Mit hohen Beihilfen für eine Batteriefabrik des schwedischen Herstellers Northvolt in Schleswig-Holstein lässt sich Deutschland auf einen Subventionswettlauf mit China und den USA ein. Das Steuergeld wäre anderswo besser angelegt.
Sie lesen einen Auszug aus dem werktäglichen Newsletter «Der andere Blick», heute von René Höltschi, Wirtschaftskorrespondent der NZZ in Berlin. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.
Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) muss es ein Wunschtermin gewesen sein in diesen wirtschaftlich eher düsteren Zeiten: Gemeinsam mit Firmenvertretern und Lokalpolitikern haben sie am Montag in Heide im Bundesland Schleswig-Holstein den Baubeginn für eine neue Fabrik für E-Auto-Batterien, die «Gigafactory Northvolt Drei», des jungen schwedischen Unternehmens Northvolt gefeiert.
Vorzeigeprojekt mit Makel
Tatsächlich spricht vieles für die Batteriezellfabrik: Sie reduziert die europäische Abhängigkeit von Herstellern aus Asien, vor allem aus China, die derzeit den Markt dominieren, sie unterstützt den Übergang der deutschen Automobilindustrie zur E-Mobilität, und sie schafft in einer strukturschwachen Region 3000 Arbeitsplätze.
Und dennoch: Das Vorhaben hat einen wüsten ordnungspolitischen Makel. Bund und Bundesland subventionieren es mit insgesamt rund 900 Millionen Euro. 700 Millionen Euro fliessen in Form eines Direktzuschusses, zudem erhält das Unternehmen eine Garantie von 202 Millionen Euro. Ein erklecklicher Teil der Investitionskosten von 4,5 Milliarden Euro wird somit nicht von den Aktionären von Northvolt gestemmt – darunter der Autokonzern Volkswagen und ein Goldman-Sachs-Fonds –, sondern von deutschen Steuerzahlern.
Die Aktionäre wird’s freuen. Doch in einer Marktwirtschaft sind kommerzielle Investitionen Sache der Unternehmen und ihrer Eigentümer, denen auch die Gewinne daraus zustehen. Aufgabe des Staats hingegen ist es, mit guten Rahmenbedingungen für alle Unternehmen die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Firmen wie Northvolt entstehen und gedeihen können.
Anmassung von Wissen
Deshalb wären die knappen öffentlichen Mittel besser angelegt in Investitionen in Bildung, Forschung oder Infrastruktur statt in selektiven Beihilfen für einzelne Firmen. Letztere führen immer zu Wettbewerbsverzerrungen, nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen Staaten: Kleine EU-Mitglieder können mit der deutschen Subventionsorgie je länger, je weniger mithalten. Zudem ist die Förderung einzelner Firmen eine Anmassung von Wissen im Sinne des liberalen Ökonomen Hayek: Der Staat glaubt zu wissen, welche Technologie und welche Firmen zukunftsträchtig sind und welche nicht.
Im Januar hat die EU-Kommission die deutschen Beihilfen an Northvolt auf der Basis neuer, flexiblerer EU-Vorgaben genehmigt. «Ohne die Beihilfe würde Northvolt das Werk in den USA errichten, da dem Unternehmen dort auf der Grundlage des Inflation Reduction Act Unterstützung angeboten wurde», behauptete die Kommission damals. Tatsächlich scheint Northvolt gepokert und mögliche Standorte gegeneinander ausgespielt zu haben.
Schädlicher Wettlauf
Zugleich betonen Habeck und Northvolt aber, wie wichtig das überreiche Angebot an erneuerbarem Windstrom im Nordsee-nahen Heide für den Standortentscheid gewesen sei. Es bleibt damit offen, ob die Ansiedlung nicht auch ohne oder zumindest mit weniger Subventionen erfolgt wäre. Und selbst wenn Northvolt tatsächlich in den USA statt in Heide bauen würde: Die Abhängigkeit von China würde auch so reduziert – und das Arbeitsplatzargument verliert in Zeiten des Arbeitskräftemangels ohnehin an Stichhaltigkeit.
Mit Milliardenhilfen für Northvolt, Intel und Co. haben sich Deutschland und die EU auf einen Subventionswettlauf mit China und den USA eingelassen, der viel Steuergeld kostet, langfristig aber kaum zu gewinnen ist. Unternehmen, die einen Standort nur wegen höherer Beihilfen wählen, sind schnell wieder weg, wenn andere mehr bieten. Auch macht sich der Staat erpressbar: Was, wenn Northvolt als Nächstes nach billigerem Strom ruft? Was, wenn ein nächster Batterie- oder Chiphersteller von Deutschland ebenfalls die Übernahme eines bedeutenden Anteils der Investitionskosten für ein neues Werk erwartet?
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