Novak Djokovic kann seinen Titel in Melbourne nicht verteidigen. Die Weltnummer eins scheitert im Halbfinal in nur knapp zwei Stunden 1:6, 2:6, 7:6, 3:6 am Italiener Jannik Sinner, der erstmals in einen Grand-Slam-Final einzieht.
Es war eine Demonstration, vielleicht auch eine Demütigung, was Djokovic vor allem in den ersten beiden Sätzen über sich hatte ergehen lassen müssen. Er war gegen den erst 22-jährigen Südtiroler chancenlos und sah mehrmals aus wie ein Tennis-Novize. Sinner servierte hervorragend und zeigte auch da keinerlei Nerven, als er nach knapp zwei Stunden zum Match servierte. Ihm unterlief dabei zwar der erste Doppelfehler im gesamten Match, gleich darauf servierte er aber auch einen zweiten Aufschlag mit 167 km/h.
Sinner war bereits im Tie-Break des dritten Satzes zu einem Matchball gekommen, hatte diesen aber nicht genutzt. Knapp eine Stunde später beendete er den Match bei seiner zweiten Gelegenheit und zieht damit erstmals überhaupt in einen Grand-Slam-Final ein. Dort trifft er am Sonntagvormittag mitteleuropäischer Zeit auf den Sieger des zweiten Halbfinals zwischen dem Russen Daniil Medwedew und dem Deutschen Alexander Zverev.
Im Moment seines Triumphs hob Sinner in Unglauben kurz seine Arme und strahlte danach Richtung seiner Box. Ganz überraschend kommt sein Erfolg nicht. Er hatte in den vergangenen zwei Wochen bereits brilliert und damit in Melbourne das Gefühl ausgelöst, dass eher er, als Djokovic› vermuteter Rivale Carlos Alcaraz den Serben am 25. Major-Titel, dem 11. in Melbourne hindern kann. Das bestätigte sich vor zwei Tagen im Viertelfinal, in dem der ebenfalls erst 20 Jahre alte Spanier gegen Zverev chancenlos geblieben war.
Djokovic bleibt weiterhin die Weltranglisten-Nummer 1, und ganz sicher auch der Mann, der zumindest auf Hartplatz und auch auf Rasen zu den Top-Favoriten gehört. Dazu hat er in der vergangenen Saison zu solid gespielt und auch die bittere Niederlage im Wimbledon-Final gegen Alcaraz zu gut weggesteckt.
Und doch signalisiert Sinners Sieg über ihn eine Art Zeitenwende. Melbourne war wie kein anderer Court der Welt zum Wohnzimmer des mittlerweile bald 37-jährigen Serben geworden. Hier hatte er 2008 im Final gegen Joe-Wilfried Tsonga seinen ersten Major-Titel gewonnen, drei Jahre später begann er dort mit seinem zweiten Titel seine Dominanz, die mittlerweile mehr als ein Jahrzehnt überdauert hat.
Djokovic war auf den Hartplätzen Melbournes nahezu unschlagbar. Dem einzigen, einem der wenigen, dem gelungen war, war Stan Wawrinka, der hier vor zehn Jahren nach einem Sieg gegen Djokovic und im Final danach auch gegen Rafael Nadal den ersten von drei Major-Titel gewonnen hat.
Djokovic nahm die Niederlage gegen den jungen Italiener sportlich. Nach dem Matchball schritt er mit einem Lächeln im Gesicht zum Netz, umarmte Sinner dort und sprach ihm ein paar Worte des Respekts zu. Es kommen immer neue Spieler, die den Serben auch auf grossen Bühnen schlagen. Nach Wawrinka, der den Serbe auch bei seinem Sieg 2016 am US Open bezwungen hatte, gelang das auch dem Russen Daniil Zverev, Carlos Alcaraz und nun also Sinner. Doch noch ist es zu früh, das Ende seine Regentschaft bereits auszurufen. Dazu weiss der Serbe zu gut, wie er die richtigen Schlüsse aus Niederlagen ziehen muss. Doch den Grand-Slam-Rekord von 24 Titel muss er zumindest bis zum French Open Ende Mai weiterhin mit der Australierin Margret Court teilen.