Neben der Arbeit ein zweites Gehalt verdienen – mit Mieteinkünften, schlauer Geldanlage oder Affiliate-Marketing ist das möglich. So gelingt der Aufbau einer weiteren Einkommensquelle.
«Wer keinen Weg findet, im Schlaf Geld zu verdienen, wird arbeiten, bis er stirbt», soll der legendäre amerikanische Investor Warren Buffett einst gesagt haben. Viele Menschen träumen davon, ein regelmässiges zusätzliches Einkommen zu erzielen, für das sie wenig bis gar nichts tun müssen – ein sogenanntes passives Einkommen.
Für diesen Traum sind allerdings zuvor oftmals erhebliche Anstrengungen nötig. «Um ein passives Einkommen zu erzielen, braucht es zumeist Eigentum wie beispielsweise eine Immobilie, jahrelange Vorarbeit, eine zündende Geschäftsidee oder Geld, das investiert wird», sagt die Finanzexpertin und Buchautorin Olga Miler.
Wege zu Zusatzeinkommen und finanzieller Freiheit
Letztlich geht es bei der Idee um finanzielle Freiheit: Wer passives Einkommen erzielt, ist weniger abhängig von dem Geld, das man für die Erwerbstätigkeit bekommt. Auch im Hinblick auf die Pensionierung ist dies ein sinnvoller Gedanke: Mit einem passiven Einkommen hat man im Ruhestand regelmässige Einkünfte und kann allfällige Lücken bei den Renten aus der staatlichen und beruflichen Altersvorsorge kompensieren.
Die Idee des passiven Einkommens auf die Spitze getrieben hat indessen die aus den USA stammende sogenannte FIRE-Bewegung – das Kürzel steht für «financial independence, retire early». Das Ziel ihrer Mitglieder ist es, durch rigides Sparen und einen asketischen Lebensstil bereits in jungen Jahren finanziell unabhängig zu werden und «in Rente» zu gehen – oder zumindest nicht mehr auf eine geregelte Arbeit angewiesen zu sein.
Geld ohne Arbeit
Die FIRE-Bewegung verwendet dafür die sogenannte 4-Prozent-Regel. Die finanzielle Unabhängigkeit ist gemäss ihr erreicht, wenn die jährlichen Ausgaben nicht mehr als 4 Prozent des Gesamtvermögens ausmachen. Wer also beispielsweise Ausgaben von 70 000 Franken pro Jahr hat, sollte über ein Vermögen von 1,75 Millionen Franken verfügen. «In der Theorie funktioniert das dann wie ein Perpetuum mobile, und man kann in den Ruhestand gehen», sagt Miler. Allerdings gebe die 4-Prozent-Regel nur einen Anhaltspunkt. Sie sei stark vereinfacht und berücksichtige beispielsweise die Inflation nicht.
Es existiert eine Vielzahl von möglichen passiven Einkommen. «Viele der Ideen versprechen aber unrealistische Erträge», sagt Miler. Einige sind auch mit erheblichem Aufwand verbunden und folglich weniger «passiv» als gedacht. Es folgen fünf verbreitete Beispiele für passive Einkommen.
1. Mieteinnahmen mit Immobilien, Räumen oder Parkplätzen
Eine gängige Form, passives Einkommen zu erzielen, ist die Vermietung von Wohnungen oder Häusern – sei es permanent oder kurzfristig über Plattformen wie Airbnb. Genauso gut ist es möglich, einzelne Räume zu vermieten. Manche Wohnungen haben beispielsweise einen separaten Hobby- oder Abstellraum, den man möglicherweise nicht braucht. Dasselbe gilt für das Vermieten von ungenützten Räumen im Haus oder in der Wohnung. Natürlich ist das aber möglicherweise mit deutlichen Komforteinbussen verbunden. Auch das Vermieten von Parkplätzen ist ein guter Weg, um passives Einkommen zu erzielen.
Dabei sollte man den Aufwand der Vermietung nicht unterschätzen. Will man sich diesen ersparen, kann es sinnvoll sein, eine Verwaltung einzusetzen und so das Einkommen tatsächlich ganz passiv zu generieren. Allerdings fallen dafür Kosten an.
2. Einkünfte aus Dividenden und Zinsen
Auch mit Anlagen in Fonds, Exchange-Traded Funds (ETF) oder anderen Geldanlagen lässt sich ein passives Einkommen erzielen. Ein solches erhält man beispielsweise durch Dividendenzahlungen, wenn man Aktionär eines Unternehmens ist.
