Erst stürzt der Staatspräsident mit der Absage der Wahl seines Nachfolgers Afrikas einstige Vorzeigedemokratie in die Krise. Nun gibt es plötzlich zwei Wahltermine noch in diesem Monat.
Die politische Krise in Senegal – einem einstigen Stabilitätsgaranten in einer von Staatsstreichen erschütterten afrikanischen Region – hat am Mittwochabend eine neue Wende genommen. Die Regierung von Präsident Macky Sall gab bekannt, dass die Präsidentschaftswahl, die sie eigentlich über Monate hinauszögern wollte, nun schon in drei Wochen stattfinden soll, am 24. März.
Die Wahl von Salls Nachfolger hätte ursprünglich am 25. Februar stattfinden sollen. Sall aber, der sich schwertut, die Präsidentschaft nach zwei Amtszeiten abzugeben, sagte die Wahl Anfang Februar ab und verschob sie auf Dezember. Damit löste er im Land wütende Proteste aus und in Europa und den USA Sorge um die Stabilität eines bis anhin verlässlichen Partners in Afrika. Oppositionsführer in Dakar bezeichneten die Wahlverschiebung als «Verfassungscoup».
Senegals Verfassungsgericht erklärte die Verschiebung der Wahl dann tatsächlich für widerrechtlich. Die Wahl von Salls Nachfolger müsse vor Ende von dessen Amtszeit am 2. April stattfinden. Die Regierung hat diesen Entscheid nun respektiert. Trotzdem herrschte nach der Bekanntgabe des Wahldatums Verwirrung. Denn gleichzeitig machte ein Dokument die Runde, in dem das Verfassungsgericht den Termin auf den 31. März setzte, also eine Woche später.
Der Präsident mag nicht abtreten
Nach der Ankündigung, dass noch im März gewählt werden soll, herrschte in Senegal dennoch Erleichterung vor. Viele Oppositionelle hatten dies so gefordert. Mit der Wahl könnte ein politisches Drama enden, das das westafrikanische Land seit drei Jahren lähmt.
Hauptverantwortlicher für die Krise ist Präsident Sall. Dieser regiert Senegals 18 Millionen Einwohner seit 2012, laut Verfassung darf er nicht mehr kandidieren. Sall liebäugelte aber in den vergangenen Jahren offensichtlich damit, noch einmal anzutreten. Gleichzeitig gingen die Behörden immer härter gegen Oppositionelle vor. Seit 2021 sind Hunderte von Regierungsgegnern verhaftet worden, bei Protesten töteten Sicherheitskräfte mehrere Dutzend Demonstranten. Der bekannteste Oppositionsführer, Ousmane Sonko, sitzt ebenso im Gefängnis wie sein Parteigefährte Bassirou Faye, der an Sonkos Stelle für die Präsidentschaft kandidieren sollte. Ihre Partei Pastef wurde 2023 verboten.
Erst im Juli 2023 gab Sall bekannt, nicht erneut zu kandidieren. Zuvor war er unter anderem vom früheren amerikanischen Präsidenten Barack Obama bearbeitet worden. Einige Monate später war Sall sich offenbar doch nicht mehr sicher – und verschob die Wahl seines Nachfolgers.
Amnestie für Oppositionelle – und Polizisten
In den vergangenen Wochen zeigte sich aber auch, dass Senegals Demokratie durchaus noch lebendig ist. Demonstrantinnen und Demonstranten forderten auf der Strasse einen möglichst baldigen Wahltermin. Die Polizei griff weniger ein als in den vergangenen Jahren. Zudem wagte es das Verfassungsgericht, dem Präsidenten die Stirn zu bieten – ein Vorgang, der in vielen autoritär regierten afrikanischen Staaten undenkbar wäre. Der Druck war offensichtlich genug gross, dass die Regierung die Wahl nun noch auf März angesetzt hat.
Ebenfalls am Mittwoch verabschiedete das senegalesische Parlament ein Amnestiegesetz, das Hunderte von Oppositionellen von strafrechtlichen Vorwürfen im Zusammenhang mit regierungskritischen Demonstrationen befreien könnte. Laut Präsident Sall soll das Gesetz zur Entspannung der politischen Situation beitragen. Es ist aber hoch umstritten, weil es mutmasslich auch Sicherheitskräfte vor einer Strafverfolgung schützen könnte, die für die Tötung von Demonstranten verantwortlich sind. Pastef, die wichtigste Oppositionspartei, lehnte das Gesetz ab, obwohl dieses bedeuten könnte, dass auch ihr Präsidentschaftskandidat Faye aus der Haft entlassen wird und doch noch zur Wahl antreten könnte.