Algen enthalten die lebenswichtigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA. Für Vegetarier, Umweltbewusste oder die Kinder unserer Kolumnistin könnten sie deshalb eine Alternative zu Fisch sein. Doch mit der einen oder anderen Rolle Sushi Nori ist es nicht getan.
Manchmal frage ich mich, warum meine Kinder so gesund sind. Sie ernähren sich seit ihrem vierten Lebensjahr vegetarisch, essen aber nur wenig Gemüse. In Absprache mit der Kinderärztin nehmen sie Eisentabletten, wenn die Eisenwerte zu tief sind. Im Übrigen solle ich mir nicht zu viele Sorgen machen, sagt die Ärztin.
Trotzdem mache ich mir Gedanken, zumindest gelegentlich. Gegenwärtig drehen sie sich um Omega-3-Fettsäuren. Zu diesen gehören die Alpha-Linolensäure – enthalten in Nüssen und pflanzlichen Ölen – sowie die Eicosapentaensäure (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA). Sie sind wichtig für die Hirnfunktion und das Herz-Kreislauf-System – und sie müssen als sogenannte essenzielle Fettsäuren mit der Nahrung aufgenommen werden.
Für eine gesunde Ernährung werden täglich 250 Milligramm EPA und DHA empfohlen. Das erreicht man, wenn man ein- bis zweimal pro Woche fettigen Fisch isst. Angesichts überfischter Meere und ökologisch problematischer Aquakultur ist das aber nur bedingt empfehlenswert. In kleinen Mengen sind EPA und DHA auch in Ei und Bergkäse enthalten. Aber das essen meine Kinder ebenso wie Fisch nicht oder nur in Mikrodosen.
Letzten Sommer schien sich das Problem zumindest für meine jüngere Tochter dann wie von selbst zu lösen: Sie entwickelte überraschend eine Vorliebe für gewürzte, getrocknete Rotalgen. Regelmässig streute sie Algenschnipsel über ihren Salat. Weil diese neben dem in vegetarischer Kost ebenfalls raren Vitamin B12 auch Omega-3-Fettsäuren enthalten, hoffte ich, damit gleich zwei Probleme auf einmal zu lösen. Aber leider währte die Begeisterung meiner Tochter nicht lange.
Wie viel EPA steckt in einem Blatt Sushi-Algen?
Immerhin essen beide Kinder Algen auch in Form von vegetarischen Sushi. Ich frage mich also, wie viel man davon essen müsste, um die empfohlene Menge EPA und DHA zu erreichen. Doch dafür müsste ich erst mal wissen, wie viel davon in käuflichen Algenprodukten enthalten ist – und das erweist sich als vertrackte Recherche.
Denn der Gehalt dieser Fettsäuren schwankt in Algen beträchtlich in Abhängigkeit von Temperatur, Jahreszeit und anderen Umweltbedingungen. In Nährwerttabellen finde ich keine klaren Angaben dazu. Als grober Schätzwert dürfte ein Blatt Nori von 2,5 Gramm rund 14 Milligramm EPA enthalten. Meine Kinder müssten also täglich ungefähr je 18 Rollen Sushi verspeisen. Dank gelegentlichem Konsum von Eiern und Bergkäse vielleicht auch etwas weniger. Aber das Szenario bleibt unrealistisch.
Ich kaufe deshalb ein teures Nahrungsergänzungsmittel mit DHA und EPA aus Mikroalgen. Von der Einnahme konnte ich die Kinder allerdings (noch) nicht überzeugen. Deshalb schlucke ich die Kapseln jetzt selbst und frage mich, wie sich ein Mangel bei den Kindern bemerkbar machen würde. Sie sind fast nie krank, haben keine Herz-Kreislauf-Probleme, und auch ihre Gehirne scheinen gut zu funktionieren.
Nur wenige Studien untersuchen Omega-3-Mangel bei Kindern
In der wissenschaftlichen Literatur sind Omega-3-Mängel bei vegetarisch essenden jungen Menschen kaum ein Thema. Lediglich zu einem vermuteten Zusammenhang zwischen Omega-3 und ADHS gibt es einige Publikationen. Niedrige Werte dieser Fettsäuren korrelieren demnach mit der Aufmerksamkeitsstörung. Müssten Betroffene also einfach mehr Algen und Fisch essen, und das Problem wäre gelöst? So einfach ist es leider nicht. Eine Meta-Analyse zeigt, dass eine Nahrungsergänzung mit diesen Fettsäuren bei ADHS kaum Nutzen bringt.
Ich bleibe ein bisschen ratlos und hoffe auf wachsende Toleranz meiner Kinder für gesundes Essen. Bis dahin tröste ich mich mit der entspannten Haltung meiner Kinderärztin und freue mich über die gute Gesundheit meiner Kinder.
Bereits erschienene Texte unserer Kolumne «Hauptsache, gesund» finden Sie hier.