John Lennons weisser Mercedes, den er 1970 erwarb, steht zum Verkauf. Es erstaunt immer wieder, wie gern die renitenten Rockstars mit ihren Limousinen herumfuhren. Oder sich fahren liessen.
Als die Fans auf seine Limousine eindroschen, die er in psychedelischen Farben hatte anmalen lassen, und der Chauffeur aussteigen und sie zurechtweisen wollte, sagte der langhaarige Besitzer, der hinten sass: «Lass sie doch machen. Immerhin haben sie dafür bezahlt.» So eine Begründung konnte nur einem wie John Lennon einfallen. Selbst als Multimillionär hatte er sich die Renitenz erhalten.
Und er hatte recht: Er verdankte den Fans eine Menge. Als die Beatles ihre ersten Erfolge feierten und den Fragebogen eines Musikmagazins ausfüllten, nannte Lennon als seinen grössten Wunsch: «To be rich and famous», reich zu sein und berühmt. Keiner der vier Musiker konnte ahnen, in welchem Ausmass dieser Wunsch in Erfüllung gehen sollte. Oder dass er sich als Fluch erweisen würde.
Die Beatles wurden so berühmt, dass sie zu Gefangenen in ihren Hotels wurden, von hysterischen Fans belagert, verfolgt und heimgesucht. Und der Reichtum schien sie auch nicht froh zu machen, zumindest nicht Lennon, der seine Tage schwer bekifft in einer riesigen Villa aus dem 18. Jahrhundert verdämmerte. Sie stand im Bankiergürtel, der sich um London herum gebildet hatte.
Genau genommen würde der Reichtum Lennon sogar das Leben kosten. Mark Chapman, ein psychisch gestörter Fan, las in der Zeitschrift «Esquire» die Recherche eines Wirtschaftsjournalisten, in der es hiess, dass John und seine Frau Yoko ihr Vermögen in Immobilien und Rinderherden investierten. Das machte Lennon zum Verräter. Chapman beschloss, sein Idol umzubringen. Das gelang ihm am 8. Dezember 1980 vor dem Dakota-Gebäude am Central Park. Lennon mit seinem perversen Humor wäre das aufgefallen: dass er, der selbst deklarierte Arbeiterheld, von einem dicklichen Verlierer erschossen wurde.
Der reiche Star als Verräter
Nun steht eines von Lennons Luxusautos bei einem Gebrauchtwarenhändler zum Verkauf. Es ist nicht der psychedelische Rolls-Royce Phantom V. Sondern der Mercedes Pullman 600, den er 1970 erworben hatte. Dieser ist über 6 Meter lang, mit abgetrennt sitzendem Chauffeur vorne. Preis auf Anfrage. Sicher werden für das Stück mehrere Millionen geboten werden.
John Lennon liess das Auto mit Radio, Kassettengerät, Plattenspieler und mehreren Lautsprechern ausstatten, das hatte damals fast keiner. Dennoch behielt er den Wagen nicht lange. Er verkaufte ihn an den Beatles-Gitarristen George Harrison weiter, der selber nicht frei von Widersprüchen war: George liebte das Gärtnern und schnelle Autos, die transzendentale Meditation und das Kokain. Einen Mercedes Pullman besassen übrigens auch der Papst, der Schah von Persien und Elvis Presley. Der stand sonst auf Cadillacs.
John Lennon war ein notorisch schlechter Fahrer, zumal er meist unter Drogen stand. So fuhr er seinen Austin Maxi in Schottland in den Strassengraben, wobei sich Yoko erheblich verletzte. Nachdem das Paar 1971 nach New York umgezogen war, nahm Lennon meistens das Taxi. «Yeah, it’s me, just drive», sagte er den Fahrern jeweils: Ich bin’s, fahr einfach.
Dass ihn das Limousinen-Fahren nicht wirklich interessierte, weil ihm Statussymbole wenig bedeuteten, ist untypisch für seine Branche. Selbst Janis Joplin, die drogensüchtige Hippie-Frau, sang auf einem ihrer letzten Stücke einen A-cappella-Song mit dem Titel «Mercedes Benz», in dem es heisst: «Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?» – was einiges über ihre Selbstironie aussagt. Dabei fuhr sie selber Porsche. Noch bevor die Platte herauskam, starb Joplin an einer Überdosis Heroin.
Aston Martin, Cadillac, T-Ford
Die meisten Rockstars kommen aus der Arbeiterklasse, während ihre Manager von vermögenden Familien abstammen. Das jedenfalls schreibt Simon Napier-Bell, der unter anderem die Gruppen Yardbirds und Wham! gemanagt hatte, in seiner brillanten Pop-Industrie-Geschichte «Black Vinyl, White Powder». Der Aufsteigerehrgeiz der Stars mag erklären, warum die Limousinen ihnen so viel bedeuten. Diese waren ein Beleg dafür, dass sie es geschafft hatten. Sie zeigen ihre Autos auch gerne vor und lassen sich davor fotografieren. Zum Beispiel Keith Richards. Richards fuhr einen Bentley, den er «Blue Lena» nannte, als Hommage an die Jazzsängerin Lena Horne. Seine Jacht hatte er «Mandrax» getauft, nach dem beliebten Betäubungsmittel.
Mick Jagger fuhr seinen Aston Martin, Bruce Springsteen mochte Corvettes. Pete Townshend besass einen riesigen Mercedes. Jeff Beck stand auf Sportwagen, die ihm nicht schnell genug sein konnten. Miles Davis machte aus seinem Lamborghini in einer zu steil genommenen Kurve Kubismus. John Bonham von Led Zeppelin pimpte einen T-Ford von 1923 auf, den er von den USA in seine englische Heimat fliegen liess. Eric Clapton sammelt Ferraris. Elton John besitzt einen Wagenpark. Und so weiter.
Unter Kokain auf Einkaufstour
Viele Rockstars vereinsamen gerade wegen ihres Erfolgs inmitten von Opportunisten. Sie gleiten in eine unweigerliche Kombination von Süchten ab, werden von teuren Scheidungen heimgesucht oder von schweren Depressionen. Das hat Elton John in seiner ebenso ehrlichen wie humorvollen und auch verzweifelten Autobiografie detailliert beschrieben. Sie handelt von seinem unvorstellbaren Reichtum, seiner Kauf-, Kokain-, Sex- und Alkoholsucht und den stets unglücklich verlaufenden Liebschaften mit jungen Männern, in die er sich sofort verliebte und die ihn sofort ausnutzten.
Elton John hat uns auch nützliche Hinweise anzubieten. So rät er davon ab, nach einem dreitägigen Kokainrausch auf eine Einkaufsblitztour zu gehen. Sonst könne es passieren, schreibt er, dass ein Telefonanruf einen am Morgen wecke mit dem höflichen Hinweis, das von einem gekaufte australische Tram werde gerade von Melbourne nach London verschifft und von dort mit zwei Chinook-Helikoptern in den heimischen Garten geflogen.
Kein Rockstar trieb es mit der Zerstörung von Hotelsuiten, Limousinen und sich selber weiter und wilder und war dabei konsequenter als Keith Moon. Der brillante Schlagzeuger der Who, ein schwer bipolarer, unglaublich witziger und liebenswerter Mann, kannte kein Mass. Als der damals 32-Jährige in London an einer Überdosis starb, titelte das Musikmagazin «Melody Maker» auf der Frontseite: «Es stimmt nicht, dass Keith Moon einen Rolls-Royce in den Swimmingpool gefahren hat. Es war ein Lincoln Continental.»