Dafür muss man sich aber zunächst ein Aktienvermögen aufbauen. Ein guter Weg dafür sind Investitionen in einen breit gestreuten Aktienfonds. Dafür sind beispielsweise ETF auf einen globalen Aktienindex geeignet. Beispiele dafür sind der MSCI World, der MSCI-All-Country-World-Index (ACWI), der Dow-Jones-Global-Titans-Index oder der FTSE All-World.
Der Vermögensaufbau kann dabei beispielsweise mit einem ETF-Sparplan erfolgen. In den vergangenen zehn Jahren hat der MSCI World inklusive Dividenden eine durchschnittliche Rendite von 11,1 Prozent pro Jahr erreicht. Anleger sollten sich indessen bewusst sein, dass Aktien-Investments ihre Risiken haben, und folglich nur Gelder investieren, die sie für eine längere Frist nicht brauchen.
Eine Variante ist es, spezielle Dividendenfonds und -ETF einzusetzen, um ein passives Einkommen zu erzielen. Solche Anlageprodukte setzen auf Titel von Unternehmen, die für besonders grosszügige Dividendenzahlungen bekannt sind. Roger Bootz, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Vanguard in der Schweiz und Liechtenstein, empfiehlt dabei, eine globale Dividendenstrategie zu verfolgen. So liessen sich die Dividendenausschüttungen auf das ganze Jahr verteilen.
Unternehmen in Europa schütten zumeist einmal oder zweimal im Jahr Dividenden aus, während die meisten nordamerikanischen Firmen hier einen vierteljährlichen Rhythmus verfolgen. Historisch gesehen hätten Anleger mit einer solchen globalen Dividendenstrategie Renditen von 3 bis 4 Prozent pro Jahr erzielt, sagt Bootz.
Besonders gute Dividenden-Zahler sind an der Börse als «Dividenden-Aristokraten» bekannt. Dazu zählen Firmen, die ihre Dividenden mindestens über ein Jahrzehnt hinweg stetig erhöht haben. Andere Definitionen des Begriffs fordern sogar noch längere Zeiträume. Der Finanzdienstleister VZ Vermögenszentrum hat eine Liste mit 16 Schweizer «Dividenden-Aristokraten» erstellt (vgl. Tabelle).
Wer mit Dividendenzahlungen ein passives Einkommen erzielen will, sollte auf ausschüttende Fonds oder ETF setzen – wie die Bezeichnung schon sagt, zahlen diese Produkte die Dividenden regelmässig an die Anleger aus. Ihr Gegenstück sind sogenannte thesaurierende Fonds oder ETF, bei denen die Dividendenzahlungen der Unternehmen direkt reinvestiert werden. Olga Miler weist darauf hin, dass das angelegte Geld aufgrund des Zinseszinseffekts in einem thesaurierenden Fonds oder ETF deutlich schneller wächst.
Auch Zinsen auf das Vermögen sind theoretisch eine Möglichkeit für ein passives Einkommen. Zinsen erhält man auf Spareinlagen oder die Anlage von Geldern in Staats- und Unternehmensanleihen. In der Schweiz ist das Zinsniveau indessen sehr niedrig, so dass es unrealistisch ist, mit der Verzinsung von sicheren Anlagen ein nennenswertes passives Einkommen zu generieren. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Inflation diese Erträge auffrisst. Stets zu beachten ist ausserdem, dass Zinsen und Dividenden je nach persönlicher Situation und Wohnsitz besteuert werden.
3. Bücher schreiben
Buchautor und Schriftsteller sind für viele Menschen immer noch Traumberufe. Allerdings können laut Branchenschätzungen kaum 5 Prozent der Schreiber von der Tätigkeit leben. Eine neue Agatha Christie («Mord im Orient-Express») oder J. K. Rowling («Harry Potter») zu werden, ist ähnlich schwierig, wie als neuer Roger Federer Wimbledon zu gewinnen. Deshalb ist das Bild des armen Poeten oft treffend.
Allerdings sind Bücher eine Möglichkeit, Zusatzeinnahmen zu generieren. Das ist als Fachbuch- oder Belletristik-Autor besonders für jene Menschen attraktiv, die bereits ausgeprägtes Know-how über eine Thematik besitzen oder eine blühende Phantasie haben. Doch auch dann ist die Konkurrenz noch riesig. In Deutschland erschienen im Jahr 2023 gut 60 000 Erstauflagen, dazu kamen knapp 9000 Übersetzungen. Der globale Markt wird auf rund 2 Millionen neue Bücher pro Jahr geschätzt.
