Jahrelang wurde bei der Herstellung und dem Einsatz neuer Substanzen zu wenig an deren Auswirkungen auf Mensch und Natur geachtet. Wir sollten und könnten schlauer handeln.
Die sogenannten Ewigkeitschemikalien namens PFAS sind ein Paradebeispiel für den Segen, aber auch die Probleme, welche die moderne Chemie mit sich bringt. Das wird uns aber erst so langsam richtig bewusst. Ereignisse wie PFAS in Rindfleisch und belastete Weiden im Kanton St. Gallen führen uns vor Augen, dass wir allzu lange nur den Nutzen der Substanzen wahrgenommen haben.
Keine Frage, die Substanzen machen unser Leben angenehmer, einfacher und besser. Die rund 10 000 Mitglieder der PFAS-Familie sind schmutz-, wasser- und fettabweisend und finden sich daher in allen möglichen Beschichtungen und Materialien.
In Bratpfannen und Backpapier verhindern sie das Anbrennen von Rührei und Kuchen. Im starken Regenschauer bleiben wir in unserer Outdoorjacke oder dem Zelt schön trocken. Schläuche in Maschinen werden erst durch PFAS richtig dicht, sie verbessern Löschschaum, Schmierfette oder werden für die Halbleiterproduktion benötigt.
Also alles super mit diesen PFAS?
Bekannte schädliche Wirkungen
Nein. Denn die Wundermittel können uns schaden. Manche PFAS verursachen Krebs, andere mindern die Fruchtbarkeit oder beeinträchtigen das Immunsystem und das Wachstum von Kindern. Die Substanzen stehen zudem im Verdacht, Nervenzellen oder den Hormonstoffwechsel zu stören. Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde hat daher festgelegt, dass eine Person pro Woche maximal 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen sollte.
Doch das ist einfacher gesagt als getan. Die Aufnahme ist nicht kontrollierbar. Denn PFAS sind überall.
Sie werden seit gut fünfzig Jahren hergestellt. Ebenso lange gelangen sie durch Abwasser aus Industrieanlagen, den Einsatz von Löschschaum oder die alltägliche Nutzung all der beschichteten Gegenstände in die Umwelt. Dort werden sie aber nicht abgebaut.
Mit jedem Jahr reichern sich also PFAS erst in der Natur, dann in Tieren und zuletzt in uns Menschen an. Jetzt müssen wir uns endlich dem Problem stellen. Es kann nicht darum gehen, nur noch Gegenstände wie anno 1850 zu verwenden. Niemand soll im Wollpullover wandern, wenn er das nicht will. Eine tropfende Maschine ist keine Lösung.
Es gibt bereits PFAS-freie Membranen
Aber wir müssen viel intensiver als bisher nach Alternativen suchen. Ja, Jackenhersteller tüfteln an Membranen oder Zelten ohne PFAS. Für Produkte wie Backpapier oder Essenskartons existieren schon andere Möglichkeiten. Doch es gibt noch viel zu wenige solcher Ideen, und bestehende werden oftmals zögerlich umgesetzt.
In manchen Fällen ist nicht das beschichtete Endprodukt das Problem für Mensch und Umwelt, sondern der Herstellungsprozess. Hier müssen Methoden erdacht werden, damit keine PFAS in Abwasser oder Abluft gelangen. Das muss auch bei Entsorgung oder Recycling gewährleistet werden.
Übrigens: Solche Massnahmen reduzieren auch die Freisetzung anderer gefährlicher Chemikalien.
Zugleich sollte auch die Erforschung der gesundheitlichen Schäden intensiviert werden. Noch wissen wir über viele Mitglieder der PFAS-Familie zu wenig, um ihre Toxizität sicher beurteilen zu können. Vielleicht können von manchen Substanzen gewisse Mengen toleriert werden, andere hingegen müssen sofort vom Markt genommen werden.
Auch braucht es praktikable Ideen, wie mit kontaminierten Böden umgegangen werden kann. Ein grossflächiges, jahrelanges Weideverbot wäre für Bauern und für Tiere eine Katastrophe.
Immer ans Vorsorgeprinzip denken
Sicher ist: Es gibt keine schnelle Lösung für die Altlasten. Was bereits in St. Gallen und anderswo auf der Welt im Wasser und in den Böden steckt, wird dort noch Jahrzehnte bleiben. Umso wichtiger ist es, jetzt die Freisetzung weiterer Mengen von PFAS stark zu reduzieren. Und bei neuen Chemikalien Abbaubarkeit und Toxizität von vornherein zu testen.