Die Schäden in Los Angeles belaufen sich auf über 50 Milliarden Dollar. Die Prämien für Hausbesitzer in Kalifornien werden massiv steigen.
Für zuverlässige Schadensschätzungen ist es noch zu früh. Aber es gibt «back-of-the-envelope calculations» – Milchbüechli-Rechnungen. Analysten der Grossbank JP Morgan beziffern die wirtschaftlichen Folgen des Flammeninfernos in und um Los Angeles auf 50 Milliarden Dollar. Rund 20 Milliarden Dollar der Schäden seien versichert.
Der Wetterdaten-Anbieter AccuWeather nennt sogar eine Spanne von 52 bis 57 Milliarden Dollar. Sicher ist, dass es sich um eine Verwüstung gigantischen Ausmasses handelt, vielleicht um die folgenreichsten Flächenbrände überhaupt.
10-Billionen-Dollar-Häusermarkt
In Kalifornien mit seinem 10 Billionen Dollar grossen Häusermarkt kommt zur Flammenhölle noch eine Versicherungskrise. Sie ist eine Folge des Klimawandels, aber nicht nur: Staatliche Fehlentscheide verschärfen die Situation unnötig.
Ein kalifornisches Gesetz verunmöglicht es den Versicherungsgesellschaften nämlich, risikogerechte Prämien zu verlangen. Mit dem Resultat, dass sich in den vergangenen Jahren viele private Anbieter zurückgezogen haben.
Gemäss dem «Wall Street Journal» trennte sich allein State Farm, der grösste Sachversicherer der USA, von nahezu 70 Prozent der Policen im besonders betroffenen Quartier Pacific Palisades.
Wo einst schon bekannte europäische Exilanten wie Thomas Mann oder Theodor Adorno siedelten, residieren heute die Reichen. Auch die Getty-Villa mit ihrer bedeutenden Antikensammlung befindet sich in Pacific Palisades, etwa 30 Kilometer westlich von Downtown L. A.
Viele teure Villen in einer besonders exponierten Gegend, die für die Feuerwehr zudem noch schwer zugänglich ist: Solche Objekte wollen private Unternehmen nur versichern, wenn sie angemessene Prämien dafür verlangen können.
Offenbar bekunden sie wegen der kalifornischen Gesetzgebung aber nur schon Mühe damit, ihren Kunden die eigenen Kosten für den Rückversicherungsschutz weiterverrechnen zu können.
Flächenbrände sind für Versicherungen ohnehin ein schwieriges Kapitel. Im Gegensatz zu anderen Umweltkatastrophen wie Erdbeben, Hagel, Stürmen oder Fluten ist das Auftreten einer Feuersbrunst schwierig kalkulierbar. Wie und wo ein Feuer beginnt, ist recht zufällig. Wie stark es sich ausbreitet, ebenfalls, da dies wesentlich von der Witterung abhängt – vor allem von den Windverhältnissen.
Private Versicherer ziehen sich zurück
Während sich die privaten Versicherungsgesellschaften seit den letzten verheerenden Bränden 2017 und 2018 immer stärker zurückgezogen haben, verzeichnete der staatliche Versicherer California Fair Plan ein umso kräftigeres Wachstum. Er hat sein Geschäft in Pacific Palisades massiv ausgedehnt: um 85 Prozent in nur einem Jahr.
Weil auch Fair Plan keine risikogerechten Prämien verlangt, gibt es für Architekten und Hauseigentümer wenig Anreiz, ihr Verhalten anzupassen – etwa nicht direkt an einem Waldrand zu bauen. Der Markt könnte das ein Stück weit richten, wenn man ihn liesse.
Aber ausgerechnet in Kalifornien, das regelmässig von Umweltkatastrophen heimgesucht wird, will man nichts von risikoabhängigen Prämien wissen. Gemessen an den Immobilienwerten sind die Versicherungskosten in den Palisades sogar tiefer als in 97 Prozent der US-Postleitzahlen-Gebiete, wie eine Reuters-Analyse ergab.
Ist genug Geld für die Schäden da?
Nun wird es für Fair Plan eng. Gemäss der Nachrichtenagentur Bloomberg hat die staatliche Gesellschaft allein in und um Pacific Palisades Gebäude im Wert von 6 Milliarden Dollar versichert.
Doch gemäss der letzten verfügbaren Aufstellung stehen diesem Exposure in der verwüsteten Gegend lediglich 200 Millionen Dollar Reserven plus 2,5 Milliarden Dollar Deckung durch Rückversicherungen gegenüber. Wie Fair Plan für Forderungen aufkommen will, die diesen Betrag übersteigen, ist nicht ganz klar.
Ein Teil der Rechnung dürfte bei privaten Sachversicherern in Kalifornien landen – die zur Solidarität mit Fair Plan verpflichtet werden können. Einen Teil müssten Versicherungsnehmer aus anderen Gegenden Kaliforniens und die Allgemeinheit berappen.
Das hätte einen doppelt perversen Effekt: Einerseits würden so auch Geringverdiener für Schäden an Luxusvillen geradestehen. Anderseits dürfte sich der Exodus von privaten Versicherungsanbietern aus Kalifornien beschleunigen.
Jetzt steigen die Prämien
Schon vor der Katastrophe ging man davon aus, dass die Prämien in den kommenden Jahren kräftig steigen und das Budget mancher Hauseigentümer strapazieren würden.
Die zunehmenden Schwierigkeiten der Hausbesitzer, Versicherungsschutz zu finden, veranlassten die staatlichen Aufsichtsbehörden, ihren Ansatz zu überdenken. Der Versicherungsbeauftragte von Kalifornien kündigte im Dezember eine Überarbeitung an, die es den Versicherern erleichtern würde, ihre Tarife zu erhöhen und Klimarisiken und Rückversicherungskosten bei der Preisgestaltung zu berücksichtigen. Sie wären dann aber im Gegenzug auch verpflichtet, einen Versicherungsschutz in Hochrisikogebieten anzubieten.