaufen, der sich stark auf das Auslandgeschäft ausgerichtet hat.
Gebremster Export-Enthusiasmus
Nach Mibelle ist Delica das Unternehmen in der Migros-Industrie mit dem grössten Exportanteil (39 Prozent). Während Jahren verfolgten die Produktionsbetriebe des Detailhändlers bewusst eine Exportstrategie, um die eigenen Werke besser auszulasten und um wachsen zu können.
Möglicherweise hat man sich bei aller Begeisterung da und dort etwas verzettelt. Wie profitabel die Auslandengagements sind, gibt die Migros nicht bekannt. Sie weist auch keine Zahlen für die einzelnen Industriebetriebe aus. 2021 bezifferte sie den Umsatz mit Süsswaren und Kaffee auf rund 970 Millionen Franken. Das dürfte sich in etwa mit dem Umsatz von Delica gedeckt haben, wobei der grösste Anteil wohl auf den Kaffee entfällt.
Gugerli, der einst auch bei Nestlé/Nespresso und später bei der Beratungsfirma Roland Berger gearbeitet hat, war 15 Jahre bei Delica tätig. Unter seiner Leitung wurden die fünf Firmen Chocolat Frey, die Kaffee- und Trockenfrüchte-Tochter Delica, der Biscuit- und Glacé-Hersteller Midor, die Tessiner Reismühle Riseria und die Kapselherstellerin Total Capsule Solutions zu einem einzigen Unternehmen zusammengeführt.
Wie es scheint, ist der Umbau der Migros Industrie damit noch nicht abgeschlossen und es kommt unter der neuen Führung vermutlich noch zu weiteren Adjustierungen.