Die Light Wing AG aus Stans präsentiert mit dem AC4 GT ein neues Schleppflugzeug, das durch niedrige Betriebskosten und umweltfreundlichen Treibstoffverbrauch besticht. Mit seiner robusten Bauweise und modernen Technik könnte es die Zukunft des Schleppens von Segelflugzeugen prägen.
Im Automobilbereich steht die Abkürzung GT für die Modellbezeichnung Gran Turismo, also einen langstreckentauglichen, sportlichen Wagen. In der Aviatik hat der seit 2000 bestehende Hersteller Light Wing AG aus Stans aber eine völlig andere Bedeutung für das Kürzel GT nach seiner Typenbezeichnung AC4: Hier steht es für Glider Tow, also das Schleppen von Segelflugzeugen.
Das von der europäischen Flugsicherheitsagentur Easa frisch zertifizierte Propellerflugzeug könnte künftig einen Teil der oft veralteten und ineffizienten Schleppflugzeuge ablösen. Mit seiner Produktionsstätte in Ennetbürgen ist Light Wing direkter Nachbar von Pilatus Aircraft. Allerdings liegen Mitarbeiterzahl, Flugzeugproduktion und wohl auch Umsatz lediglich im Promillebereich des Turboprop- und Business-Jet-Herstellers.
Doch bringt der David unter den helvetischen Flugzeugbauern mit seinem AC4 in der Variante GT dank hoher Leistung und hoher Steifigkeit gute Voraussetzungen für einen Erfolg als Segelschleppflugzeug mit. Dazu zählen der kräftige Rotax-Motor 915 iSC mit 141 PS, eine robuste Struktur der Zelle mit zentralem Aluminiumrohr und bespannten Tragflächen sowie Details, die speziell für das Schleppen von Segelflugzeugen konzipiert sind.
Das Schlepptau immer im Blick
So sitzt im Rumpf eine integrierte Vorrichtung für den Seileinzug. Das Schleppseil muss also nicht wie sonst üblich vor der Landung abgeworfen werden, sondern wird nach dem Ausklinken des Segelflugzeugs einfach eingezogen. Zudem gibt es im Heck eine nach hinten gerichtete Kamera. Ihr Bild zeigt auf einem Display im AC4-Armaturenbrett das Segelflugzeug. Der Pilot kann also sofort reagieren, falls mit dem Segelflugzeug hinter ihm etwas nicht in Ordnung ist.
Vor allem macht der Zweisitzer aber mit günstigen Betriebskosten auf sich aufmerksam: Der Vierzylinder-Turbo schluckt lediglich rund 30 Liter im Schleppbetrieb. Das ist im Verbrauch bis zur Hälfte weniger als bei älteren Flugzeugen. Verwendet wird bleifreies Benzin und nicht das bei herkömmlichen Schleppflugzeugen übliche verbleite Avgas, das weniger umweltfreundlich und teurer ist.
Mit einer hohen Schleppleistung auch für schwere Doppelsitzer-Segelflugzeuge bis 850 Kilogramm Gewicht sowie einer Geschwindigkeitsspanne zwischen 100 und 150 km/h deckt der AC4 GT alle Einsatzzwecke ab. Wichtig für die Wirtschaftlichkeit: Direkt nach dem Ausklinken des Seglers kann der Pilot die Landeklappen bis zu einer Geschwindigkeit von 171 km/h voll ausfahren – ein sehr hoher Wert. Dadurch kann die Maschine mit bis zu 17 Meter in der Sekunde rasant gen Erde sinken. Das spart Sprit und verkürzt die Wartezeit für Piloten am Boden, die sich in den Himmel ziehen lassen wollen.
Genug der Theorie, ein doppelter Selbstversuch soll die Vorteile in der Praxis zeigen. Zuerst als Co-Pilot des AC4 GT am Light-Wing-Heimatflugplatz Buochs. Das Flugzeug lässt sich als Besonderheit mit einem zwischen den Piloten angeordneten Steuerknüppel anstelle des sonst üblichen doppelten Steuerhorns steuern. Daran gewöhnt man sich rasch. Auf der Seite jedes Crewmitglieds sitzt ein Gashebel. Dieser regelt Motorleistung und die dazu passende Verstellung der Propellerblätter gleichzeitig. Üblicherweise müssten dazu zwei Hebel bedient werden.
Hervorragend ist die geringe Startrollstrecke bis zum Abheben. Bei Tests reichten im besten Fall bereits 92 Meter zum Abheben. Das prädestiniert den AC4 GT für Flugplätze mit kurzen Pisten. Er geht nach dem Abheben in Buochs mit Vollgas in einen äusserst steilen Steigflug, bleibt dabei aber gutmütig steuerbar. Hoch geht es mit einem Steigen von bis zu 7,5 Meter in der Sekunde.
