Die Wohnschutzinitiative gefährdet Bausubstanz, Klimabilanz und Arbeitsplätze.
Die jüngste Bevölkerungsbefragung zeigt: Geht es ums Thema Wohnen, ist der Frust bei den Zürcherinnen und Zürchern gross. Erstmals drückt der Schuh beim Wohnen gleich stark wie beim Verkehr. Man wünscht sich mehr gemeinnützigen Wohnraum und weniger hohe Mieten.
Vor allem Haushalte mit kleinem Portemonnaie ächzen unter der Last der Zürcher Mieten, insbesondere dann, wenn ein Wohnungswechsel ansteht.
Die Zürcher SP meint den Weg aus der Misere zu kennen, behauptet in grossen roten Lettern, sie werde die «Mietexplosion» stoppen und verhindern, dass der Mittelstand wegen «Luxussanierungen» aus der Stadt verdrängt werde.
Die Lösung lautet in klassischer SP-Manier: Der Staat soll regulierend eingreifen. Mit einer Volksinitiative, die nebst den linken Parteien auch der Mieterverband unterstützt, wollen die Initianten im Kanton Zürich einen Wohnschutz nach Genfer Vorbild errichten.
Sprich, wenn Vermieter ihre Liegenschaften sanieren oder umbauen, sie mittels Aufstockungen vergrössern oder gar einen Ersatzneubau erstellen wollen, wird die Bewilligung für das Vorhaben an eine Mietzinslimite geknüpft. Während einer gewissen Anzahl Jahre dürfen die Vermieter nur einen begrenzten Mietzins geltend machen.
Die Dauer dieser Plafonierung hängt vom Ausmass der Arbeiten ab. In Genf gelten bei leichten Sanierungen drei, bei Ersatzbauten zehn Jahre.
So soll den Vermieterinnen und Vermietern – allen voran den Immobilienkonzernen, die sich gemäss Initianten «immer schamloser auf Kosten der Mieterschaft bereichern» – beigebracht werden, auf Renditen zu verzichten.
Diese Idee dürfte vor allem in der rot-grünen Stadt Zürich auf offene Ohren stossen. Ganz nach dem Motto: Man kann es ja ausprobieren und schauen, ob der gewünschte Effekt eintritt. Dafür müsste es aber ein gänzlich neuer Ansatz sein.
Doch der Vorschlag der Zürcher Linken ist alles andere als innovativ. Vor allem aber ist hinlänglich bekannt, dass Wohnschutzgesetze eben nicht das wohnpolitische Pendant zur eierlegenden Wollmilchsau sind, wie die Linken das ihren Wählerinnen und Wählern vorgaukeln.
Das zeigt nämlich das vermeintliche «Vorbild» in der Westschweiz.
Genf ist kein Mietnirvana
Seit über vierzig Jahren sind in Genf Mietregulierungen, von denen die Zürcher Linke so schwärmt, Realität. Das Resultat davon hat mit den blumigen Versprechen allerdings wenig gemeinsam. Im Gegenteil, Genf ist die Stadt, in der die Wohnungssituation noch prekärer ist als in Zürich.
Belege dafür gibt es reichlich. Die Entwicklung der Mieten lässt sich beispielsweise am Mietindex ablesen.
Die Zahlen für die Städte Genf, Basel und Zürich zeigen: In Genf sind die Mieten seit Beginn der Erfassung 1939 überdurchschnittlich gestiegen, in Zürich liegt die Steigerung indes sogar unter dem Schweizer Mittel.
Es mag in Genf zwar weniger Leerkündigungen geben als in Zürich, freie Wohnungen sind dennoch rar. Über Jahrzehnte wurde zu wenig neuer Wohnraum erstellt. Wer eine Wohnung hat, gibt sie so schnell nicht mehr her. Man spricht dabei vom sogenannten Lock-in-Effekt.
Kommt es dann doch einmal zu einem Mieterwechsel, nutzen die Vermieter die Gelegenheit, die Mieten zu erhöhen, und das, ohne etwas am Zustand der Wohnung zu verändern. Solange nämlich keine Renovation stattfindet, fällt die Miete nicht unter die Mietpreiskontrolle. Die Schere zwischen Transaktions- und Bestandsmieten hat sich in Genf folglich deutlich weiter geöffnet als in anderen Städten.
Eine weitere Eigenheit des Genfer Wohnungsmarkts ist denn auch der notorisch schlechte Zustand vieler Liegenschaften.
Der Grund dafür ist simpel und, mit Verlaub, absehbar: Die Eigentümer haben keinen Anreiz, in ihren Liegenschaften mehr als die nötigsten Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen. Der bürokratische Aufwand ist gross, und die Kosten für die Arbeiten können die Eigentümer nicht mehr in absehbarer Zeit amortisieren.
Statt umfassend zu sanieren, macht man nur das Nötigste.
Wenn Zürichs Wohnschutzsympathisanten also behaupten, erschwertes Sanieren und Mietdeckel würden Vermieter dazu bringen, ihre Liegenschaften laufend instand zu halten, dann mag das zwar schön klingen, ist aber dennoch falsch.
