Das Konkubinat erlebt in der Schweiz einen Boom – nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen. Haben nicht verheiratete Paare aber Kinder, drohen Vorsorgelücken und andere Risiken.
Die «Ehe ohne Trauschein» liegt im Trend. Jedes fünfte Paar mit Kindern unter fünf Jahren in der Schweiz ist mittlerweile unverheiratet, im Jahr 2010 war es erst jedes zehnte. Im Jahr 2022 wurden 30 Prozent der Kinder in der Schweiz von einer unverheirateten Mutter geboren, wie Daten des Bundesamts für Statistik zeigen.
Oft Vorteile bei den Steuern im Konkubinat
Viele Paare heirateten aus steuerlichen Gründen nicht, sagt Reto Spring, Präsident des Finanzplaner-Verbands Schweiz. Verdienten beide Partner gut, sei die Ehe im Allgemeinen ein steuerlicher Nachteil. «In 80 Prozent der Fälle zahlen Doppelverdiener als verheiratetes Paar höhere Steuern als als Konkubinatspaar.»
Weitere Anreize für Paare, nicht zu heiraten, können sein, dass der Anspruch auf eine Witwenrente ungültig wird, wenn man wieder heiratet. Auch die AHV-Renten unverheirateter Paare sind zusammengezählt nach der Pensionierung höher als die von verheirateten Paaren.
Viele Konkubinatspaare sind sich aber nicht bewusst, dass sie Risiken in Bezug auf die Altersvorsorge eingehen. Vor allem unverheiratete Mütter wüssten oft nicht, welche Gefahren im Falle einer Trennung oder des Todes des Partners für sie bestünden, heisst es in einer neuen Studie des Versicherers Swiss Life. Folgende Risiken und Nachteile sind zu beachten.
Schlechtere Absicherung im Konkubinat gegenüber der Ehe
Zunächst einmal erhalten hinterbliebene unverheiratete Partnerinnen und Partner aus der AHV keine Witwenrente und keinen Verwitwetenzuschlag, wie die Studie ausführt. Auch in der beruflichen Vorsorge sind Konkubinatspartner-Renten für Hinterbliebene eigentlich nicht vorgesehen – viele Pensionskassen bieten dies aber an, wenn man sich schriftlich dafür anmeldet.
Wird eine Ehe geschieden, kommt es in der AHV zu einem Splitting und bei der Pensionskasse zu einem Vorsorgeausgleich. Bei nicht verheirateten Paaren greift dies indessen nicht. Hat also ein Partner sein Arbeitspensum wegen der Kinder stark reduziert, droht hier eine grosse Vorsorgelücke.
Arbeiten in Teilzeit schafft Lücken in der Vorsorge
Er sehe in der Praxis immer wieder, dass viele Frauen nach der Geburt eines Kindes ihren Mutterschaftsurlaub verlängerten und ihr Pensum bei der Arbeit stark reduzierten, sagt Spring. Wer aber in einem geringen Pensum arbeite, habe zumeist Lücken in der Vorsorge. Laut der genannten Studie arbeiteten beispielsweise in der Bevölkerungsgruppe der 25- bis 44-Jährigen mit Kindern im Haushalt Männer im Jahr 2022 in einem Durchschnittspensum von 90 Prozent, während dieses bei den Frauen nur 48 Prozent betrug. Dies hat eine Online-Befragung von mehr als 4000 Personen in der Schweiz im März dieses Jahres ergeben.
Die Vorsorgelücke bei Teilzeitbeschäftigten kommt von deren geringerer Entlöhnung, aber vor allem auch daher, dass ihnen oftmals Karrieremöglichkeiten entgehen. «Sie bleiben beruflich stecken, haben oftmals eine Zeitlang keine Ambitionen auf höhere Positionen und werden vom Arbeitgeber auch nicht gefördert», sagt der Finanzplaner. «Sobald ein Kind da ist, ist die Lohngleichheit in der Partnerschaft nicht mehr gewährleistet.»
Geringere Renten von Frauen
Laut der Studie haben Frauen heute rund 30 Prozent geringere Renten als Männer. Laut dem Studienleiter Andreas Christen stellt diese Zahl allerdings ein «Echo aus der Vergangenheit» dar, da sie auf früheren Erwerbsbiografien beruhe. Zwischen 1996 und 2022 habe sich die durchschnittliche Geschlechterdifferenz beim Erwerbspensum von rund 40 auf 24 Prozentpunkte verringert.
Zwar sei mit einer weiteren Reduktion des Unterschieds zu rechnen, verschwinden dürfte er aber auf absehbare Zeit nicht. So zeigt die Studie, dass kinderlose junge Frauen mit Kinderwunsch häufiger davon ausgehen, dass sie ihr Erwerbspensum reduzieren werden, als kinderlose Männer, die gerne Nachwuchs haben möchten.
