Im hohen Norden Deutschlands soll eine Batteriezellfabrik des schwedischen Herstellers Northvolt entstehen. Doch die finanziellen Schwierigkeiten der Muttergesellschaft bedrohen nun auch deutsches Steuergeld.
So schnell kann es gehen. Erst im März dieses Jahres haben der deutsche SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, sein grüner Wirtschaftsminister Robert Habeck und Peter Carlsson, der Gründer und damalige Chef des schwedischen Batterieherstellers Northvolt, zusammen mit weiterer Prominenz den Spatenstich für eine neue Batteriezellfabrik von Northvolt in Deutschland gebührend gefeiert. Inzwischen ist Carlsson als CEO zurückgetreten, Northvolt befindet sich in einem Gläubigerschutz- und Sanierungsverfahren (Chapter-11-Verfahren) in den USA, und die Ampelregierung von Scholz ist gescheitert.
Einstiges Leuchtturmprojekt
Ungewiss geworden ist mit der Northvolt-Krise nicht nur das künftige Schicksal der Batteriefabrik in Deutschland, sondern auch die Rückzahlung eines staatlichen Kredits in Höhe von 600 Millionen Euro.
Dabei war oder ist die geplante Fabrik ein Leuchtturmprojekt nicht nur für das junge Unternehmen Northvolt, sondern auch für die deutsche und europäische Energie- und Verkehrswende. In Heide im norddeutschen Bundesland Schleswig-Holstein soll laut den Plänen die «Gigafactory Northvolt Drei» entstehen und Batterien für E-Autos herstellen. Sie soll in der strukturschwachen Region dereinst rund 3000 Arbeitsplätze schaffen, den in Küstennähe reichlich vorhandenen erneuerbaren Windstrom nutzen und die europäische Abhängigkeit von chinesischen Batterieherstellern reduzieren.
Laut Scholz und Habeck ist vor allem Letztgenanntes Grund für die staatliche Förderung des Projekts. Deutschland hatte seinerzeit in Konkurrenz mit den USA, die im Rahmen der Inflation Reduction Act (IRA) ebenfalls mit hohen Subventionen gelockt haben sollen, um die Ansiedelung gebuhlt.
Hohe Subventionen
Doch nun könnte dies dem Steuerzahler erkleckliche Verluste bereiten. Zwar ist die deutsche Northvolt-Tochter laut Unternehmensangaben separat finanziert, und das Projekt in Heide wird ausserhalb des Chapter-11-Verfahrens weiter betrieben; auch auf der Baustelle wird dem Vernehmen nach weiter gearbeitet. Ziel des am 21. November beantragten Chapter-11-Verfahrens ist es, das überschuldete Unternehmen zu sanieren, dank einer Restrukturierung weiterzuführen und auch wieder neue Geldgeber zu finden. Ob das gelingt, wird indessen erst in einigen Monaten klarwerden.
Insgesamt haben der Bund und das Bundesland Schleswig-Holstein für das Projekt in Heide eine Unterstützung von 1,3 Milliarden Euro zugesagt. Davon sollten 700 Millionen Euro als nicht rückzahlbarer Zuschuss ausgehändigt werden, der aber laut Regierungsangaben noch nicht abgerufen worden ist. Die restlichen 600 Millionen Euro sind in Form eines Kredits oder genauer einer Wandelanleihe bereits geflossen. Eine Wandelanleihe kann in einer bestimmten Frist in Aktien eingetauscht werden. Macht der Kreditgeber davon keinen Gebrauch, wird sie am Ende der Laufzeit zurückbezahlt.
Steuergeld im Feuer
Diese 600 Millionen Euro stehen nun im Feuer. Gewährt worden ist die Wandelanleihe von der staatlichen deutschen Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), und zwar an die schwedische Muttergesellschaft. Das Chapter-11-Verfahren führt nun nach schwedischem Recht dazu, dass die Anleihe sofort fällig gestellt wird. Gleichzeitig aber darf Northvolt während des Verfahrens keine Gelder an Gläubiger auszahlen. Damit ist der sogenannte Garantiefall eingetreten: Der Bund und das Bundesland Schleswig-Holstein, die für den Kredit gebürgt haben, müssen die KfW entschädigen.
Noch im Dezember soll der Bund deshalb inklusive der Kreditnebenkosten aus dem Bundeshaushalt 620 Millionen Euro an die KfW überweisen. Die Hälfte davon kann er dann seinerseits beim Bundesland eintreiben, das laut Angaben vom Donnerstag hierfür Kredite aufnehmen muss. Ob und wie viel dieser Summe Northvolt am Ende zurückzahlen wird, hängt vom Ausgang des Chapter-11-Verfahrens ab. Das Geld der Wandelanleihe ist zweckgebunden und darf nur für die Fabrik in Heide verwendet werden; ein Teil davon ist noch nicht ausgegeben, sondern liegt auf Sperrkonten.
Im besten Fall wird die Fabrik gebaut, und Bund und Bundesland erhalten dereinst ihr Geld zurück; im schlechtesten Fall gibt es weder ein Batteriewerk in Heide noch eine volle Rückzahlung.
«Gescheiterte Subventionspolitik»
Liberale Ökonomen hatten die teure Förderung einzelner Unternehmen stets kritisiert. Nun platzen die Schwierigkeiten mit Northvolt mitten in den deutschen Wahlkampf, der ohnehin stark von Wirtschaftsfragen geprägt wird.
Habeck betonte in den vergangenen Tagen wiederholt, es bestehe durchaus die Chance, dass sich Northvolt saniere und die Gelder erhalten blieben. Er und Scholz verteidigten im Bundestag das staatliche Engagement. Der Bundeskanzler verwies darauf, dass «eine strategische Komponente» der künftigen E-Autos auch in Europa hergestellt werden müsse. Habeck sagte, es gehe im Kern um die Widerstandsfähigkeit der europäischen und deutschen Wirtschaft.
Christian Dürr hingegen, Fraktionschef der im November aus der Regierung ausgeschiedenen FDP, kritisierte, die Northvolt-Insolvenz sei ein Beispiel für eine «gescheiterte planwirtschaftliche Subventionspolitik». Die CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner warf Habeck vor, er scheine bei Northvolt «geschlampt» zu haben: «Ihnen waren schöne Bilder vom Spatenstich wichtiger als die Prüfung der Verwendung von Steuergeld.» Allerdings hat die staatliche Förderung von Batterieprojekten bereits unter Habecks konservativem Vorgänger Peter Altmaier begonnen.
Grösster Aktionär von Northvolt ist mit einem Anteil von 21 Prozent der Volkswagen-Konzern, der derzeit mit eigenen Problemen kämpft. Zweitgrösster Anteilseigner ist mit knapp 20 Prozent der Finanzinvestor Goldmann Sachs.
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