Der Brexit-Vorkämpfer steigt als Spitzenkandidat der Rechtspartei Reform UK in den britischen Wahlkampf und hat grosse Pläne: Er will der Konservativen Partei die Vorherrschaft im rechten Lager streitig machen.
Sieben Mal ist Nigel Farage bisher bei einer Unterhauswahl angetreten. Sieben Mal missglückte ihm die Wahl. Und doch gehört der 60-Jährige zu den einflussreichsten britischen Politikern der Nachkriegszeit. Der charismatische Kettenraucher ist bekannt für seine Trinkfestigkeit, sein dröhnendes Gelächter, seine politische Unkorrektheit und die schier unerschöpfliche Energie, mit der er seine Ziele verfolgt.
Vor allem aber ist er bekannt als Brexit-Vorkämpfer. Fast im Alleingang bugsierte er die einst bloss von Splittergruppen erhobene Forderung nach einem EU-Austritt ins Zentrum der politischen Debatte. Der Brexit wurde zum Spaltpilz für die Konservative Partei, bis beim Referendum von 2016 eine knappe Mehrheit der Bevölkerung für die Abkoppelung von Brüssel stimmte.
Kriegserklärung an die Tories
Nun will es Farage noch einmal wissen: Zum Wochenauftakt liess er sich zum Parteichef von Reform UK ernennen, und am Dienstag lancierte er im Wahlkreis Clacton-on-Sea an der englischen Ostküste offiziell seine Kandidatur für einen Unterhaussitz bei der Gesamterneuerungswahl vom 4. Juli. Die Bewerbung Farages ist eine Kriegserklärung an die Konservative Partei von Rishi Sunak.
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— Nigel Farage (@Nigel_Farage) June 3, 2024
Vor Wochenfrist hatte Farage noch den Verzicht auf eine Kandidatur verkündet, nachdem ihn Sunak mit dem Zeitpunkt der Wahl überrumpelt zu haben schien. Er wolle zwar Reform UK als Ehrenpräsident im Wahlkampf unterstützen, sich aber anschliessend darauf konzentrieren, seinem Freund Donald Trump in den USA zur Wiederwahl zu verhelfen, teilte der Brexit-Vorkämpfer damals mit.
Nach dem Sieg beim Brexit-Referendum 2016 hatte ein erschöpfter Farage eigentlich bereits seinen definitiven Rücktritt aus der Politik angekündigt. Doch er kehrte mehrmals in die politische Arena zurück, um den Brexit zu retten, wie er sagte. Nach dem Vollzug des EU-Austritts Anfang 2021 benannte er seine Brexit Party in Reform UK um, zog aber nur noch im Hintergrund die Fäden und nahm eine Stelle als Moderator beim rechten TV-Sender GB News an.
Dass er nun doch noch einmal in den Ring steigt, begründete Farage in der Pose des Volkstribuns mit Begegnungen mit britischen Wählern in der letzten Woche. Er habe im Land eine noch nie da gewesene «rebellische Stimmung» gegen die Eliten in Westminster festgestellt. Er sprach von einer «Volksarmee», der er sich verpflichtet fühle. Wichtigstes Thema sind laut Farage die Migrationszahlen, die seit dem Brexit stark gestiegen sind und die der Rechtspolitiker als «Bevölkerungsexplosion» betitelte.
Gleichzeitig erklärte er, die Konservativen hätten die Wahl ohnehin bereits verloren und Labour stehe als Siegerin fest. Daher könnten die Wähler getrost für Reform UK stimmen, ohne dramatische Konsequenzen zu befürchten. Farage behauptete auch, seine Partei werde den Tories und der Labour-Partei gleichermassen Wähler abgraben.
Die Umfragen legen allerdings nahe, dass vor allem die Konservativen Stimmen an Reform UK zu verlieren scheinen. Mit Farage als Wahlkampflokomotive dürfte sich der Trend noch verstärken, weshalb die Kandidatur des Brexit-Vorkämpfers für Premierminister Sunak einer Hiobsbotschaft gleichkommt. Ins Fäustchen lacht sich die Labour-Partei, die dank dem britischen Mehrheitswahlrecht hoffen kann, den zusätzlich geschwächten Konservativen noch mehr Sitze abzuluchsen.
2019 hatte Farage noch Wahlunterstützung für Boris Johnson geleistet: Seine Partei stellte damals in konservativen Wahlkreisen keine eigenen Kandidaten auf – aus Angst, Labour zum Sieg zu verhelfen und so die Umsetzung des Brexits zu gefährden. Heute sagt Farage, er bezweifle, dass Johnson seine Versprechungen zur Transformation des Landes nach dem Brexit je ernst gemeint habe.








