An vielen Orten in der Schweiz und in Deutschland waren vergangene Nacht Polarlichter zu sehen. Dass diese statt im Hohen Norden auch am Nachthimmel der Alpenregion auftreten, verdanken wir der Sonne. Sie ist derzeit besonders aktiv und schleudert hochenergetische Teilchen zur Erde.
«Mein Herz klopfte wild und ich hatte in dieser Nacht auf dem schneebedeckten, zugefrorenen Eissee das Gefühl, die Zeit stünde still, während sie am Himmel wie im Flug verging.» So beschreibt der österreichische Meteorologe und Polarlichtforscher Andreas Pfoser den Moment, als er im Februar 2002 in Nordfinnland zum ersten Mal ein Polarlicht beobachtete. Den Augenblick, als «sich ein unwirklich scheinender gelbgrüner Bogen am Osthorizont in die Höhe hob», werde er nie vergessen.
Die weite Reise in den Norden konnte sich sparen, wer in der Nacht auf Samstag in Teilen der Schweiz und Deutschland zum Nachthimmel blickte. Leuchtendes Magenta, irisierendes Grün und schillerndes Türkis waren zu sehen. In sozialen Netzwerken teilten zahlreiche Menschen Bilder von den Polarlichtern in der Region.
Wer das Schauspiel verpasst hat, wird voraussichtlich in der Nacht zu Sonntag noch einmal Gelegenheit haben, einen Blick zu erhaschen.
Seltenes Spektakel
Grundsätzlich sind Polarlichter in unseren Gegenden selten. Dass sie nun auch in der Alpenregion zu sehen sind, habe damit zu tun, dass auf der Sonne derzeit besonders viele Eruptionen stattfinden, sagt SRF-Meteorologe Felix Blumer. Dabei wird Masse aus der Korona, dem äussersten Teil der Sonnenatmosphäre, ausgestossen. Man spreche vom Sonnenwind oder Sonnensturm, der sich aus Protonen und Elektronen zusammensetzt.
Die hochenergetischen Teilchen wirbeln durchs All und werden an der oberen Erdatmosphäre zu den Magnetpolen abgelenkt. Das Erdmagnetfeld ist es, das uns auch vor potenziell tödlicher kosmischer Strahlung schützt.
Für violettes Polarlicht ist viel Energie nötig
Die Farbe des Nordlichts hängt vom angeregten Atom und vom Energielevel des Sonnenwindes ab. Wenn die Teilchen auf Sauerstoffatome treffen, entsteht in einer Höhe von rund 100 Kilometern grünes Polarlicht, in 200 Kilometern Höhe rotes. Bläulich oder lilafarbenes Polarlicht wiederum werde bei der Aktivierung von leichten Gasen wie Wasserstoff oder Helium in grosser Höhe erzeugt und violettes Polarlicht durch die Aktivierung von Stickstoffatomen. «Dazu ist aber viel Energie nötig, wie am vergangenen Montag in der Früh», sagt Blumer. So ist das Polarlicht gemäss Meteoschweiz auch in Süditalien und Griechenland gesichtet worden.
Der stärkste Sonnensturm seit dem Jahr 2003 bewirkte in der Nacht auf heute Samstag intensive Polarlichter, welche auch in der Schweiz zu sehen waren, wie hier in Veysonnaz. Bildquelle: MeteoSchweiz/App. pic.twitter.com/r46OEgXZxk
— MeteoSchweiz (@meteoschweiz) May 11, 2024
Weil die Sonnenpartikel normalerweise zu den magnetischen Polen der Erde geleitet werden, sind Polarlichter in den sogenannten Polarlichtzonen permanent vorhanden, also auf der Nordhalbkugel, wo Island, Nord-Norwegen sowie die nördlichsten Teile Schwedens, Finnlands, Sibiriens, Südgrönland oder Nord- und Mittel-Kanadas liegen.
Noch ist die Sonne zu wenig erforscht
Zwar beeinflussen Sonnenstürme das Wetter nicht, sie können jedoch den Flugverkehr, die Stromversorgung sowie Navigationssysteme, Satelliten- und Radioübertragungen stören. Um magnetische Stürme zu überwachen und zu erforschen, betreiben die amerikanische NOAA sowie der Britische Wetterdienst ein Weltraumwetter-Vorhersagezentrum. Dennoch seien Polarlichter schwierig vorherzusehen, sagt Andreas Pfoser, der eine eigene Webseite zum Thema betreibt.
Ist die Sonne besonders aktiv, so wie jetzt, lasse sich ein sogenannter Koronaler Massenauswurf zwar mit Raumsonden gut beobachten. «Schwierig ist aber, zu bestimmen, wie dicht die Plasmawolke ist, die in den Auswurf eingebettet ist», sagt er. Ausserdem komme es auf folgende Fragen an: Wie schnell kommt die Plasmawolke durch den interplanetaren Raum? Wird sie die Erde voll treffen oder wird es nur ein Streifschuss? Und werden sich die beiden Magnetfelder nicht abstossen? Und Blumer ergänzt, die Sonne sei noch viel zu wenig erforscht, als dass alle Mechanismen verstanden würden, die zu einer Eruption führten. «Da der Sonnenwind je nachdem zwei bis fünf Tage bis zur Erde braucht, ist die exakte Prognosezeit kurz. Einzelne Teilchen erreichen die Erde sogar nach bereits zehn Minuten», sagt er.
Laut Blumer lassen Statistiken in der Schweiz etwa ein auffälliges Polarlicht sowie zwei bis drei weitere schwache Lichter pro Jahr erwarten. Oft werden diese jedoch von Wolken verdeckt oder sind nur durch lichtstarke Kameras statt von blossem Auge zu sehen. «Aber es sieht vermutlich gut aus, dass wir heuer noch das eine oder andere Polarlicht in der Schweiz sehen werden», sagt Pfoser. Dies auch deshalb, weil die Sonnenaktivität im Jahr 2025 voraussichtlich ihren Höhepunkt erreichen wird.
Wer noch nie Polarlichter gesehen hat, dem empfiehlt Blumer in den Wintermonaten eine Reise nach Skandinavien. Als Hot-Spot für das Beobachten des Weltraumwetters gelten Tromsö in Nordnorwegen oder finnisch Lappland.
Besonders gut erinnert er sich an das Phänomen auf den Lofoten im Winter 2022. «Das Polarlicht war wie ein Feuerwerk, das Wasserfall-mässig nach unten fiel», sagt er. Auch Pfoser hat noch nicht genug vom Naturspektakel bekommen. Noch immer und jedes Mal von Neuem ziehe ihn das Polarlicht in den Bann, «vor allem aufgrund seiner gewaltigen Grösse am ausgedehnten Himmelszelt».
mit Agenturmaterial.