Die jungen Liberalen haben eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht. Sie monieren, dass die Informationen zur Kostenbremseinitiative im Abstimmungsbüchlein politisch gefärbt und irreführend seien.
Die dunkelblaue Linie zu den Kosten der obligatorischen Krankenversicherung steigt steil an. Die beiden hellblauen Linien hingegen, welche die Entwicklung der Gesamtwirtschaft und jene der Nominallöhne von 2012 bis 2022 nachzeichnen, verlaufen sehr flach. So sieht eine Grafik zur Kostenbremseinitiative der Mitte aus, die im Abstimmungsbüchlein auf Seite 23 abgebildet ist.
Die behördliche Darstellung der Krankenkassenprämien wird nun zu einem Fall für die Justiz. So haben die Jungfreisinnigen in den Kantonen Basel, Bern und Zürich eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht, wie sie am Pfingstsonntag in einem Communiqué mitteilten. Sie sind der Auffassung, dass die Bevölkerung mit der Grafik in die Irre geführt werde, und fordern die jeweiligen Kantonsregierungen dazu auf, die Abstimmungsunterlagen zu berichtigen. Zudem haben die jungen Liberalen auch beim Bund ein Gesuch eingereicht. Darin verlangen sie vom Bundesrat, die irreführende Information zur Kostenbremseinitiative zu korrigieren.
Was bei den Jungfreisinnigen für Ärger sorgt: In der Grafik werden die Entwicklung der Löhne und jene der Prämien in Prozentwerten abgebildet, nicht aber in absoluten Zahlen. Die Kurve der Löhne und die der Prämien starten damit am gleichen Punkt. Unterschlagen wird durch diese indexierte Darstellung jedoch, dass die Löhne – absolut betrachtet – zwischen 2012 und 2022 deutlich stärker gestiegen sind als die Prämien. So erhöhten sich die Kosten für die obligatorische Krankenversicherung pro Kopf in diesem Zeitraum um 1037 Franken, das Bruttoinlandprodukt pro Kopf jedoch stieg um 8230 Franken, und die Löhne stiegen um 3400 Franken.
Keine sachliche Information
«Mit den Prozentwerten wird im Abstimmungsbüchlein Schwarzmalerei betrieben», sagt Jonas Lüthy, Präsident der Jungfreisinnigen, auf der Social-Media-Plattform X. Die Grafik täusche über die tatsächlichen Grössenverhältnisse hinweg. «In Franken steigen die Löhne massiv stärker als die Krankenkassenprämien.» Der Basler bezeichnet die Grafik als unzulässig. Die Stimmbevölkerung müsse sich im Abstimmungsbüchlein auf sachliche Informationen verlassen können.
Lüthy wirft den Bundesbehörden vor, Gewerkschaftspropaganda zu übernehmen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die SP würden irreführende Grafiken dieser Art schon seit Jahrzehnten verwenden. Bereits im Jahr 1986 sei damit in einer Kampagne suggeriert worden, dass das Prämienwachstum das Lohnwachstum seit 1966 zunichtemache.
Mit der Abstimmungsbeschwerde folgen die jungen Liberalen der Argumentation der Ärztevereinigung FMH. Deren Präsidentin Yvonne Gilli bezeichnete die Information der Behörden zur Kostenbremseinitiative in der Ärztezeitung unlängst als «politisch gefärbt» und «irreführend». Sie moniert, dass ein völlig falsches und viel zu dramatisches Bild der Prämienentwicklung vermittelt werde.
In einem Beitrag hat Gilli zusammen mit ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin als Gegendarstellung eine Grafik der gleichen Zahlen in absoluten Frankenbeträgen publiziert. Dabei ergibt sich ein völlig anderes Bild: So sind die höheren Kosten der Grundversicherung pro Kopf in der Grafik kaum erkennbar, während der Anstieg der Kurven mit dem BIP pro Kopf und den Löhnen deutlich sichtbar ist.
Bundesbehörden wehren sich
Die für das Abstimmungsbüchlein zuständige Bundeskanzlei widerspricht indes der Kritik der Ärzte gegenüber der «Sonntagszeitung». Die Darstellung der Lohn- und der Prämienentwicklung sei mit den Zahlen des Bundesamtes für Statistik und des Bundesamtes für Gesundheit eigens für diese Abstimmungsvorlage konzipiert worden, hält ein Sprecher fest. Auch hält sie die Darstellung in Prozenten für angebracht.
Die Kostenbremseinitiative verlange, dass sich die Kosten der obligatorischen Krankenversicherung entsprechend der schweizerischen Gesamtwirtschaft und den durchschnittlichen Löhnen entwickle. Dieses Verhältnis bemesse sich in Prozenten. Die Grafik in den Erläuterungen sei somit zweckgemäss.