Der grösste Profiteur des KI-Booms hält das Tempo hoch. Der Übergang zur nächsten Chip-Generation könnte das Wachstum wegen Produktionsproblemen fortan aber etwas bremsen. An der Börse lösen die Quartalszahlen gemischte Gefühle aus.
Vielleicht ist es nur eine temporäre Flaute, doch die Begeisterung für künstliche Intelligenz hat sich spürbar abgekühlt. Aktien aus dem Halbleitersektor verlieren an Dynamik. Der PHLX Semiconductor Index hat seit dem Allzeithoch von Mitte Juli 17% korrigiert. KI-Wetten wie Broadcom, AMD oder Monolithic Power Systems notieren über die letzten drei Monate im Minus. Investoren gehen selektiver vor.
Mit umso mehr Spannung wurde an den US-Börsen am Mittwoch nach Handelsschluss das Quartalsresultat von Nvidia erwartet. Der Chip-Designer ist der grösste Profiteur des massiven Ausbaus von Rechenkapazitäten für grosse Sprachmodelle wie ChatGPT. Mit einer Marktkapitalisierung von 3,6 Bio. $ hat er inzwischen sogar Apple als wertvollsten Konzern der Welt vom Spitzenplatz verdrängt.
Die Zahlen verdeutlichen, wieso Nvidia gegenwärtig der Superstar im Technologiesektor ist. CEO Jensen Huang stellt für die laufende Berichtsperiode per Ende Januar 2025 erneut starkes Wachstum in Aussicht. Der Umsatz soll sich im Vergleich zum Vorjahr um rund 70% auf 37,5 Mrd. $ verbessern. Wie üblich wurden die Erwartungen von 37,1 Mrd. $ übertroffen.
Für das Wachstum ist praktisch ausschliesslich die Sparte Data Center verantwortlich. Sie umfasst KI-Chips sowie Netzwerk-Equipment für Grossrechner und verdient rund die Hälfte der Einnahmen mit grossen Cloud-Infrastrukturanbietern wie Microsoft, Amazon, Alphabet und Oracle. Im vergangenen Quartal hat der Umsatz des Segments um 112% auf knapp 30,8 Mrd. $ zugenommen. Auch das ist wie gewohnt besser als von Analysten prognostiziert. Der Konsens hatte mit 28,8 Mrd. $ gerechnet.
Dennoch kommt in einer ersten Reaktion auf den Abschluss wenig Begeisterung auf. Der Kurs von Nvidia tendierte gestern Abend nachbörslich 2,5% leichter. Mit 148.88 $ haben die Aktien vor zwei Wochen zwar ein neues Allzeithoch erreicht. Nach der überragenden Performance im ersten Halbjahr, geht es seit Mitte Juni aber unter grossen Schwankungen mehr oder weniger seitwärts.
Blackwell-Chip drückt auf Wachstum und Margen
Wo also liegt das Problem? Nachbörsliche Kursveränderungen sind nicht immer aussagekräftig. Es ist durchaus möglich, dass die Aktien morgen Donnerstag fester aus dem regulären Handel gehen. Andererseits ist ein unmittelbarer Kurssprung aber ausgeblieben. Dies, nachdem bereits der letzte Quartalsabschluss gegen Ende August für Enttäuschung gesorgt hatte.
Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung von Investoren hat mit Blackwell zu tun, Nvidias KI-Chip der nächsten Generation. Das Management hatte im früheren Verlauf des Jahres angekündigt, dass er bereits im vierten Quartal bedeutende Einnahmen einbringen soll. Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass die Massenfertigung komplizierter ist als angenommen.
Wegen eines Designfehlers kam es zu Verzögerungen. Konzernchef Huang versicherte, dass es diesbezüglich nun Fortschritte mit Partnern wie der taiwanischen Chipschmide TSMC gebe. «Die Blackwell-Produktion ist in vollem Gang», sagt er während der Resultatbesprechung. «Wir werden in diesem Quartal mehr Blackwell-Chips ausliefern, als wir zuvor geschätzt hatten», fügte er hinzu.
Etwas enttäuschend ist daher, dass die Prognose nicht höher angesetzt wird. Der Umsatzausblick für das laufende Quartal impliziert nur einen sequenziellen Zuwachs von 7% und liegt bloss 400 Mio. $ oder gut 1% über der bisherigen Konsensschätzung der Analysten. Das mutet ziemlich konservativ an, zumal Nvidia die Erwartungen seit Beginn des KI-Booms Mal für Mal pulverisiert hatte. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Kunden vorerst abwarten und im Hinblick auf Blackwell weniger KI-Chips der vorherigen Generation kaufen.
Das Management blieb zu diesem Punkt vage. Hinzu kommen Fragen zur Ertragskraft. Die Nachfrage nach Nvidias neuen Prozessoren ist offensichtlich immens. Gemäss Finanzchefin Colette Kress werde das Angebot für «mehrere Quartale» nicht nachkommen. Doch bis die Produktion auf vollen Touren läuft, geht der Konzern in der Übergangsphase von einer geringeren Profitabilität aus.
Konkret soll die Bruttomarge nächstes Jahr temporär in den niedrigen 70%-Bereich sinken. Schon im dritten Quartal nahm sie im Vergleich zur vorangegangenen Berichtsperiode von 75,1 auf 74,6% ab. Im laufenden Quartal sollen 73% resultieren, womit Nvidia allerdings nach wie vor deutlich rentabler arbeitet als andere Halbleiterhersteller im S&P 500 und als der Sektor generell, inklusive Equipment-Hersteller.
Erwartungen an der Börse bleiben hoch
Das alles sind freilich nur Luxusprobleme. Auch wenn sich das Wachstumstempo angesichts der anspruchsvollen Vergleichsbasis weiter verlangsamen wird, bleibt Nvidia auf der Überholspur. Der Gewinn für die Berichtsperiode hat sich mit 19,3 Mrd. $ mehr als verdoppelt, während Konkurrent Intel ums Überleben kämpft. Anfang November hat Nvidia den vormaligen Branchenleader denn auch im Dow Jones abgelöst.
Die Rochade im Blue-Chip-Barometer zeigt aber ebenso, wie hoch die Erwartungen angesetzt sind. Auf Basis der Analystenschätzungen für die nächsten zwölf Monate handeln die Aktien zum Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 42, wogegen für den breiten Gesamtmarkt 22,7 gezahlt wird. Das Verhältnis von Unternehmenswert zum erwarteten Umsatz beläuft sich auf knapp 23, was selbst für rasch wachsende Softwareunternehmen ausgesprochen teuer ist.
Trotz Nvidias hervorragender Verfassung muss auf diesem stolzen Bewertungsniveau für weitere nennenswerte Kursavancen alles richtig laufen. Das Unternehmen geht davon aus, dass Blackwell im April die Verkaufszahlen der älteren Chip-Generation erstmals übertreffen wird. Mehr Klarheit dazu werden Investoren erst beim nächsten Abschluss gegen Ende Februar 2025 erhalten. Es würde deshalb nicht überraschen, wenn es den Aktien auch in den kommenden Monaten an Schwung fehlt.