Die Vorinstanz hatte die Anträge von zwei erfahrenen Stadtpolizisten auf Prozessentschädigung noch abgewiesen, da sie juristischen Beistand nicht nötig hätten.
Ein heute 39-jähriger Sozialpädagoge gilt als Führungsfigur des linksextremen Revolutionären Aufbaus. Er wurde im September 2023 vom Bezirksgericht Zürich verurteilt, weil er am Rande einer friedlichen «Black Lives Matter»-Demonstration den einzigen schwarzen Polizisten, der an diesem Tag im Einsatz war, angegriffen hatte.
Mit einer Fahnenstange soll er den Polizisten bei der Demo im Juni 2020 auf den Kopf geschlagen haben, mit voller Wucht. Zuvor soll er schon auf den Einsatzleiter losgegangen sein, diesen an eine Wand gedrückt, ihm seinen Ellenbogen in den Bauch gerammt, «Scheissbulle» und «Verpiss dich» gerufen haben.
Der Sozialpädagoge wurde von den Bezirksrichtern wegen mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte und versuchter einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten und einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 80 Franken verurteilt, bei einer Probezeit von 4 Jahren. Er musste zudem einem Polizisten eine Genugtuung von 300 Franken bezahlen.
Polizisten seien «keine durchschnittlichen Bürger»
Das Bezirksgericht Zürich sprach den Linksaktivisten im September 2023 zudem von den Vorwürfen des Landfriedensbruchs sowie der Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung frei. Die Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen das Vermummungsverbot und der Teilnahme an einer unbewilligten Kundgebung wurden mit dem Urteil eingestellt.
Trotz Schuldspruch wurden die Anträge von zwei Zürcher Stadtpolizisten auf Prozessentschädigung für die Deckung ihrer Anwaltskosten vom Bezirksgericht Zürich abgewiesen. Der eine Beamte hatte 5092 Franken beantragt, der andere 6793 Franken.
Das Bezirksgericht begründete die Ablehnung damit, dass der Fall «in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht keine übermässigen Schwierigkeiten» für die Polizisten geboten habe, die es rechtfertigen würden, eine Rechtsvertretung beizuziehen.
Die juristischen Fragen, die sich den Privatklägern gestellt hätten, seien nicht von besonderer Komplexität, so damals das Bezirksgericht. Zudem sei festzuhalten, dass es sich bei den Privatklägern «nicht um durchschnittliche Bürger» handle, sondern um zwei erfahrene Polizeibeamte der Stadt Zürich. Ihnen dürfte durchaus bekannt gewesen sein, wie ihre Rechte und Pflichten aussehen und wie sie allfällige Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen anmelden könnten, argumentierten die Bezirksrichter.
Die beiden Polizisten erhoben Berufung gegen das Urteil und beantragten vor Obergericht erneut die Zusprechung der Parteientschädigungen. Der Beschuldigte selber reichte zunächst zwar auch eine Berufung ein, zog diese dann aber wieder zurück. Das Berufungsverfahren wurde schriftlich ohne Gerichtsverhandlung durchgeführt. Das Obergericht hat sein Urteil nun veröffentlicht.
Beizug von Anwälten «gerechtfertigt und notwendig»
Die II. Strafkammer des Obergerichts erachtet unter Berücksichtigung aller Umstände den Beizug von Anwälten für die Wahrung der Interessen der Privatkläger als gerechtfertigt und notwendig. In der Begründung heisst es unter anderem, nur weil es sich bei den Privatklägern um Polizisten handle, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie über Erfahrung in Strafverfahren verfügten.
Die Polizisten hatten unter anderem ausgeführt, zwar seit Jahren bei der Stadtpolizei Zürich angestellt zu sein, aber auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr und nicht als Strafverfolger zu arbeiten. Zudem seien sie in diesem Verfahren als Opfer involviert und als solche ebenfalls unerfahren. Dass er als Polizist in seinem Berufsalltag angegriffen werde, treffe ihn besonders hart, argumentierte ein Polizist, weshalb er auch aus diesem Grund auf den Beizug eines Rechtsvertreters angewiesen gewesen sei.
Das Obergericht hält in seinem Entscheid fest, mit der Argumentation des Bezirksgerichts dürfte ja auch bei einem Juristen als Geschädigtem nie die Notwendigkeit eines Rechtsbeistands bejaht werden. Vielmehr sei auch den Privatklägern nicht ohne weiteres zuzumuten, «allfällige wesentliche den Schuldpunkt betreffende Ergänzungsfragen, welche präjudiziellen Charakter haben könnten, antizipieren und stellen zu können» oder hilfreiche Beweisanträge einzubringen.
Der Linksaktivist wurde deshalb verpflichtet, den Privatklägern die Prozessentschädigungen von insgesamt 11 885 Franken zu bezahlen. Zusätzlich muss er ihnen auch für das Berufungsverfahren Prozessentschädigungen von je 2200 Franken bezahlen und die zweitinstanzlichen Gerichtskosten von 1500 Franken übernehmen.
Urteil SB240037 vom 7. 10. 2024, noch nicht rechtskräftig.