Die Maschine fliegt sehr stabil. Ist sie korrekt ausgetrimmt, also gut ausbalanciert, kann man den Steuerknüppel problemlos loslassen. Der niedrige Lärmpegel von nur 62 Dezibel zählt mit zu den besten Verkaufsargumenten für das Flugzeug. Denn davon profitieren nicht nur die Piloten, sondern auch die Anwohner im Bereich des Fluggeländes. Kleinere einmotorige Propellerflugzeuge erzeugen typischerweise Geräuschpegel im Bereich von 70 bis 85 Dezibel.
Perspektivwechsel: Um nachzuempfinden, wie sich der AC4 GT aus der Position eines Segelflugzeugs anfühlt, folgt nun der Wechsel in den vorderen Sitz eines doppelsitzigen Hochleistungsseglers am Flugplatz Beromünster mit kurzer Graspiste. Dynamisch zieht der voraus fliegende AC4 GT den schweren Kunststoffsegler in die Höhe und lässt sich auch durch thermische Ablösungen nicht aus der Ruhe bringen. Rasch ist die Ausklinkhöhe des Segelflugzeugs erreicht. Dessen Crew sieht nach dem Abkoppeln fasziniert zu, wie der AC4 GT in einer steilen Kurve wegtaucht.
Nicht nur für den Nischenmarkt gedacht
Nur von der neuen Schleppflugvariante allein könnte Light Wing aber nicht überleben, dazu ist dieser Markt viel zu klein. Deshalb gibt es seit 2018 weitere Varianten: Der AC4 LSA wird in der Schweiz und anderen europäischen Ländern als Schul- und Reiseflugzeug angeboten, auf denen angehende Flieger mit günstigeren Kosten als bei Cessna und Co. ihre Privatpilotenlizenz absolvieren können.
Eine andere Version, der AC4 UL, ist seit 2021 lieferbar, bisher aber nur für den Export und nicht für die Schweiz vorgesehen, wie der Verkaufsleiter und Vorführpilot Andreas Schenk erklärt. Der Zweisitzer der Ultraleicht-Flugzeugklasse darf etwa in Deutschland mit einer Ultraleicht-Fluglizenz gesteuert werden. Diese ist deutlich preiswerter und mit viel weniger Aufwand zu bekommen als eine Privatpilotenlizenz für herkömmliche Piper und Cessna. Daher boomen Ultraleichtflugzeuge – in der Schweiz Ecolight genannt – seit Jahrzehnten in ganz Europa.
Ein Umsatz-Schub für Light Wing könnte daher bald aus dem eigenen Land kommen: Bis jetzt dürfen in der Schweiz nur Ecolight mit bis zu 472 Kilogramm Abfluggewicht zugelassen werden. In Europa liegt diese Grenze in vielen Ländern bei 600 Kilogramm. Gibt der Bundesrat einer im März eingereichten Motion grünes Licht, diese 600-Kilo-Grenze auch in der Schweiz zu akzeptieren, dann dürfte der AC4 UL künftig auch hierzulande als Ecolight fliegen und verkauft werden.
Was kostet die Schleppflugvariante GT? Derzeit muss ein Kunde nach Einführungsrabatt 225 000 Franken bezahlen. Der AC4 LSA liegt bei 165 000 Franken, ein AC4 UL in der Ultraleicht-Flugversion ist für 150 000 Franken zu haben. Der direkte Wettbewerber aus Tschechien, das Schleppflugzeug Bristell B-23 Turbo mit gleichem Motor, ist laut Schenk sogar teurer als das eigene Produkt.
Allerdings ist Light Wing bislang eher Manufaktur als Fabrik. Drei bis fünf Flugzeuge im Jahr kann der Easa-anerkannte Flugzeughersteller in Ennetbürgen bauen. Sollen es mehr sein, was längerfristig angestrebt werde, benötige die Firma laut Marco Trüssel, im Jahr 2000 Mitbegründer von Light Wing und heute CEO, einen zusätzlichen Investor. Dann könne weitere Produktionskapazität aufgebaut und ein grösseres Vertriebsnetz für ganz Europa entstehen, um leise und ökonomische Leichtflugzeuge zu bauen.
Der AC4 ist zudem im übertragenen Sinne quasi so vielseitig wie ein Schweizer Sackmesser. Deshalb ist auch der renommierte Messerhersteller Victorinox ein offizieller Partner des Flugzeugbauers. Und das wird von den Light-Wing-Verantwortlichen durchaus als Ritterschlag empfunden.
Auch das wird dem zwar kleinen, aber nach Pilatus Aircraft zweitgrössten Flugzeughersteller der Schweiz neue Impulse und einen wohl deutlich höheren Bekanntheitsgrad bescheren.