Wer es schafft, einen kleinen oder sogar grossen Verlag für sein Werk zu finden, bekommt typischerweise zwischen 5 (Taschenbuch) und 10 Prozent (Hardcover) vom Nettoverkaufspreis, also dem Preis nach Abzug der Mehrwertsteuer. Der Anteil ist so niedrig, weil auch Verlage, Lektoren, Designer, Druckereien, Vertriebsfirmen, Grosshändler und vor allem Buchhändler ihren Anteil wollen.
Liegt der Nettopreis also beispielsweise bei 18 Euro und das Buch verkauft sich 3000 Mal, ein guter Wert, erhält der Autor für seine monate- bis jahrelange Arbeit zwischen 2700 und 5400 Euro. Dazu kommen noch ein paar Tantiemen über die Verwertungsgesellschaft VG Wort, weil Bücher beispielsweise in Bibliotheken ausliegen und dort fotokopierbar sind. Dieses Geld muss der Autor jeweils noch versteuern.
Bei 20 000 verkauften Exemplaren, was bereits ein schöner Bestseller wäre, käme der Autor immerhin auf maximal 36 000 Euro vor Steuern. Doch ein solcher Erfolg dürfte eher die Ausnahme sein. Am attraktivsten ist der Buchmarkt für Prominente wie Politiker, Musiker oder Schauspieler, die für ihre Bücher von den Verlagen gelegentlich auch einmal 100 000 Euro und mehr erhalten.
Eine Alternative für die unbekannten Helden des geschriebenen Wortes ist das Self-Publishing sowohl von E-Books als auch von gedruckten Büchern. Hier können Autoren Anteile von 40 bis 60 Prozent des Listenpreises erzielen, müssen sich aber um alles selbst kümmern, also Cover, Design, Layout, Lektorat, Marketing und Vertrieb. Doch das erfordert sehr viel Arbeit für einen ungewissen Erfolg. Zudem gehen noch die Druckkosten ab, so dass der effektive Anteil meist eher bei 15 bis 30 Prozent liegt.
Es gibt allerdings Schreiber, die so Zehntausende Bücher verkaufen, vereinzelte schaffen 100 000. Hilfreich sind heutzutage Werkzeuge wie Amazon Kindle Direct Publishing. Diese nehmen den Autoren viel Arbeit ab und leiten sie durch den technischen Prozess der Buchherstellung. Wer es schafft, über die Jahre mehrere Bücher auf den Markt zu bringen, kann einen gewissen Einnahmenfluss erzeugen.
Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Bücher vor allem in den ersten sechs bis zwölf Monaten die besten Verkaufszahlen generieren und danach in der Flut der Neuerscheinungen oft untergehen. Sie bleiben jedoch als Pluspunkt im Lebenslauf und können zu Nebeneinnahmen durch Lesereisen, Fachvorträge oder Podiumsdiskussionen führen, die manchmal sogar attraktiver sind als der eigentliche Buchverkauf.
Wer ein Fachbuch geschrieben hat, kann je nach Thema das eigene Wissen auf weiteren Kanälen vermarkten, etwa durch kostenpflichtige Webinare oder Unterrichtspläne. Man kann einmalige Webinare von einer Stunde anbieten oder auch eine Serie zu einem grösseren Thema von vielleicht vier bis acht Einheiten. Oft kostet das Hosting der Seminare jedoch Geld, etwa bei Anbietern wie Edudip oder GoTo.
4. Affiliate-Marketing und Influencing
Bei der Vermarktung des eigenen Wissens und Könnens im Internet ist man schnell beim Affiliate-Marketing und beim Influencing. Das ist eine Form des Provisionsgeschäfts und geschieht über eine eigene Website oder einen Kanal in den einschlägigen sozialen Netzwerken, vor allem Youtube, Instagram oder Tiktok. Affiliates – oder auch Partner – sind Menschen, die mit Empfehlungen im Internet Geld verdienen. Wichtig ist dabei, dass der Affiliate durch Kompetenz und Seriosität das Vertrauen der Nutzer gewinnt.
So können Handwerker die Reparatur von Elektrogeräten oder die Pflege und Reinigung eines Autos erklären, Software-Experten eine Applikation, Krypto-Fans die Funktion verschiedener Krypto-Börsen oder Hundetrainer die Hundeerziehung. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das Geld verdient der Erklärer durch Affiliate-Links, die zur Website eines Unternehmens führen, bei dem man dann etwa eine Autopolitur, Hundefutter oder ein Software-Paket kaufen kann.
