Die Fussballerin schaffte es eher spät in ein Schweizer Nationalteam. Dennoch ging Humm in die WM-Geschichte ein. Zu ihrem Abschied könnte sie mit den FCZ-Frauen ihren sage und schreibe elften Meistertitel gewinnen.
Fabienne Humm kommt gerade von einem Sondereinsatz. Als Botschafterin des Schweizer Vorlesetags war sie in ihrer Heimatgemeinde Birr im Kindergarten ihrer Patentochter. Sie erzählte dort die Geschichte mit dem Titel «Nur Mut, kleiner Drache!». Das Buch handelt davon, wie ein verängstigter Heranwachsender einen Weg finden muss, sich mehr zuzutrauen. Ja, zunächst fürchtet sich der rote Drache sogar vor Feuer.
Möglicherweise fühlte sich Humm an ihre Anfänge als Fussballerin erinnert. Als sie 2009 mit 22 Jahren zu den Frauen des FC Zürich gestossen war, galt sie nicht als das grösste Talent. Im Gegensatz zu ihr hatten Teamkolleginnen Spiele für die Schweizer Junioren-Nationalteams bestritten. Und nun, als Feldspielerin, war es für Humm kein Vorteil, dass sie bis 16 vorwiegend die Goalie-Position eingenommen hatte.
Die FCZ-Frauen trainierten und spielten damals noch in Seebach, wo die Infrastruktur bescheidener war. Wenn es regnete, mussten sie auf den Allwetter-Sandplatz ausweichen. Und wenn dieser schon durch ein anderes Team belegt war, wurde die Einheit einfach gestrichen. Zu den Heimspielen der FCZ-Frauen erschienen 50 Zuschauer. Humm sagt, sie hätte sich damals nie erträumt, was sie später alles erreichen sollte.
Ihr Typ schien ausgestorben – gegen ein Tattoo wehrte sie sich
Unterdessen stehen im Palmarès: 10 Schweizer-Meister-Titel und 7 Cup-Siege, allesamt errungen mit dem FC Zürich, der heute das grosszügige Trainingsgelände im Heerenschürli nutzt. Laut Angaben ihres Vereins hat Humm für den FCZ 401 Spiele absolviert und 307 Tore geschossen. Gleich 5-mal wurde sie Torschützenkönigin der höchsten Schweizer Liga.
Es sind Werte, die sie auch ins A-Nationalteam brachten. Zweimal nahm Humm an einer WM teil, zweimal an einer EM. 2015 gegen Ecuador gelang der Stürmerin mit drei Toren innert fünf Minuten der schnellste Hattrick der WM-Geschichte. «Hummbelievable» oder «Bumm-Bumm-Humm», titelte der Boulevard verzückt.
Was ihre Story noch imposanter machte: Humm war neben dem Sport voll berufstätig. Sie arbeitet als Supply-Chain-Managerin für einen Hersteller von LCD-Anzeigen, bei dem sie seit der Lehre angestellt ist. Nach Grossanlässen musste sie jeweils Minusstunden in ihrem Job wettmachen. Dies trug zum Narrativ bei, dass Humm eine Exotin im heutigen Profifussball ist, da dieser Typ Spielerin ausgestorben schien.
Sicher, andere hätten mit ihrer Ausgangslage einen anderen Weg gewählt. Sie hätten mindestens einmal versucht, in einer ausländischen Liga, wo der Frauenfussball einen höheren Stellenwert hat, primär auf die Karte Sport zu setzen. Manchen erschien Humms Verharren im FCZ wie ein Mysterium. Aber für sie stimmte es. Sie sagt: «Ich habe meine Ziele erreicht und glaube nicht, etwas verpasst zu haben.» Sie sei halt ein Mensch, der rasch Heimweh habe. Und der sich in einem Umfeld geborgen fühlen müsse, um an die optimale Leistung heranzukommen. Der Gang ins Ausland wäre für sie ein Risiko gewesen.
Es braucht unzweifelhaft so einiges, bis Humm einen Trend mitmacht. Dazu passt die Geschichte mit dem Tattoo. Humm hatte dieser Modeerscheinung immer ablehnend gegenübergestanden. Bis sie mit drei Kolleginnen in Hamburg war und diese fanden, es wäre schön, sie würden sich alle ein Herzchen stechen lassen, was zusammen ein vierblättriges Kleeblatt ergäbe und ihre Freundschaft symbolisierte. Humm sagte dann, sie könnten drei Studios aufsuchen und wenn ein Tätowierer spontan einen Termin frei habe, sei sie dabei. Aber sie habe innerlich gehofft, dass alle Studios ausgebucht seien. Immerhin sei nun das Tattoo an ihrem Fuss für andere kaum sichtbar.
Und es kann Humm durchaus Eindruck machen, wenn jemand unkonventionell auftritt. Ihr Vorbild ist Zlatan Ibrahimovic, weil er seine Tore oft auf spektakuläre Weise erzielt hat. Humm denkt auch an die deutschen Europameisterinnen Inka Grings und Sonja Fuss, die 2011 zum FCZ stiessen. Diese hätten sie und den ganzen Verein enorm weitergebracht, weil sie mit der Attitüde gekommen seien: «Hey, wir sind geil, wir können die Champions League gewinnen!» Einmal vor einem Testspiel gegen Bayern München hätten sie gesagt: «Die schlagen wir!» Dieses Denken half den FCZ-Frauen, dass Zweifel verschwanden. Wie beim kleinen Drachen, dessen Geschichte Humm im Kindergarten Birr vorlas.
So engagiert, dass Schiedsrichterinnen keine Freude hatten
Der FCZ ist gar zu einem Giganten im nationalen Frauenfussball herangewachsen. Darum kann Humm am heutigen Sonntag ihren elften Meistertitel erringen; der FCZ trifft im Finalspiel der Women’s Super League auf Servette (Anpfiff 15 Uhr 15 in Thun). Seit in dieser Meisterschaft der Play-off-Modus eingeführt wurde, haben die Zürcherinnen in 14 Partien noch keine Niederlage erlitten und beide bisherigen Finals gegen Servette gewonnen. Trotzdem sagt Humm: «Ich mag den Modus nicht. Die Regular Season ist zu stark abgewertet.»
Nach dem Final wird Humm verreisen, es geht auf Safari und an den Strand. Sie habe seit fünf Jahren nie mehr richtig ausspannen können, sagt Humm, weil das Ferienbudget im Job für Fussball draufgegangen sei.
Ob sie als Funktionärin in den Fussball zurückkehrt, weiss sie noch nicht – sehr wohl aber, was sie an diesem Sport vermissen wird: «Die Emotionen! Ich war immer mit Feuer dabei. So engagiert, dass eine Schiedsrichterin zu mir meinte: ‹Du bist so mühsam auf dem Platz!›» Was dabei erstaunt: In den Statistiken ist keine rote Karte zu finden. Womöglich schützte Humm oft die Captainbinde am Arm.
Gibt es weitere Zukunftspläne? Dazu sagt Humm: «Ich würde gerne mal einen Tag am Flughafen bei der Passkontrolle arbeiten!» Wie das zu jemandem passt, der eher Heim- als Fernweh hat? Man kann auch das getrost ihre Sorge sein lassen!
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