Nach dem Ständerat zeigt auch der Nationalrat den Willen, Geld für die Armee freizuspielen. Dabei macht er nicht einmal mehr vor dem emotional aufgeladenen F-5 halt.
Der Nationalrat hat am Donnerstag wohl das definitive Ende der Patrouille Suisse mit Kampfjets eingeleitet. Es sieht danach aus, als ob der Tiger F-5 bis Ende 2027 ausgemustert wird. So hat die grosse Kammer ein Postulat der Sicherheitspolitischen Kommission abgelehnt, welches vom Bundesrat einen Bericht über den möglichen Weiterbetrieb der Kampfjets verlangt hätte.
Damit hat ein Teil der bürgerlichen Politiker aus finanzpolitischen Überlegungen eine Kehrtwende vollzogen. Bisher hatte die Mehrheit unter anderem aus Vaterlandsstolz am Tiger festgehalten – gegen den Willen von Verteidigungsministerin Viola Amherd, die bereits 2022 beantragt hatte, die F-5-Flotte auszumustern.
Der Tiger kostet jährlich rund 30 Millionen Franken, für einen längeren Betrieb wären zusätzliche Investitionen in der Höhe von 9 Millionen Franken nötig, dazu kommen Personal- und Treibstoffkosten in der Höhe von 14 Millionen Franken. Dieses Geld investiere man lieber in die Verteidigungsfähigkeit, gab Amherd zu bedenken, insbesondere weil der Kampfjet «keinen militärischen Nutzen mehr» habe. Er wird beispielsweise noch für die Entlastung des F/A-18 Hornet, zur Überwachung und in rot-weisser Bemalung für die Kunstflugstaffel eingesetzt.
Dagegen hielt SVP-Nationalrat Thomas Hurter für die Kommission. Der Tiger leiste immerhin 1000 Flugstunden für Zieldarstellungen, Trainings, Messflüge und für Luft-Luft-Schiessen. Das könne sich durchaus rechnen. Hurters SVP folgte ihm fast geschlossen. Doch die Mehrheit von FDP und Mitte stimmten dieses Mal mit den Linken für ein Nein.
Verteidigungsfähigkeit und Schuldenbremse
Für die definitive Ausmusterung braucht es noch einen Parlamentsentscheid, die Diskussion zeigt aber: Der Wind für den Tiger hat gekehrt. Einige Finanzpolitiker mögen im Entscheid eine gewisse Konsequenz erkennen. Die bürgerliche Mehrheit sucht fieberhaft nach Möglichkeiten, wie sich die Verteidigungsfähigkeit der Armee in nützlicher Frist finanzieren lässt, ohne dabei die Schuldenbremse zu ritzen. Dabei wollen sie auch das Verteidigungsdepartement selbst zum Sparen anhalten.
Das zeigt sich auch im jüngsten Entscheid der Finanzkommission des Nationalrats. Diese hat sich am Donnerstag über die Armeebotschaft gebeugt. Am Abend stellte Kommissionspräsidentin Sarah Wyss die Beschlüsse vor. Was sie präsentierte, ist ein klares Bekenntnis sowohl zur Armee als auch zur Schuldenbremse. So will die Kommission den Zahlungsrahmen für die Armee in den Jahren 2025 bis 2028 um vier Milliarden Franken auf 29,8 Milliarden Franken erhöhen. Damit folgt die Kommission dem Ständerat, der einen ähnlichen Entschluss am 3. Juni gefasst hat und dafür unter anderem zwei Milliarden bei der Entwicklungshilfe sparen möchte.
Diese nahm nun auch die nationalrätliche Finanzkommission in den Fokus, ebenso wünscht sie sich als Kompensation eine Effizienzsteigerung der Gruppe Verteidigung und der Armasuisse im Rahmen von 500 Millionen Franken sowie Einsparungen beim Personalaufwand über alle Departemente. Und dann schlägt die Finanzkommission auch noch eine Mehreinnahme vor, die zulasten der Kantone ginge und daher zu reden geben wird: eine Senkung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer. Kein Thema war eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie sie Ständeräte in den letzten Tagen ins Spiel brachten.
Die Finanzkommission formuliert nun einen Mitbericht zuhanden der Sicherheitskommission. Unter dem Strich gibt es noch viele Unklarheiten. Beispielsweise, wie hoch die Einsparungen in den verschiedenen Bereichen ausfallen müssten. Sollten es die Vorschläge tatsächlich durch den Bundesrat und die Budgetdebatte im Parlament schaffen, könnte die Armee per 1. Januar 2025 ihre Bestellungen für den Aufwuchs auslösen.
Im Kern geht es darum, die bestehende Armee überhaupt vollständig auszurüsten, veraltetes Material zu ersetzen und offene Fähigkeitslücken zu schliessen. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht ein System der bodengestützten Luftverteidigung mittlerer Reichweite, um die Zivilbevölkerung oder kritische Infrastrukturen vor dem Beschuss mit weitreichenden Waffen zu schützen. Die Beschaffung ist für 2027 geplant. Doch die Finanzierung des Projekts ist akut gefährdet.
Planungsüberhang blockiert Investitionen
Nach den gegenwärtigen Plänen des Bundesrats, das Armeebudget erst bis 2035 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erhöhen, ist bis Ende des Jahrzehnts kein Geld für grössere Investitionen mehr vorhanden. Vielmehr schiebt die Armee eine Bugwelle von bereits beschlossenen, aber noch nicht finanzierten Beschaffungen vor sich her. Das Hin- und Her um den militärischen Aufwuchs hat die ursprüngliche Planung durcheinandergebracht.
Weil unter anderem die alten Waffensysteme ständig teurer werden im Unterhalt, steigen auch die Betriebskosten konstant an. Im Auftrag der VBS-Chefin, Bundesrätin Viola Amherd, muss die Armee deshalb auch intern sparen. Insgesamt 500 Millionen sollen bis 2030 aus den Betriebskosten herausgepresst werden, um damit in neues Material zu investieren. Zur Debatte steht auch ein Personalabbau.
Wie dringend die Armee mehr Geld braucht, unterstreicht eine Recherche von Radio SRF: Laut einem internen Dokument der Beschaffungsbehörde Armasuisse fehlt allein im nächsten Jahr eine Milliarde Franken, um in den Wiederaufbau der Armee zu investieren. Betroffen ist unter anderem das Vorhaben, wieder genug Munition zu beschaffen und zu bevorraten.
Auf Nachfrage der NZZ sagt der Rüstungschef Urs Loher: «Wir brauchen rasch zusätzliche finanzielle Mittel, um den übermässig hohen Planungsüberhang schnellstmöglich abzubauen.» Genau dieser Überhang blockiere derzeit weitere notwendige Investitionen und verzögere damit dringend notwendige Projekte, sagt Loher.
Die bürgerliche Mehrheit hat die Dringlichkeit erkannt. Das zeigt nicht zuletzt der Entscheid zum F-5. Laut Amherd könnte die Patrouille Suisse künftig mit emissionsarmen Turbinenpropellerflugzeugen fliegen.