Auch energetische Sanierungen sind so nicht attraktiv. Entsprechend hoch ist in Genf der Anteil an Wohngebäuden, die mit fossilen Energiequellen beheizt werden.
Bei über 80 Prozent der Genfer Wohnliegenschaften kommen Öl oder Gas zum Einsatz. In keinem anderen Kanton ist der Anteil so hoch. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei knapp 57 Prozent, der Kanton Zürich liegt mit rund 64 Prozent leicht darüber.
Da hilft es auch nicht, dass Genf in den letzten Jahren begonnen hat, Fernwärmenetze auszubauen. Die Energiebilanz von schlecht isolierten Gebäuden ist auch dann schlecht, wenn mit Seewasser geheizt wird. Das schlägt sich in den Nebenkosten der Wohnungen und im Portemonnaie der Mieterinnen und Mieter nieder.
Genf ist keine Ausnahme
In Basel, wo seit 2022 ein ähnliches Wohnschutzgesetz gilt wie in Genf, zeigt sich gerade in Echtzeit, dass die Entwicklung in Genf keine Ausnahme ist. Grosse Immobilienfirmen fahren ihre Investitionen zurück.
Die Bâloise besitzt rund 1100 Mietwohnungen in Basel-Stadt und investierte von 2012 bis 2022 über 60 Millionen Franken in Sanierungen. 2023 hat der Basler Versicherer keinen einzigen Franken in seine Wohnliegenschaften gesteckt, 2024 rechnet die Bâloise nicht mit grossen Sprüngen – warum auch, wenn sogar der Einbau eines Geschirrspülers bewilligungspflichtig ist und man auf den Kosten sitzenzubleiben droht?
Das wiederum trifft die Baufirmen, welche ihr Geld bisher mit Gebäuderenovationen in Basel-Stadt verdient haben.
Entgegen allen Versprechungen dürfte die Wohnschutzinitiative der linken Parteien also nicht nur die Lage auf dem Zürcher Wohnungsmarkt weiter verschärfen – sie droht auch Bausubstanz, Klimabilanz und Arbeitsplätze zu gefährden.
Das Vorgehen der linken Parteien grenzt an Quacksalberei – den Wählerinnen und Wählern wird vorgegaukelt, man habe eine Lösung für ihre Probleme parat. Dabei sieht man in Genf seit vierzig Jahren, dass mit dem Wohnschutz mehr neue Probleme entstehen, als dass irgendetwas verbessert wird. In Basel-Stadt zeigt sich zudem, dass die Entwicklung in Genf kein Einzelfall ist und dass es rasant gehen kann.
Zürichs Mieterinnen und Mietern erweisen die Linken damit einmal mehr einen Bärendienst. Ganz besonders denjenigen, die ohnehin schon wenig haben und sich dann auf die Suche nach einer neuen Wohnung machen müssen. Dies geschieht nämlich nicht nur bei Gebäudesanierungen, sondern auch, wenn sich die eigenen Lebensumstände verändern – etwa durch Familiengründung, Scheidung oder wenn der Nachwuchs auszieht.
Doch Scheinlösungen sind bei den Linken hoch im Kurs: Jüngstes Beispiel ist die Verordnung, mit der geregelt werden soll, wer Anrecht auf eine sogenannt «preisgünstige» Wohnung hat. Gemeint sind Wohnungen, die durch Auf- oder Einzonungen zusätzlich entstehen können. Im Gegenzug muss ein Teil dieser Wohnungen unter dem Marktpreis vermietet werden.
Hier stellen sich die Linken nämlich ausgerechnet gegen eine Einkommenslimite. Niemand solle gezwungen sein, Immobilienfirmen die Rendite zu finanzieren.
Da verstand nicht einmal mehr der grüne Stadtrat Daniel Leupi, «was Rot-Grün da reitet». Immerhin die AL stellte nachträglich fest, man habe in der Debatte «nicht die beste politische Performance gezeigt».
Die SP ist derweil überzeugt von der eingeschlagenen Richtung. Die Abneigung gegen Investoren scheint grösser als die Solidarität mit Wenigverdienern. Deren Chancen auf eine für sie bezahlbare Wohnung sinken nämlich signifikant, wenn das Feld der Bewerber noch grösser wird.
Denn auch Gutverdienende werden sich für Wohnungen unterhalb der Marktmiete interessieren. Für die Eigentümerschaft ist das Gehalt der Bewerberinnen und Bewerber ein einfacher Weg, die Auswahl einzuschränken.
Die Art und Weise, wie die linken Parteien die Wohnsorgen der Zürcher Bevölkerung für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert haben, ist heuchlerisch. Nicht nur führt ihre Politik zu keiner Lösung, sie verschärft bestehende Probleme. Vor allem für diejenigen Menschen, denen die Linken am meisten Unterstützung versprechen.
Um die Lage auf Zürichs Wohnungsmarkt zu entschärfen, braucht es keine zusätzlichen Regulierungen, sondern möglichst viele neue Wohnungen. Auf dieses Ziel sollte die Politik hinarbeiten. Mit ideologisch geprägten Experimenten nach Genfer oder Basler Vorbild wird das Gegenteil davon erreicht.