Gemäss der in der vergangenen Woche publizierten Neurentenstatistik des Bundes zeigen sich bei den Renten aus der beruflichen Vorsorge deutliche Geschlechterunterschiede. Dies verdeutlicht eine Auswertung der Renten von Personen, die ihr Geld aus der Pensionskasse ausschliesslich als Rente bezogen haben. Bei den Frauen lag der Medianbetrag bei 1260 Franken pro Monat, bei den Männern waren es 2205 Franken. Der Medianwert bedeutet, dass 50 Prozent der ausbezahlten Renten höher waren und 50 Prozent niedriger.
Geringere Erwerbseinkommen führen indessen nicht nur zu geringeren Renten in der beruflichen Vorsorge, sondern auch zu einer geringeren Vermögensbildung in der dritten Säule.
Kinder sind teuer – besonders in der Schweiz
Hinzu kommt, dass sich Paare – ob verheiratet oder nicht – beim Entscheid für Kinder bewusst sein sollten, dass dieser Einbussen sowohl bei der Karriere als auch beim Wohlstand bringen könne, sagt Spring.
Die Vorsorgespezialistinnen der Grossbank UBS kommen in einer konservativen Berechnung der Kosten für zwei Kinder für ein Medianpaar in der Schweiz zu dem Ergebnis, dass ein solches Paar beim Erreichen des Rentenalters rund 1 Million Franken weniger Geld hat, als wenn es keine Kinder gehabt hätte. Natürlich gibt es Unterschiede je nach Paar. Verkürzt lässt sich sagen, dass Eltern mit höheren Einkommen im Allgemeinen höhere Kosten für die Kinder haben. Dies liegt an höheren Zahlungen für Fremdbetreuung, geringeren staatlichen Leistungen sowie daran, dass die Kinder oft längere Ausbildungszeiten haben.
Wie Statistiken zeigen, sind in der Schweiz Rollenbilder weiterhin sehr lebendig – zumindest was die Aufteilung der Erwerbstätigkeit betrifft. In einer Umfrage von Swiss Life gaben die Befragten im Durchschnitt an, dass ihrer Meinung nach für Mütter von kleinen Kindern ein Pensum von 50 Prozent ideal ist, für Väter in derselben Situation ist es hingegen ein Pensum von 80 Prozent. Diese Geschlechterdifferenz sei mit 30 Prozentpunkten aber sogar geringer als die 45 Prozentpunkte, die derzeit Realität sind.
Konkubinatsvertrag, höhere Pensen – oder doch die Ehe?
Dabei spielen allerdings auch Sachzwänge eine Rolle. Könnten Väter und Mütter frei wählen, würde sich dieser Unterschied mehr als halbieren. Es stellt sich also die Frage, was Paare tun können, um die Lasten fair zu verteilen und Vorsorgelücken zu vermeiden.
Konkubinatsvertrag abschliessen: «Bei vielen Konkubinatspaaren fehlt es an vertraglichen Abmachungen», sagt Spring. Es sei nicht davon auszugehen, dass Trennungen bei Konkubinatspaaren seltener seien als bei Ehepaaren. Deshalb gelte es, Beziehungen vom Ende her zu denken und das Konkubinat vertraglich zu regeln.
Das grösste Armutsrisiko in der Schweiz sieht Spring bei alleinerziehenden Frauen. Folglich müssten diese einen Konkubinatsvertrag einfordern. In manchen Konkubinatspaaren übernehme der Vollzeit arbeitende Mann möglicherweise einen grösseren Anteil an der Miete oder den Lebenshaltungskosten. Die Vorsorge sei dann aber immer noch nicht geregelt. «Bei einer Trennung stehen solche Frauen oft nicht gut da.»
Einzahlungen in die dritte Säule: Laut der Swiss-Life-Studie können der fehlende Vorsorgeausgleich sowie das fehlende AHV-Splitting bei einer Trennung eines Konkubinatspaars zumindest zum Teil mit Drittmitteln kompensiert werden, beispielsweise in der Säule 3a oder mit freiem Vermögen, das später für Einkäufe in die Pensionskasse verwendet wird.
In höheren Pensen arbeiten: Er empfehle Frauen, zumindest in einem 70-Prozent-Pensum zu arbeiten, sagt der Finanzplaner Spring. Zudem sollten sie bei der Betreuung der Kinder einen Beitrag von ihrem Partner einfordern.
Laut der Studie arbeiten Mütter in Konkubinatspaaren mehr als verheiratete Mütter. Erstere haben ein berufliches Durchschnittspensum von 58 Prozent, während Letztere im Schnitt nur ein Pensum von 45 Prozent absolvieren. Allerdings reicht auch das nicht aus, um Lücken in der Vorsorge zu vermeiden. Dies zeigt sich auch beim Vergleich mit den unverheirateten Vätern: Diese kommen auf ein Durchschnittspensum von 90 Prozent.
Doch noch heiraten: Um sich gegenseitig abzusichern, könnte für viele Konkubinatspaare mit Kindern am Ende die Ehe doch die Lösung sein. In der Praxis sehe er viele Konkubinatspaare, die sich aufgrund der Komplexität und auch der Kosten für Beratungen letztlich dazu entschieden, doch zu heiraten, sagt Spring – auch wenn sie dies ursprünglich gar nicht gewollt hätten.