Der russische Präsident und der chinesische Staats- und Parteichef beschworen ihre tiefe Verbundenheit. Das ist auch ein Signal an Amerika. An konkreten Ergebnissen herrschte dagegen ein Mangel.
Der russische Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping haben sich gegenseitig ihrer präzedenzlos engen Beziehungen versichert. «Arm in Arm werden China und Russland jedem Unwetter widerstehen und jede Schranke überwinden», sagte Xi zum Abschluss dreieinhalbstündiger Gespräche im Kreml an einem gemeinsamen Auftritt vor den Medien. In engstem Kreis setzten sie die Begegnung danach noch fort. Ein Kreml-Hofberichterstatter verbreitete das Video eines Vier-Augen-Gesprächs bei Tee und Gebäck.
Putin betonte, die Beziehungen hätten das historisch höchste Niveau erreicht und würden weiter vertieft. Sie hingen nicht von innenpolitischen Entwicklungen und der weltpolitischen Konjunktur ab. Peking und Moskau hätten gleiche oder sehr ähnliche Zugänge zu internationalen und regionalen Problemen und verfolgten eine unabhängige Aussenpolitik, die zu einer «gerechteren und demokratischeren multipolaren Weltordnung» führen solle.
Indirekte Kritik an Amerika
Diese schönen Worte unterschieden sich nur unwesentlich von früheren gegenseitigen Versicherungen. Am Völkerrecht, dessen Bedeutung sie hervorheben, orientieren sie sich selbst sehr selektiv. Sie übertünchten, dass es trotz zwei politischen Abschlusserklärungen und einer Reihe von unterschriebenen Vereinbarungen erneut keine Durchbrüche bei lange erwarteten Energieprojekten wie der Erdgas-Pipeline «Power of Siberia II» gab und auch keine konkreten Investitionsvorhaben. Aber es ging Putin und Xi vermutlich auch um einen konkreten Adressaten: den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dessen Ziel es ist, Russland und China auseinanderzudividieren und Putin mit allerlei Lockangeboten von der Partnerschaft mit Xi wegzuzerren.
Dass dieses Ansinnen zumindest vorläufig erfolglos ist, zeigte in den vergangenen Wochen nicht nur der Stillstand in den russisch-amerikanischen Annäherungen. Schon vorher waren die Aussichten zweifelhaft gewesen. Für Russland böte eine Entspannung mit Amerika zwar die Chance, nicht allzu sehr in die Abhängigkeit des «guten Freundes Xi» zu geraten und sich eine strategische Doppeldeutigkeit zu bewahren. Daran ist Moskau gewiss weiterhin interessiert. Auch Peking, das die Ukraine-Verhandlungen passiv verfolgt, wäre zumindest an einem Ende des Ukraine-Krieges gelegen. Das würde die Beziehungen zu Europa vereinfachen.
Dass aber Russland und China wieder getrennte Wege gehen, ist weder im Interesse des einen noch des andern. Die gemeinsamen Vorstellungen und der Gegensatz zu Amerika spiegelt auch eine der beiden unterzeichneten gemeinsamen Erklärungen, über «strategische Stabilität». Darin werden, ohne Namensnennung, die Nato und die USA für ihre Expansion an die Grenzen anderer Nuklearstaaten kritisiert. Konkret gegen Washington richtet sich eine Passage über das Vorhaben, einen Raketenabwehr-Schutzschirm zu bauen. Dieser würde das strategische Gleichgewicht bedrohen, heisst es.
Viel mehr Chinesisches im russischen Alltag
Peking behauptet zwar, sich in Russlands Krieg gegen die Ukraine neutral zu verhalten. Aber China ist nicht nur für den Handel mit einer Vielzahl von Gütern, die westliche Firmen seit Februar 2022 nicht mehr nach Russland liefern, zum wichtigsten Partner geworden. Es ist mit der Lieferung von sogenannten Dual-use-Gütern die wichtigste Stütze für die russische Rüstungsindustrie geworden.
Mit dem Kauf russischer Energieträger spült es dem Kreml Geld in die Kasse, das die durch Sanktionen und Krieg gebeutelte Wirtschaft dringend benötigt. Nie zuvor war so viel Chinesisches im russischen Alltag sichtbar gewesen wie jetzt, da allein für die chinesische Autoindustrie Russland zum wichtigsten Abnehmerland geworden ist. Es gibt viele Chinesen in Moskau, und zum chinesischen Neujahrsfest wurden im Stadtzentrum die Strassen entsprechend geschmückt.
Je nachdem, wie es im chinesisch-amerikanischen Handelsstreit weitergeht, könnten sich die russisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen sogar zusätzlich ausweiten und China die Rücksicht auf amerikanische Sanktionen gegen Russland ganz aufgeben. Die Gespräche darüber und über die Ukraine dürften vornehmlich im engsten Kreis nach der Presseerklärung stattgefunden haben. Zu reden gegeben haben dürfte dabei auch Russlands Verhältnis zu Nordkorea und dessen mittlerweile offiziell bestätigte Teilnahme am Krieg gegen die Ukraine. Das engere Zusammenrücken Putins und Kim Jong Uns, des nordkoreanischen Diktators, wurde in Peking sehr genau beobachtet.
Xi und Putin nutzten den Anlass ihres Zusammenkommens, die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des sowjetischen Sieges über das nationalsozialistische Deutschland, um ihre gemeinsamen Absichten besonders ernsthaft zu untermalen. Im September wird Putin in China seinerseits den chinesischen Sieg gegen die Japaner vor 80 Jahren mit Xi zusammen begehen. Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee nehmen am 9. Mai an der Militärparade auf dem Roten Platz teil. Diese gemeinsamen Siegesfeiern und das 80-Jahr-Jubiläum der Gründung der Uno sollen auch der erneuerten gemeinsamen Erklärung über die «weitere Vertiefung der vollumfänglichen Partnerschaft und strategischen Zusammenarbeit in eine neue Epoche» Gewicht verleihen.