Im Nonstop-Rennen rund um die Welt kam es bereits bei zwei Maxi-Trimaranen zu Kollisionen – womit, ist in den seltensten Fällen feststellbar. Dass oft Wale betroffen sind, ist bekannt, wird aber meist verschwiegen.
Eigentlich war Tom Laperche mit dem bisherigen Rennverlauf zufrieden. In der erstmals durchgeführten Nonstop-Regatta rund um die Welt für Maxi-Trimarane von dreissig Metern Länge (Ultim Challenge) lag er zeitweise in Führung. Auch in der fatalen Nacht der Kollision sei er mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 Knoten (etwa 65 km/h) gut unterwegs gewesen, berichtete der Franzose später. «Am Ende der Nacht gab es dann plötzlich einen gewaltigen Knall und einen heftigen Aufprall», so Laperche.
Treibgut hatte das Schwert getroffen und die Unterseite des Hauptrumpfes aufgerissen. Im Bruchteil einer Sekunde sei dann Wasser in die zentrale Sektion eingedrungen. Laperche stellte fest, dass der Trimaran noch beherrschbar war. Doch beim Reparaturstopp in Kapstadt mussten er und sein Team einsehen, dass das Rennen für ihn zu Ende war.
Knapp eine Woche später traf es den zweiten von sechs Skippern: Anthony Marchand musste ebenfalls Kapstadt anlaufen, nachdem eines seiner Foils bei einer Kollision beschädigt worden war. Solche Zusammenstösse sind heute für Offshore-Segler die grösste Gefahr bei ihrer Hatz über die Weltmeere. Die Unglücksmeldungen werden von ihnen und ihren Rennställen jeweils in ähnlichem Wortlaut kommuniziert: Kollision mit einem «Ofni», einem «objet flottant non-identifié», einem unidentifizierten schwimmenden Objekt.
Tatsächlich können die meisten Skipper nicht feststellen, was sie in voller Fahrt gerammt haben – Baumstämme, Container, Bojen, Wrackteile. Kollisionen verlaufen schnell, und die schwimmenden Gegenstände sind oft kaum an der Oberfläche zu sehen. Schon gar nicht in der Nacht.
In den Weltmeeren sind aber auch deren Bewohner unterwegs, darunter mit den Walen die grössten Säugetiere der Welt. Und so kommt es immer wieder vor, dass Rennjachten mit diesen gewaltigen Tieren zusammenstossen. Das weiss man in der Rennszene seit Jahrzehnten, doch es wird verschwiegen, es herrscht eine eigentliche Omertà. Durchbrochen wird dieses Stillschweigen fast nie, nur wenige Skipper räumen nach einer Kollision die Möglichkeit ein, mit einem Meerestier zusammengestossen zu sein.
«Leider treffen wir einige von ihnen»
Anlässlich der letzten Vendée Globe sah sich der Renndirektor Jacques Caraës nach einer Anzahl von Kollisionen genötigt, von einem «ernsthaften Problem» zu sprechen. «Man muss zugeben, dass es sich bei vielen Fällen um Zusammenstösse mit Walen handelt», sagte der Franzose vor gut drei Jahren. «Wir sind bei ihnen auf der Durchreise – und leider treffen wir einige.»
Nach den beiden Kollisionen in der Ultim Challenge meldete sich der französische Zweig der NGO Sea Shepherd zu Wort und stellte die Frage: «Haben die Boote Wale gerammt?» Es sei ein offenes Geheimnis, dass in Rennen bei Kollisionen mit «Ofnis» mehrheitlich Wale beteiligt seien. Ohne den Beweis anzutreten, meinte die Meeresschutzorganisation, dass während der letzten Route du Rhum 2022 «30 Meerestiere, Wale oder andere Tiere, getötet wurden». Sea Shepherd prangert die mangelnde Transparenz der Teams in dieser Frage an.
In der Tat sind bis anhin lediglich zwei Offshore-Segler namentlich bekannt, die offen zugegeben haben, mit einem Walfisch kollidiert zu sein. Der Katalane Didac Costa meldete seinerzeit den Zusammenstoss südwestlich von Kapstadt an der Eisgrenzzone. Über die sozialen Netzwerke gab sein Team bekannt, der Segler habe kein Blut gesehen; der Wal sei weggeschwommen und habe normal geatmet. «Wir hoffen, dass es ihm gut geht und dass er sich vom Schock erholt hat», so damals die Teamleitung.
Bei der vorletzten Vendée Globe vor sieben Jahren verlor der Franzose Kito de Pavant nach einer Kollision mit einem Pottwal den Kiel, er musste sein Boot aufgeben und wurde von einem französischen Forschungsschiff gerettet. Erst nach dem Studium der Bordaufnahmen konnte die Ursache des Zusammenstosses eruiert werden. Der Pottwal ist kurz im Kielwasser zu sehen.
Neue technische Hilfsmittel sollen Kollisionen verhindern
Für die Skipper und die Organisatoren der Hochseeregatten steht die «Ofni»-Problematik heute an erster Stelle. Den Kollisionsgefahren wird mit technischen Mitteln begegnet. Mithilfe von Wärmebild- und optischen Kameras sollen frühzeitig schwimmende Objekte erkannt werden, die den konventionellen Systemen wie Radar oder AIS (Automatic Identification System) entgehen. So sollen schon in einem grösseren Abstand Container, Baumstämme und andere Hindernisse erkannt werden.
Doch diese Einrichtungen sind teuer und für die Segler noch nicht obligatorisch. Und sie sind anfällig für Fehler. Bei den Maxi-Trimaranen kommt noch die hohe Geschwindigkeit dazu, die keine langen Reaktionszeiten zulässt. Die Organisatoren ihrerseits verbieten den Skippern, Walschutzgebiete zu befahren. Bei der derzeitigen Ultim Challenge hat man eine solche Zone beispielsweise bei den Kerguelen-Inseln ausgeschieden.
In Zusammenhang mit der möglichen Tötung oder Verletzung von Meerestieren durch Rennjachten weisen Meeresforscher darauf hin, dass durch die internationale Seeschifffahrt und den Fährbetrieb von Schnellbooten jährlich Tausende von Walfischen ihr Leben verlieren. Diese Problematik sei wenig bekannt und werde verschwiegen. Auch hier herrsche Stillschweigen, eine Omertà.