Imran Khans Ausschluss von den Wahlen und die Zerschlagung seiner Partei nähren den Verdacht, dass hinter die Kulissen das Militär die Fäden zieht. Die Bürger sind dieses Machtspiels überdrüssig.
Die Wahlen in Pakistan von dieser Woche sind keine Sternstunde der Demokratie. Noch vor Öffnung der Wahllokale am Donnerstag liess die Regierung das mobile Internet- und Telefonnetz im Land abstellen. Begründet wurde dies mit der Gefahr von Terrorangriffen, nachdem am Vortag 30 Personen bei Anschlägen auf zwei Wahlbüros getötet worden waren. Von allen Seiten hagelte es sofort Vorwürfe, das mächtige Militär wolle mit der Abschaltung des Internets kritische Berichte verhindern und eine Manipulation der Abstimmung vertuschen.
Ohne das Telefonnetz funktionierten auch die SMS-Dienste nicht, über die sich die Wähler über den Ort ihres Wahllokals informieren konnten. Die Abstimmung war auch sonst so schlecht organisiert, dass viele Bürgerinnen und Bürger Mühe hatten, ihre Stimme abzugeben. Dass Kommentatoren die Wahl schon im Vorfeld als eine der dreckigsten Urnengänge in Pakistans Geschichte einstuften, lag aber weniger am Ablauf der Wahl als an deren Vorgeschichte.
Denn mit Imran Khan durfte der beliebteste Politiker des Landes gar nicht erst antreten. Der frühere Cricket-Champion hatte mit seiner Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) die letzte Parlamentswahl 2018 klar gewonnen. Im April 2022 wurde der 71-Jährige aber vom Parlament abgesetzt. Seither sieht sich der frühere Premierminister einer Vielzahl von Prozessen ausgesetzt. Allein in den Wochen vor der Wahl wurde er in drei Verfahren zu Haftstrafen verurteilt.
Khans Partei wurde weitgehend zerschlagen
Khans Anhänger sehen die Prozesse als politisch motiviert. Genährt wird der Verdacht durch das Vorgehen der Justiz und der Wahlkommission gegen seine Partei. Nicht nur wurden viele Spitzenpolitiker der PTI inhaftiert, die Kandidaten durften auch nicht im Namen der Partei antreten. Kurz vor der Wahl wurde der PTI ihr Symbol, der Cricketschläger, aberkannt. Da viele Wähler Analphabeten sind, spielen die Symbole eine wichtige Rolle zur Identifikation der Parteien auf dem Wahlzettel.
Mit dem Ausschluss von Khan und der weitgehenden Zerschlagung seiner Partei scheint der Weg frei für die Rückkehr von Nawaz Sharif an die Macht. Der 74-Jährige ist ein alter Bekannter. Der Anführer der Pakistan Muslim League war seit den neunziger Jahren bereits drei Mal Premierminister. Das letzte Mal endete sein Mandat damit, dass er infolge der Enthüllungen der Panama Papers des Amtes enthoben und wegen Korruption zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde.
Ein Hoffnungsträger ist Sharif nicht, sondern ein Vertreter der alten feudalen Eliten. Seinen Erfolg an den Urnen hat er wohl weniger seiner Popularität im Volk zu verdanken als der Unterstützung durch die Generäle. Das Militär bildet in Pakistan einen Staat im Staate, der grosse Teile der Wirtschaft kontrolliert. Seit der Gründung Pakistans 1948 haben die Generäle schon oft selbst die Macht ergriffen, heute üben sie hinter den Kulissen grossen Einfluss aus.
Die Pakistaner sind der Einmischung der Armee überdrüssig
Auch Imran Khan verdankte seine Wahl 2018 wohl der Unterstützung des Militärs. Als Premierminister wollte er die Einmischung der Generäle aber nicht länger akzeptieren. Er überwarf sich mit dem Armeechef, überschätzte jedoch seine eigene Macht. Nach seinem Sturz stilisierte sich Khan als Verteidiger der Demokratie und mobilisierte seine Anhänger gegen die Generäle. Zur Strafe liessen diese ihn ins Gefängnis werfen und verbannten seine Partei aus der Politik.
Heute sind viele Pakistaner der Einmischung der Armee überdrüssig und haben nur noch wenig Vertrauen in die Wahlen. Dies schwächt die Legitimität der künftigen Regierung und damit ihre Fähigkeit, ihre Aufgaben zu bewältigen – und die sind gross. Doch das Problem beschränkt sich nicht auf das Militär, auch die Parteien tragen eine Mitschuld. In der Opposition betonen sie stets die Bedeutung der Demokratie, aber sobald sich die Gelegenheit bietet, paktieren sie wieder mit dem Militär. Wer nicht will, dass sich die Generäle in die Politik einmischen, darf ihnen auch nicht die Hand reichen.