Der Medikamentenhersteller Novartis plant milliardenschwere Investitionen in den Vereinigten Staaten. Die Schweiz gerät allein damit aber nicht aus der Schusslinie Washingtons.
Firmen tun zurzeit viel, um sich mit der neuen amerikanischen Administration gut zu stellen. Dies gilt besonders für Unternehmen aus dem Pharmasektor. Die Branche befindet sich im Visier des Präsidenten Donald Trump, der mehrfach angekündigt hat, gegen sie spezifische Zölle zu verhängen. Er hat dabei auch kein Hehl daraus gemacht, dass die Zölle Medikamentenhersteller mit Produktionsstätten ausserhalb der USA empfindlich treffen würden.
Roche ist in Amerika besser aufgestellt
Die beiden Schweizer Branchenschwergewichte Roche und Novartis erwirtschaften wie alle führenden Anbieter von Arzneimitteln den grössten Teil ihres Umsatzes in den Vereinigten Staaten. Die Preise für Medikamente sind dort weltweit mit Abstand am höchsten. Das verschafft Pharmafirmen hohe Gewinne. Für beide Schweizer Konzerne steht somit viel auf dem Spiel, falls auf einmal wegen Zöllen zusätzliches Geld an die amerikanische Regierung abgeführt werden müsste.
Roche und Novartis sind dabei unterschiedlich auf die ungewohnte neue Gemengelage vorbereitet. Während Roche zu den fünf umsatzstärksten Pharmaunternehmen im amerikanischen Markt zählt und vor allem dank der kalifornischen Tochterfirma Genentech auch in der Produktion lokal gut verwurzelt ist, hat Novartis Nachholbedarf. Der Konzern ist in Amerika nur die Nummer neun oder zehn, hat seinen Investoren aber versprochen, in den nächsten Jahren in die Topliga aufzusteigen. Schlecht dazu passt das Produktionsnetz von Novartis. Es sei europalastig, kritisierten Analytiker der Grossbank UBS Mitte dieser Woche.
Überschaubares Investitionsvolumen
So gesehen erstaunt die Ankündigung der Novartis-Führung vom Donnerstagabend nicht, eine Investitionsoffensive in den USA zu starten. Sie sieht Ausgaben von insgesamt 23 Milliarden Dollar über die nächsten fünf Jahre vor. Dabei sollen in den Vereinigten Staaten vier zusätzliche Produktionswerke eröffnet werden. Weiter plant Novartis die Errichtung eines Forschungszentrums in San Diego. Es soll das bestehende Zentrum an der Ostküste, in Cambridge im Gliedstaat Massachusetts, sowie die Aktivitäten am Hauptsitz in Basel ergänzen.
Die Massnahmen, die auch weitere Investitionen in die Herstellung neuartiger Krebspräparate (auf dem Gebiet der sogenannten Radioliganden-Therapien) umfassen, dürften im Weissen Haus auf Wohlwollen stossen. Allerdings sollte ihr Umfang auch nicht überschätzt werden. Investitionen von 23 Milliarden Dollar, verteilt über fünf Jahre, sind für ein Unternehmen der Grösse von Novartis kein riesiger Brocken.
Der Basler Konzern, der 2024 einen Umsatz von 50 Milliarden Dollar erwirtschaftete, gibt allein für Forschung und Entwicklung pro Jahr rund 10 Milliarden Dollar aus. Er leistete sich zudem in den vergangenen Jahren mehrere milliardenteure Aktienrückkaufprogramme.
Wie bei vielen Unternehmen, die nun mit amerikanischen Investitionsprogrammen bei der protektionistischen neuen US-Regierung für gute Stimmung zu sorgen versuchen, dürfte es sich auch bei Novartis zumindest teilweise um ohnehin seit längerem geplante Vorhaben handeln. Bei den Radioliganden-Therapien beispielsweise hat sich der Konzern dank frühen Anstrengungen eine führende Position erarbeitet, die er nun sichern will.
Einzelne Ankündigungen nützen wenig
Novartis hebt im Zusammenhang mit den Investitionsplänen pflichtbewusst hervor, 1000 zusätzliche Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten zu schaffen. Weitere 4000 würden bei Zulieferern entstehen.
Eine andere Frage ist, wieweit die Schweiz von solchen Einzelinitiativen profitieren wird. Der Bundesrat sieht sich mit der Herausforderung konfrontiert, den USA «reziproke» Zölle von 31 Prozent auszureden, die gegen die gesamte Schweizer Wirtschaft gerichtet sind.
Im Landesinteresse wäre es wünschenswert, wenn hiesige Konzerne nicht einzeln vorpreschen würden, sondern ihre Initiativen erst von Wirtschaftsverbänden sammeln liessen. Mit der Ankündigung eines Bündels von Unternehmensinvestitionen, die den USA zugutekommen, hätte der Bundesrat ein ungleich stärkeres Instrumentarium und ein grösseres Gewicht, um damit in Washington zu weibeln.