In den kalten und dunklen Wintermonaten verzieht man sich am besten irgendwo nach drinnen. Zum Beispiel ins Kino, das mit neuen Filmen gerade viel Spannung verspricht.
Mit einem grossen Schrecken ins neue Jahr zu starten, könnte eine gute Idee sein. Nicht, dass die Geschichte in Robert Eggers’ «Nosferatu» (Schweizer Kinostart: 2. Januar) viele Überraschungen bereithielte. Sie basiert auf dem vielzitierten gleichnamigen Stummfilm von F. W. Murnau aus dem Jahr 1922, der seinerseits grosszügig bei Bram Stokers Roman «Dracula» abschaute: Eine vampirische Albtraumkreatur (Bill Skarsgård) nimmt ein kleines Dorf in Beschlag und hat vor allem die brave Ellen Hutter (Lily-Rose Depp) im Visier.
An Eggers’ Version reizen mich der Cast – neben den Hauptdarstellern auch Willem Dafoe, Emma Corrin und Nicholas Hoult – und der schmale Grat zwischen Schönheit und Hässlichkeit, auf der schon der Trailer trippelt. Dabei helfen die Kostüme von Linda Muir: gespenstisch weisse Nachthemden, ein mit Samtschleifen verziertes Cape, Gigot-Ärmel in leuchtendem Satin. Dass der Film wie schon Francis Ford Coppolas Version von 1992 (mit fabelhaften, Oscar-prämierten Kostümen von Eiko Ishioka) auf Moodboards von Modedesignerinnen und -designern auftauchen wird, daran zweifle ich nicht. Ich freue mich darauf.
Tipp von Jana Schibli
Bevor man glaubt, in sich festzustecken und nichts hinter sich lassen zu können, schaue man sich den neuen Film von Nora Fingscheidt an. Mit dem Film «The Outrun», basierend auf Amy Liptrots Roman «Nachtlichter», überzeugt die Regisseurin erneut.
Die Schauspielerin Saoirse Ronan brilliert in «The Outrun» als alkoholkranke Rona. Rona kehrt nach turbulenten Jahren in London für einen Alkoholentzug in ihre Heimat, auf die schottischen Orkney-Inseln, zurück. In der herb-schönen und beruhigenden Abgeschiedenheit findet sie zu sich, zu ihrer Familie und zu ihrer Heimat.
Das hört sich gut an, aber es wäre kein Fingscheidt-Film, wenn jetzt alles gut wäre. Mehr sei nicht verraten. Mut macht der Film dennoch: Er zeigt, dass Transformation möglich ist. Das Ändern der Perspektive ebenso. Und dass man am Ende ja noch sich selbst hat.
Wie man ohne Alkohol wieder glücklich werden könne, fragt sich Rona in einer Szene. Man müsse sich bewusst machen, dass es irgendwann weniger schwer werde, antwortet ihr einer der Inselbewohner. Recht hat er. Die hedonistischen Ponyhofzeiten sind doch eh längst vorbei, wenn es sie überhaupt je gab.
Tipp von Rike Hug
Im Herbst, als es auf einmal wieder so früh dunkel war, schrieb ich einer Freundin euphorisch: «Lass uns diese Woche ins Kino gehen!» Ich wollte unbedingt Pedro Almodóvars neuen Film «The Room Next Door» mit Tilda Swinton und Julianne Moore sehen. Nur leider hatte ich den Schweizer Kinostart falsch im Kopf: Der Film wurde Anfang Oktober am Zurich Film Festival dreimal gezeigt; wer das (wie ich) jedoch verpasste, musste sich noch zwei Monate gedulden. Nun aber ist der Film in den Schweizer Kinos angelaufen.
Der spanische Filmregisseur ist dafür bekannt, seine Filme vor farbenfroher Kulisse zu zeigen. Die Inszenierung bleibt selbst dann noch hübsch, wenn die Geschichte tieftraurig ist wie in «The Room Next Door». Es ist die Geschichte der krebskranken Martha (Tilda Swinton), die ihrem Leben ein Ende setzen möchte. Ingrid (Julianne Moore), eine frühere Freundin, soll ihr dabei beistehen und helfen.
Als Filmvorlage diente der Roman «What Are You Going Through» der amerikanischen Schriftstellerin Sigrid Nunez. Ob Ästhetik und Drama gut zusammengehen? Darüber streiten sich Kritiker. Am besten ist wohl, man setzt sich selbst in den Kinosessel und macht sich sein eigenes Bild.
Tipp von Lea Hagmann
Endlich. Mitte Januar wird der neue Film von Clint Eastwood auch in der Deutschschweiz anlaufen. Ich habe bisher zwei Filme des Regisseurs gesehen, die Drama-Romanze «Die Brücken am Fluss» (1995) und den Krimi-Thriller «Mystic River» (2003), beide sind wahnsinnig gut, Clint Eastwood hat einen Sinn fürs grosse Kino, aber auch für kleinere Geschichten.
Diesmal präsentiert er uns ein Gerichtsdrama: Ein Familienvater hat als Geschworener in einem aufsehenerregenden Mordprozess mit einem ernsten moralischen Dilemma zu kämpfen. Das könnte er dazu nutzen, das Urteil der Geschworenen so zu beeinflussen, dass der angeklagte Mörder verurteilt wird – oder freigelassen.
Nebst der wohl gewohnt beeindruckenden Eastwoodschen Mischung aus grossartiger Schauspielleistung, cleverem Drehbuch, stimmiger Musik und klarer Kameraführung freue ich mich auf die australische Schauspielerin Toni Colette. Die 51-Jährige ist im Film in der Hauptrolle der Staatsanwältin zu sehen. Für mich ist sie eine der stärksten und interessantesten Frauen in Hollywood. Nicholas Hoult, 36, spielt die Rolle des Geschworenen – das Duo stand bereits vor über zwanzig Jahren zusammen vor der Kamera: in der Oscar-prämierten Tragikomödie «About a Boy» von 1998.
Übrigens fehlte der 94-jährige Clint Eastwood an der Weltpremiere von «Juror #2» am 27. Oktober in Los Angeles – hoffentlich schafft er es aber zur nächsten Oscar-Verleihung Anfang März. Eine Ehrung für sein Lebenswerk ist durchaus realistisch und wäre angebracht.
Tipp von Kim Dang
Nicole Kidman hat gerade Hochkonjunktur – und ich habe kein Problem damit. Ich könnte der Frau stundenlang zusehen. Am Zurich Film Festival habe ich das auch, bei «Babygirl» (Schweizer Kinostart: 30. Januar). Im erotischen Thriller der Regisseurin Halina Reijn («Bodies Bodies Bodies») spielt die sorgfältig inszenierte Kidman die stets gut frisierte Romy Mathis, die Girlboss-mässige CEO eines nicht näher spezifizierten Logistikunternehmens.
Eines Tages ist der übermütige Praktikant Samuel (Harris Dickinson) dabei, vor ihrem Büro einen Hund zu zähmen. Bald tut er dasselbe mit der verheirateten Romy: Seinetwegen trinkt sie ein bis oben gefülltes Glas Milch und wagt sich in ein schmuddeliges Motelzimmer. Ihre Affäre – ein Spiel von Macht und Unterdrückung – ist stürmisch und unterhaltsam und immer am Rande des Zusammenbruchs, egal, wie eng Romy ihre pastellfarbenen Cashmeremäntel schnürt. Dem zuzuschauen, ist nervenaufreibend und manchmal etwas frustrierend. Gleichwohl möchte man es nicht missen.
Tipp von Jana Schibli