Das Regime in Pjongjang will offenbar seine altersschwache Flotte erneuern. Hilft Russland beim entscheidenden Technologiesprung?
Nordkorea baut nach eigenen Angaben ein atombetriebenes U-Boot, das Atomraketen abfeuern kann. Die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA publizierte Fotos, auf denen der Machthaber Kim Jong Un in einer Werfthalle ein grosses, im Bau befindliches U-Boot betrachtet.
Das grösste U-Boot Nordkoreas
Ob das U-Boot wirklich einen Atomantrieb hat, lässt sich gegenwärtig nicht überprüfen. Offensichtlich ist aber, dass die neue Einheit deutlich grösser ist als Nordkoreas bisherige U-Boote. Der U-Boot-Experte H. I. Sutton schätzt den Durchmesser des Rumpfes anhand der Bilder auf rund 12,5 Meter. Damit entspreche es etwa atomgetriebenen U-Booten der USA, Russlands oder Grossbritanniens.
U-Boote dieser Dimension haben Platz für grosse Raketen, die lange Distanzen zurücklegen können. Nordkorea hat bereits mehrmals Raketentests mit Starts unter Wasser durchgeführt. Es handelte sich allerdings immer um Kurzstreckenraketen. U-Boote der grossen Atommächte führen Interkontinentalraketen an Bord, die Tausende von Kilometern zurücklegen können.
Dass Nordkorea ein U-Boot mit Atomantrieb baut, überrascht wenig. Bereits 2021 kündete Kim an, dass er dies anstrebe. Vielmehr stellt sich die Frage, wie es das wirtschaftlich verarmte und international isolierte Land schafft, ein solch komplexes System zu entwickeln.
Experten des Center for Strategic and International Studies, einer Denkfabrik in Washington, schreiben, dass Pjongjang dies nur mit Russlands Hilfe schaffen könne. Sie gehen davon aus, dass Moskau technische Unterstützung bietet als Gegenleistung für die Munition und die Truppen Nordkoreas im Krieg gegen die Ukraine. Belegen lässt sich das nicht. Satellitenbilder zeigen jedoch einen regen Austausch von Gütern über die nordkoreanisch-russische Grenze. Bekannt war bisher, dass Nordkorea Lebensmittel und Öl für seine Waffenbruderschaft erhält.
Der Transfer von Atom-U-Boot-Technologie wäre von russischer Seite aussergewöhnlich. In diesem Bereich ist Moskau immer noch auf Augenhöhe mit den USA. Bisher wollte der Kreml die Technologie keinesfalls aus den Händen geben. Noch im Februar sagte ein amerikanischer Regierungsvertreter gegenüber der NZZ, dass es keine Anzeichen dafür gebe, dass Russland U-Boot-Technologie an Nordkorea weitergebe. Bekannt ist, dass China sehr daran interessiert wäre. Chinas Werften, die in vielen Bereichen technologisch zur Weltspitze aufgeschlossen haben, sind bei U-Booten noch im Rückstand.
Eine seegestützte Abschreckung braucht noch Zeit
Im September 2023 liess Nordkorea mit Fanfare sein erstes U-Boot, das Atomraketen abschiessen kann, vom Stapel laufen. Doch bei «Held Kim Kun Ok» handelt es sich nach Ansicht von Experten um ein umgebautes russisches Boot der «Romeo»-Klasse, das über einen konventionellen Dieselantrieb verfügt. Das Boot hat einen auffälligen Buckel, wo zehn Silos für Raketen eingebaut sind. Nach Ansicht von Experten haben diese eine Reichweite von weniger als 700 Kilometern.
Nordkorea hat eine der grössten U-Boot-Flotten der Welt. Experten gehen von 60 bis 80 Einheiten aus. Doch sind diese dieselelektrisch angetrieben, grösstenteils veraltet und zum Teil sehr klein. Ein U-Boot mit Atomantrieb wäre ein Quantensprung für Pjongjang.
Da ihr Reaktor fast unbeschränkt Energie liefert, können Atom-U-Boote wochen- oder sogar monatelang untergetaucht bleiben; Grenzen setzen einzig der Lebensmittelvorrat und die psychische Verfassung der Besatzung. Gleichzeitig sind die Boote sehr schnell – amerikanische Atom-U-Boote können in knapp zwei Wochen den gesamten Pazifik untergetaucht durchqueren. Das macht sie sehr schwer zu orten.
Selbst wenn die nordkoreanischen Angaben zum U-Boot stimmen, wird es noch mehrere Jahre dauern, bis dieses einsatzfähig ist. Noch länger wird Pjongjang brauchen, bis es über eine wirkungsvolle seegestützte Abschreckung verfügt. Dazu muss jederzeit mindestens ein Boot, ausgerüstet mit Atomraketen, in den Tiefen der Ozeane auf Patrouille sein. Als Faustregel gilt, dass ein Land mindestens drei Einheiten braucht, damit immer ein U-Boot im Einsatz ist. Frankreich und Grossbritannien haben jeweils vier Atom-U-Boote, die ihre nukleare Abschreckung sicherstellen.