Der neue amerikanische Präsident liebt das Wort «Zölle» mehr als das Wort «Liebe». Die EU hat fixfertige Pläne in der Schublade, um gegebenenfalls darauf zu antworten. Noch aber regiert die Vorsicht.
Das Warten hat ein Ende, Donald Trump II ist nun Tatsache. Mit der Inauguration des 78-Jährigen als neuer amerikanischer Präsident beginnt eine Ära, von der niemand vorhersehen kann, was sie bringen wird.
Für die EU war es ein banges Warten. Denn wie eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, ist ihre Bevölkerung Trump gegenüber nicht nur besonders skeptisch eingestellt, sie hat auch viel zu verlieren. Es droht ein neuerlicher Handelskrieg, der den ohnehin schwächelnden Euro-Raum empfindlich treffen würde. Ist angesichts von Trumps Äusserungen zur Nato und seiner unklaren Haltung zum Ukraine-Krieg gar Europas Sicherheit in Gefahr?
Dass der Republikaner den Konflikt auch mit befreundeten Staaten nicht scheut, wenn es den USA angeblich nützt, hat er verschiedentlich unter Beweis gestellt. Auf besondere Rücksichtnahme kann die EU also nicht hoffen – und eiert gegenüber der neuen Administration derzeit gewaltig herum. Alleine aus den vergangenen Wochen gibt es dafür mehrere Beispiele.
Der Umgang mit Musk
Die Äusserungen des Tech-Unternehmers und Trump-Vertrauten Elon Musk haben Europa in den vergangenen Wochen fast noch mehr bewegt als jene des neuen Präsidenten. Waren seine polemischen Kommentare zur deutschen oder britischen Innenpolitik Ausdruck freier Meinungsäusserung oder ein Missbrauch seiner gigantischen Markt- und Publikationsmacht?
Diese Frage hat Brüssel insbesondere in Zusammenhang mit dem Interview, das Musk mit der AfD-Chefin Alice Weidel auf X führte, umgetrieben. Mit dem Gesetz über die digitalen Dienste (DSA) verfügt die EU zumindest in der Theorie über einen Instrumentenkoffer, um gegen falsche und illegale Inhalte auf den Digital-Plattformen vorzugehen. Musk hatte sich in der Vergangenheit empört gegen die DSA ausgesprochen.
Auch darum betonte die Kommission nun auffallend häufig, dass man damit keinesfalls Konversationen wie jene zwischen Musk und Weidel zu «zensurieren» gedenke. Man wolle einzig überprüfen, ob der Algorithmus das Gespräch nicht übermässig weiterverbreitet habe und ob man sich als Nutzer daraus habe ausklinken können.
Bis dieser Sachverhalt dereinst geklärt sein wird, wird das amerikanisch-europäische Verhältnis freilich schon andere Erschütterungen erlebt haben. Auch macht die EU nicht den Anschein, bei den beiden laufenden Untersuchungen gegen X besonders aufs Gaspedal zu drücken. Diese befänden sich weiterhin «auf technischer Ebene», hiess es kürzlich. Kurz: Brüssel will derzeit nicht nur Trump, sondern auch Musk nicht vor den Kopf stossen.
Der drohende Zollkrieg
Wenn für jemanden «Zölle» das «schönste Wort im Lexikon ist, schöner als Liebe», wie Trump sagt, muss man sich auf alles gefasst machen. Bereits in seiner ersten Amtszeit verteuerte er künstlich Stahl und Aluminium aus der EU – und droht dies nunmehr auf weitere Güter auszuweiten. Das Handelsbilanzdefizit, das die USA gegenüber der EU haben, ist Trump offensichtlich ein Dorn im Auge.
Anders als beim ersten Mal ist die Union nun aber gewappnet. Man habe «einige der besten Leute» eingesetzt, um auf alle Eventualitäten von Trump II vorbereitet zu sein, sagte ein Kommissionssprecher am Freitag und fügte an: «Falls nötig, werden wir die legitimen Interessen unserer Unternehmen und Mitgliedsstaaten verteidigen.»
Das 2023 eingeführte «Instrument gegen Zwangsmassnahmen» könnte als Vorlage dienen. Dem Vernehmen nach hat die Kommission, die in der EU für Handelsfragen zuständig ist, bereits eine genaue Liste mit amerikanischen Produkten ausgearbeitet, auf die Gegenzölle eingeführt werden könnten. Doch das soll nur Ultima Ratio sein: Derzeit versucht die EU noch alles, um die USA zu beschwichtigen und die «gute Partnerschaft fortzuführen», wie es offiziell heisst.
Die Grönland-Frage
Trump will Grönland kaufen, wie er kürzlich zum wiederholten Mal bekanntgab – doch die grösste Insel der Welt gehört zu Dänemark, einem EU- und Nato-Mitglied, und ist nicht verkäuflich. Die EU jedoch tut sich schwer damit, Trumps Äusserungen klar zu verurteilen. Die Diplomatie-Chefin Kaja Kallas betonte zwar die Unverletzlichkeit der «Souveränität und territorialen Integrität» Grönlands, sagt aber gleichzeitig, dass es doch gut sei, interessiere sich Trump für die Arktis.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Rats-Chef António Costa brauchten gar zwei volle Tage, um auf Trumps unverhohlene Drohung zu reagieren. Von Kritik keine Spur: «Wir freuen uns auf eine positive Zusammenarbeit mit der neuen amerikanischen Regierung, die auf unseren gemeinsamen Werten und Interessen beruht. In einer rauen Welt sind Europa und die USA gemeinsam stärker», schrieben sie. Als hätte es noch eines Beweises für Europas derzeitigen Eiertanz bedurft, schalteten sie die gemeinsam verfasste Nachricht ausgerechnet auf X auf, Musks Plattform.