Allerdings erfolgt eine Entlohnung erfolgsabhängig und meist nur dann, wenn es innerhalb eines bestimmten Zeitraums zum Kauf des Produkts oder der Dienstleistung kommt. Gezahlt wird überwiegend ein prozentualer Anteil des Nettoverkaufspreises. Besonders attraktiv ist es, wenn durch den Affiliate-Link ein Abonnement abgeschlossen wird.
Inzwischen bieten viele Firmen Partnerprogramme an. Amazon hat beispielsweise für die deutsche Website Standardvergütungen für das Partnerprogramm, abhängig vom Produkt und von der Art des Verkaufs. So unterscheidet das Unternehmen etwa zwischen direkt qualifizierten Verkäufen, indirekt qualifizierten Verkäufen und Amazon-Influencer-Sites. Die Vergütungen variieren zwischen 1 und 20 Prozent.
Bei Shopify wiederum, dem globalen Marktführer für Webseiten inklusive Verkaufsshop, können Partner ebenfalls Geld verdienen, indem sie Beiträge zum Shopify-Ökosystem in Form von Empfehlungen leisten, die über einen direkten Empfehlungs-Link erfolgen. Die Einnahmen, also die Provisionen, variieren je nach Standort der Händler, die der Affiliate bewirbt. Für eine wirksame Empfehlung für einen der Shop-Pläne von Shopify kann ein Affiliate in Deutschland und Grossbritannien 150 Dollar erhalten, in der Schweiz sind es 100 Dollar.
Gründerplattformen sehen als Voraussetzung für erfolgreiches Partner-Marketing, dass der eigene Blog oder Kanal mehrere tausend Besucher pro Monat hat. Diese wollen nicht nur unterhalten werden, sondern sollen echtes Kaufinteresse zeigen. Häufig lautet der Rat, nur für Produkte zu werben, von denen man auch selbst überzeugt ist.
Die Videos oder Texte stehen quasi unendlich lange im Internet und können auch Jahre später noch nützlich sein, um Einnahmen zu generieren, etwa im Handwerksbereich. Bei den Themen Bedienhilfe für Plattformen oder Software ändern sich natürlich die Angebote und Funktionen über die Monate und Jahre, so dass die Affiliates mit aktuellen Videos und Texten nachlegen müssen.
5. Monetarisierung eigener Hobbys
Eine weitere Möglichkeit für eine Art passives Einkommen ist es, die eigenen Hobbys zu Geld zu machen. Das betrifft vor allem den künstlerischen Bereich. In Eigenregie produzierte Schönheiten finden vermutlich ihre Käufer. Das können Bilder und Skulpturen sein, Accessoires aus Ton, Beton und Holz oder auch selbstgemachte Schmuckstücke. Zum Verkauf benötigt man nur einen Absatzkanal, beispielsweise eine Website oder einen Flohmarkt. Mit Anbietern wie Shopify, Wix oder Ionos können heutzutage auch Laien eine professionelle Webseite erstellen.
Wer gerne Fotos macht oder Musik produziert, kann seine Bilder und Songs auf einschlägigen Plattformen hochladen und für kleine Beträge verkaufen. Für sogenannte Stockfotos sind das etwa Adobe Stock oder Shutterstock und für Musikschnipsel, Sequenzen und Songs zum Beispiel Premium Beat oder Artlist. Das ist besonders interessant, wenn man schon viele Follower bei grossen Online-Musikdiensten wie Soundcloud hat.
Fazit: Geld fällt nicht vom Himmel
Eines ist noch sehr wichtig: Wer neben seinem Hauptjob ein passives Einkommen erzielen möchte, sollte die Nebentätigkeit seinem Arbeitgeber melden und sich von diesem genehmigen lassen. Das dürfte in der Regel kein Problem sein. Dies gilt besonders, wenn jemand ohnehin nur in Teilzeit arbeitet, etwa 80 Prozent oder halbtags. Selbstverständlich darf die Nebentätigkeit nicht zu schlechterer Leistung im Hauptberuf führen oder dem Arbeitgeber Konkurrenz machen.
Vom passiven Einkommen zu träumen, ist schön, doch die Umsetzung ist meist alles andere als leicht. Zudem geht es nie ohne mehr oder weniger grosse Vorleistungen. Das Geld fällt auch hier nicht vom Himmel.
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